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Plant, Robert & Page, Jimmy – Please Read The Letter I Wrote

12. August 1968 – ein Tag, an dem ein wichtiges Stück Rockgeschichte geschrieben wurde. Denn da kamen zum ersten Mal die vier Musiker der späteren Led Zeppelin zu einer Probe zusammen. Eine Formation, die die Rockwelt veränderte. Und die mit dem plötzlichen Tod von Schlagzeuger John „Bonzo“ Bonham am 25. September 1980 beendet war. Bis zu Bonhams Tod hatte das stolze Luftschiff achtmal abgehoben, um die Welt mit seinen Longplayern zu beglücken.

Hardrock und LZ 129 „Hindenburg“

Und dabei so großartige Songs hinterlassen wie „Whole Lotta Love“, „Black Dog“, „Rock And Roll“, „Moby Dick“, „D’yer M’aker“, „Kashmir“, „Good Times, Bad Times“ und natürlich „Stairway To Heaven“, um nur einige wenige ihrer Klassiker zu nennen. Die Band, die für das Cover ihrer ersten LP das brennende Luftschiff „LZ 129“ verwendete – benannt nach dem damaligen Reichspräsidenten (Paul von) „Hindenburg“ – kam 1984 für das „Live Aid Konzert“ noch einmal zusammen. Zwar war Phil Collins durchaus ein guter Ersatz für Bonzo. Aber Jimmy Page war alles andere als glücklich über den Schlagzeuger, John Paul Jones kam so spät, dass gerade einmal eine Stunde zum Proben blieb, und Robert Plants Stimme war jenseits von Gut und Böse. Konsequent verweigerten die Musiker die Verwendung ihres Auftritts für spätere DVD- und CD-Konserven. Da „Live Aid“ dazu diente, Spenden für hungernde Menschen zu generieren, Led Zeppelin aber auf späteren Konserven ausfielen, sollen die Musiker immerhin die private Schatulle großzügig geöffnet haben. Wie auch immer: Das einst so stolze Luftschiff war abgeschmiert und selbst ausgebrannt. Ein von vielen erhofftes Comeback war damit in unendliche Ferne entschwebt.

Led Zeppelin, Atlantic Records und Ahmet Ertegün

Und doch gab es dieses Comeback: Zum 40jährigen Jubiläum ihrer ehemaligen Plattenfirma Atlantic Records hob der Zeppelin 1988 noch einmal ab. Ab Bord waren wie zu Urzeiten Robert Plant, Jimmy Page und John Paul Jones. Als Ersatz für den verstorbenen Schlagzeuger war Bonhams grandioser Sohn Jason John mit dabei.
Mit Ahmet Ertegün, dem Gründer von Atlantic Records, waren die Luftschiffer in besonderer Weise verbunden. Als der 2006 verstarb, beschlossen Page, Plant und Jones doch noch ein weiteres Mal in die Lüfte zu gehen, wieder verstärkt durch Jason John Bonham. Für Tickets zum Konzert in der Londoner O2-Arena ließen sich rund 20 Millionen Menschen registrieren. Letztlich wurden 20.000 ausgelost und gehörten zu den Glücklichen, die am 12. September 2007 den Zeppelin bei seiner wohl endgültig letzten Reise begleiten durften. Ihre Eintrittskarten brachten über drei Millionen Euro für die Ahmet Ertegün-Stiftung ein. Als 2012 noch Kinofilm, Video und Album erschienen, dürfte sich die Stiftung noch einmal mehr gefreut haben.

One-Night-Stand-Reunion

Noch vor dem Konzert hatte Robert Plant den Auftritt als „One Night Stand“ bezeichnet, für den er „emotionale Kondome“ im Gepäck habe, so Plant gegenüber der New York Times. Jimmy Page hingegen konnte sich auch ein Jahr später, 2008, immer noch eine Led Zeppelin-Welttournee vorstellen. Doch Robert Plant erteilt eine klare Absage: Es habe keinen Sinn, etwas


wiederzubeleben, was von der Kraft der Jugend lebe, die nun aber einmal nicht mehr vorhanden sei. Ende. Aus. Da sich auch kein anderer Sänger finden ließ, der Robert Plant adäquat hätte ersetzen können, waren Led Zeppelin endgültig Geschichte.

