Was das Pfingstfest mit dem Turmbau zu Babel zu tun hat (23. Mai)
Pfingsten! Was für ein merkwürdiges Wort, was für ein merkwürdiger Name! Und, na ja, was für ein merkwürdiger Inhalt! Haben Sie Lust, dies alles zu entschlüsseln? Und dann noch zu verstehen, was das Pfingstfest mit dem Turmbau zu Babel zu tun hat? Dann los.
Wie das mit vielen Begriffen, die fremd klingen, nun einmal so ist:
Sie sind auch fremd! Unser Wort Pfingsten leitet sich über das Lateinische aus dem Griechischen ab. Der „pentēkostē hēméra“, übersetzt mit „fünfzigster Tag“ ist der Namensgeber für unser Pfingstfest. Im Englischen hat sich noch mehr aus der Originalsprache erhalten:
Pfingsten – Pentecoste
Was wir mit Pfingsten bezeichnen, nennen unsere englischen Freunde Pentecoste. Womit wir schon einmal Wort und Bedeutung geklärt haben.
Dass das Wort Pfingsten im Deutschen im Lauf der Jahrhunderte eine eigentümliche Wandlung erlebte, ist zweitrangig. Wo wir aber schon einmal dabei sind: Ursprünglich sagte man bei uns „an den Pfingsten“ und gebrauchte das Wort als Dativ. Daraus wurde dann der Plural „die Pfingsten“, bis wir endlich da angekommen sind, wo wir uns heute befinden: beim Singular „Pfingsten“. Und das, obwohl wir dieses Fest an zwei Tagen feiern, also eigentlich einen Plural benötigen würden.
Ach ja, die zwei Feiertage: Weihnachten, Ostern, Pfingsten – die kirchlichen Festtage mit besonderer Bedeutung werden bei uns gleich im Doppelpack gefeiert. So ist auch der Pfingstmontag bei uns ein staatlicher und damit – für die meisten – arbeitsfreier Feiertag. Das war übrigens auch in der DDR so. Nicht aber in England und Irland. Und selbst im Vatikan wird am Pfingstmontag ganz normal gearbeitet. Augen auf bei der Wahl des Wohnortes!
Vor Angst verkrochen
Genau genommen ist Pfingsten ein Fest der Überraschungen: Damals, in Jerusalem, hatten die Apostel und Jünger Jesu gerade so etwas wie einen persönlichen Weltuntergang erlebt: Ihr Herr, Lehrer und Meister, der die beste „Botschaft der Welt“ im Gepäck führte, war gerade wegen seiner Lehren am Kreuz gestorben. Offiziell hingerichtet als Schwerverbrecher, als Hochverräter und Aufrührer. Weil seine Gefolgsleute für sich dasselbe Schicksal befürchten, verkriechen sie sich, tauchen ab, wie man wohl heute sagen würde. Die großen Ideen dieses Jesus von Nazareth scheinen ein jähes Ende gefunden zu haben. Obwohl sein Leichnam nicht mehr im Grab liegt,
obwohl seine Gefolgsleute nach Jesu Tod sporadische Begegnungen mit ihm haben – die Angst vor Verfolgung und Tod ist einfach stärker als Jesu Botschaft. Irgendwie verständlich, da es ja ums nackte Überleben geht. Verständlich auch, dass sich die Apostel und Jünger Jesu an geheimer Stelle verstecken. Und vermutlich warten wollen, bis sich die gefährlichen Wogen geglättet haben.Pfingsten als Aufbruch
Dann, an Pentecoste, Pfingsten, also 50 Tage später, das Überraschende: eine Art plötzlicher Wirbelsturm mit Feuerregen! Laut Bibel ist das der Geist Gottes, der Heilige Geist, der auf die Verängstigten herabkommt und ihnen Kraft gibt. Urplötzlich haben die genug Mut, aus ihren Verstecken hervorzukriechen und ganz offensiv den Menschen in Jerusalem von der aus ihrer Sicht „besten Botschaft der Welt“ zu erzählen, also von der Botschaft Jesu Christi. Ein schier unglaublicher, waghalsiger Vorgang! Denn just an diesem Tag ist Jerusalem zum Bersten voll, kommen Menschen aus allen Himmelsrichtungen zusammen.