Page & Plant bei MTV Unplugged

Allerdings kam es, beginnend schon früh nach dem Tod von John Bonham, immer wieder zu einer Zusammenarbeit von Jimmy Page und Robert Plant: 1994 traten die beiden bei der „MTV Unplugged-Reihe“ auf, spielten dort mit arabischen Musikern und einem Orchester alte Led Zep-Klassiker im neuen Gewand ein. Zu finden sind diese Aufnahmen auf Jimmy Page & Robert Plant – No Quarter. Ein Jahr später gingen die Beiden (mit Verstärkung) auf eine 115 Konzerte umfassende, rund einjährige Welttournee. Klar, dass sie 1995 bei ihrer Aufnahme in die Rock And Roll Hall of Fame ebenfalls auf der Bühne standen – wieder einmal begleitet von John Jason Bonham. 1998 starteten die beiden erneut zu einer Welttournee, beendeten nach 89 Konzerten ihre Zusammenarbeit: Robert Plant wollte nun endgültig zu neuen musikalischen Ufern aufbrechen. Dazu musste er sich, so seine Überzeugung, mehr als bisher von seiner Led Zeppelin-Vergangenheit lösen. Der Umstand, dass Page und Plant 2001 noch einmal beim legendären Montreux Jazz Festival gemeinsam auf der Bühne standen, spielt letztlich keine Rolle.

Nur ein gemeinsames Studioalbum

Obwohl Jimmy Page und Robert Plant nach dem Led Zeppelin-Split rund 20 Jahre lang immer wieder zusammenarbeiten, ist der musikalische Output der beiden mehr als bescheiden. Lediglich ein einziges Album gibt es mit neuen Songs, nämlich „Walking Into Clarksdale“ von 1998. Dieses Album enthält mit „Please Read The Letter“ einen Song mit Gänsehautfaktor. Doch bis dahin… noch einen Moment Geduld…

Vielleicht wäre „Walking Into Clarksdale“ nämlich ohne den Tod von Robert Plants Mutter Annie nie zustande gekommen. Zu seiner Mutter pflegte der Musiker rund 40 Jahre lang ein eher schwieriges, gespanntes Verhältnis. Erst in den letzten Jahren vor ihrem Tod hatten sich die beiden aneinander angenähert.

Tod der Mutter und Lebenskrise

Der Tod der 77jährigen Mutter führte Robert in eine Art Lebenskrise: Für rund ein Jahr zog sich der Rockstar mehr oder weniger komplett aus dem Musikbusiness zurück, spielte lediglich auf ein paar kleineren Wohltätigkeitskonzerten, besuchte Fußballspiele und traf sich mit alten Freunden. Eine lange Zeit, um über sich selbst nachzudenken, sein Leben zu sortieren und sich neue Ziele zu setzen. Angeblich rief Robert Plant nach dieser Zeit seinen alten Buddy Jimmy Page an. Allerdings gibt es auch Stimmen, die behaupten, Page habe sich bei Plant gemeldet, um den Kumpel aus seiner Krise herauszuholen. Wie auch immer: Am Ende landeten die beiden im Studio, hatten statt eines großen Trosses mit Drummer Michael Lee und Bassmann Stephen Charles Jones lediglich zwei Mitspieler dabei. Das Ergebnis war „Walking Into Clarksdale“, das, wie bereits gesagt, einzige Studio-Alben der beiden ehemaligen Luftschiffer.