Man kann sich das bildlich vorstellen: In einem Gebäude passiert etwas, was man von außen nicht sehen kann. Und plötzlich reißen die Bewohner Türen und Fenster auf, kriechen aus ihrem Versteck hervor, mischen sich unter die Pilger, die aus siebzehn verschiedenen Ländern in die Stadt gekommen sind, und erzählen denen von der Auferstehung Jesu. Das Unglaublichste aber kommt erst noch: „Ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden“, heißt es in der Bibel.
Verrückt? Zumindest nicht normal. Schnell würde man heute fragen: „Was haben die denn genommen?“ Eine Frage, die die Bibel bereits überliefert: „Sie sind vom süßen Wein betrunken“, meinten wohl einige der umstehenden Zeitgenossen.
Dass die Gefolgsleute Jesu ihr schützendes Versteck verlassen, auf Andersgläubige zugehen und ihnen von ihren Erfahrungen mit Jesus erzählen, gilt nicht nur als Geburtsstunde der Kirche, sondern auch als erste große Missionsaktivität der Anhänger Jesu. Damit könnte man das Pfingstfest abhaken, den Text an dieser Stelle beenden. Und würde gar nicht verstehen, was die Menschen damals tatsächlich erlebt und gedacht haben.
jüdisches Symbol- und Zahlenverständnis
Den Schlüssel für die eigentliche, tiefliegende Botschaft des Pfingstfestes liefern die unterschiedlichen Zahlen, die der Verfasser der sogenannten Apostelgeschichte in seiner Pfingsterzählung gleich mitliefert. Und die direkt zum Turmbau zu Babel führen.
Dazu eine wichtige Vorbemerkung: Auch die frühen Christen sind Juden! Jesus war Jude, seine Apostel, Jünger oder wie immer man seine Anhänger nennen möchte, auch. Das Selbstverständnis, eine eigene Religion zu sein, entsteht erst schrittweise und geht mit einer gewissen Abnabelung vom Judentum einher. Die beginnt deutlich beim sogenannten Apostelkonzil in der Mitte der 1. Jahrhunderts n. Chr., als nämlich die Vorstellung aufkommt, um Christ zu sein genüge die Taufe. Die Beschneidung des Mannes sei nicht notwendig. Bis dahin mussten Heiden, die Christen werden wollten, erst Juden werden und sich beschneiden lassen. Nun entscheiden die Christen: Nööö, muss nicht sein. Ein Affront gegenüber dem traditionellen Judentum, der – um es etwas salopp zu formulieren – den späteren Rauswurf der Christen aus dem Judentum nach sich zieht. Bis dahin aber sind die frühen Christen von ihrer Erziehung, ihrem Denken und weitestgehend ihrem Handeln fromme Juden.
Jetzt wird es kompliziert. Allerdings nur für Sie. Für die frühen Christen dagegen, die, wie gesagt, tief in der jüdischen Tradition verwurzelt waren, lag die Sache klar auf der Hand.
Der Turmbau zu Babel
Lassen Sie uns auf den Turmbau zu Babel zu sprechen kommen. Einen Turm wollten die Menschen bauen bis zum Himmel, einen, der sie an Gott heranreichen lässt, schreibt die Bibel viele Jahrhunderte vor Geburt und Tod Jesu. An Gott heranreichen zu wollen, so sein zu wollen wie Gott – ein Verhalten, das mit dem Wort Hybris beschrieben wird. Die Folgen sind katastrophal: Erst kracht der Turm zusammen, dann sprechen die Erbauer nicht mehr dieselbe Sprache, so die Bibel.
Was nun nicht etwa erklären soll, wie Englisch, Russisch, Chinesisch, Kiswahili und die übrigen der 6000 bis 7000 Sprachen dieser Welt – ja, so viele sind es wirklich – entstanden sind. Wir verwenden ja bis heute gern die Metapher: Da sprechen zwei nicht (mehr) dieselbe Sprache. Was nichts anderes bedeutet, als dass zwei Menschen nicht mehr miteinander klarkommen, sich nicht mehr gut verstehen. Oder wie wir mit einer anderen Metapher sagen: Die Chemie zwischen den beiden stimmt nicht. Also will der biblische Text sagen: Wenn du so sein willst wie Gott, fällt dein Plan wie ein Kartenhaus zusammen und aufgrund deiner „Spinnerei“ kommst du mit anderen Menschen nicht mehr zurecht.