Please Read The Letter

In „Please Read The Letter“ heißt es:

„Ertappt auf der Flucht, dabei etwas zu viel zu verbergen.
Vielleicht, Baby, wird alles noch einmal gut.
Bitte lies den Brief! Ich habe ihn an deine Tür genagelt.
Es ist verrückt, wie sich alles entwickelt hat. Wir hätten so viel mehr gebraucht.
Zu spät, zu spät, selbst ein Narr hätte die Anzeichen erkennen können.
Vielleicht, Baby, solltest du besser zwischen den Zeilen lesen.
Bitte lies den Brief. Ich schrieb ihn im Schlaf
mit Hilfe und Beistand von Engeln der Tiefe.
Bitte lies den Brief, den ich schrieb.“

Im Song geht es um Fehler, die gemacht wurden, wobei der Text Details großzügig verschweigt. Auffällig ist das Bedauern über das Ende einer Beziehung: Es ist einfach noch nicht alles gesagt. Und wenn ein Gespräch nicht mehr möglich ist, dann müssen eben Gedanken über einen Brief mitgeteilt werden. Der allerdings erscheint vor allem wie ein Hilferuf. Der Gedanke, dass wirklich noch einmal alles gut wird, wird schnell als Illusion entlarvt:

Trennung als etwas Endgültiges

„Mein Haus ist voll von Ringen und Reizen und schönen Vögeln.
Bitte versteh mich: Meine Mauern sind zusammengefallen.
Hier gibt es nichts mehr, was für dich übrig ist.
Geh doch zum Fundbüro!“

Das hat etwas Endgültiges. Da scheint es um Fehler zu gehen, die nicht wiedergutzumachen sind. Obwohl die Sehnsucht eine andere Sprache spricht.

Mutters vergessener Brief

Viel mehr – außer dass Plant den Song Jahre später mit Country-Star Alison Krauss noch einmal einspielt – gibt es über den Song eigentlich nicht zu sagen. Eigentlich! Wenn da eine mysteriös anmutende eine Begebenheit hinzukäme: Im Jahr 2020, so erzählte Robert Plant dem Musikmagazin Rolling Stone, habe er aufgeräumt und dabei einen Brief seiner Mutter aus dem Jahr 1967 gefunden. Damals hatte er eine Ausbildung zum Wirtschaftsprüfer absolviert, aber schon nach zwei Wochen im Job der Musik zuliebe das Handtuch geworfen. Weil der damals 19jährige Robert und Mama Annie zu jener Zeit besonders heftig miteinander im Clinch lagen, hatte Robert den Brief ungeöffnet bei Seite gelegt… und irgendwann schlichtweg vergessen. Der Inhalt besagte, er, Robert, solle nun nach Hause kommen; eine gewisse Sue würde ihn erwarten; und die Sache mit dem Job im Buchhalterbüro ließe sich in Ordnung bringen.“

Gegen die Mutter = für Led Zeppelin

Rockfans werden im Nachhinein erleichtert aufatmen, dass Robert diesen Brief damals nicht gelesen hat. Wer weiß, ob er sich sonst ein paar Monate später in jenem Londoner Keller zu einer ersten Probe mit seinen drei späteren Led Zeppelin-Kollegen eingefunden hätte.
Robert Plant brach nach eigenen Angaben beim Lesen des Briefes in Tränen aus. Der Gedanke, wegen des Briefes vielleicht die Musikerlaufbahn abgebrochen zu haben, hat ihn wohl sehr getroffen. Dass er ohne den Brief der Mutter zu kennen 20 Jahre später „Please Read The Letter“ geschrieben hatte, mag ihm wie bittere Ironie vorgekommen sein. Und vielleicht hat er gespürt, wie schwierig das ist, wenn einer noch Redebedarf hat, der andere aber einfach nicht reagiert.

Appell für Verständnis

Wer weiß, über was Robert Plant und seine Mutter noch gesprochen hätten, hätte ihr Tod nicht jedes weitere Gespräch unmöglich gemacht. Den Gesprächsfaden nie abreißen zu lassen – eine der wichtigsten Regeln für ein menschliches Miteinander. Auf diesem Hintergrund wird „Please Read The Letter“ noch mehr zu einem inständigen Appell für Verständnis am Ende einer Beziehung. Robert Plant & Jimmy Page – „Please Read The Letter“.

Der bei Classic Rock Radio gesendete Beitrag ist eine Kurzfassung dieses Textes.

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