Gematrie: Babel = BBL
Apropos zurecht: Zurecht fragen Sie, was das mit dem Pfingstfest zu tun hat. Dazu müssen wir einen letzten Ausflug unternehmen, einen in die Schriftsprache: Im Hebräischen werden ursprünglich lediglich die Konsonanten geschrieben. Quasi als Lesehilfe entstehen erst in späteren Jahrhunderten kleine Punkte, die man an Stelle der gesprochenen, aber nicht geschriebenen Vokale setzt. Vom Ort des Turmbaus, Babel, werden also in der Schriftsprache lediglich die Konsonanten BBL notiert. Und jetzt der komplizierteste Schritt: Jedem Buchstaben im Hebräischen ist ein Zahlenwert zugeordnet. Damit greifen die Hebräer einen uralten, bereits in Naturreligionen vorhandenen Mechanismus auf, den zum Beispiel die Babylonier geradezu zur Perfektion fortgeschrieben haben.
Zahlen mit Buchstabenwert? Das ist gar nicht so abwegig. Lassen Sie sich einmal im Deutschen das Wort „er-zählen“ auf der Zunge zergehen. Zahlen erzählen, berichten etwas. Die Zuordnung von Zahlen zu Buchstaben nennt man übrigens Gematrie. Nach deren Regeln hat der Buchstabe B den Zahlenwert 2, der Buchstabe L den Zahlenwert 30. Also könnten Sie Babel, genauer BBL, in Zahlen als 2+2+30 schreiben. Bei den Regeln der Mathematik gibt es keine Geheimnisse. Addieren Sie also 2+2+30 miteinander, erhalten Sie die Summe 34. Soweit das.
Pfingsten: Menschen aus 17 Völkern
Gleich haben Sie es geschafft! Wir beenden nämlich nun die Reihe unserer Ausflüge und kehren zurück zum Pfingstfest: In vielen gelehrten Abhandlungen zermartern sich Autoren den Kopf, warum im Pfingsttext ausgerechnet Menschen aus 17 verschiedenen Völkern nach Jerusalem pilgern. Zählen Sie einmal mit: „Parther, Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadokien, von Pontus und der Provinz Asien, von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten und dem Gebiet Libyens nach Kyrene hin, auch die Römer, die sich hier aufhalten, Juden und Proselyten, Kreter und Araber – wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden“, so die sogenannte Apostelgeschichte in der Bibel. Und, haben Sie mitgezählt? Ihr Ergebnis müsste „17“ lauten. Warum benennt der Verfasser der Apostelgeschichte 17 Völker bzw. Volksgruppen? Kennen die Menschen seiner Zeit nur diese Völker? Ganz sicher kennen sie viel mehr! Akzeptiert das Judentum keine anderen Völker und Volksgruppen? Leider falsch. Sind da lediglich die Völker benannt, denen man sich besonders verbunden fühlte? Na, da würden sich die römischen Besatzer aber gewaltig freuen. Letztlich gibt es nur eine schlüssige Erklärung: Dem Verfasser geht es nicht um die einzelnen Völker und Volksgruppen, sondern um deren Anzahl. Um die 17.
34:17 = 2:1
Jetzt kommt die Auflösung: Vergleichen Sie die Zahlen für Babel (BBL) und die Anzahl der beim Pfingstereignis benannten Völker und Volksgruppen, kommen Sie zu den Zahlen 34 und 17. Jetzt noch einmal kurz mathematisch denken: 34 für BBL und 17 für die Völker – das ist genau die Hälfte. Beide Zahlen stehen also im Verhältnis von 2:1. Auf die Erzählungen vom Turmbau und vom Pfingstereignis heruntergebrochen bedeutet dies: So sein wollen wie Gott, sich in seiner Hybris auf dieselbe Stufe wie Gott stellen zu wollen, denn das war der Turmbau, endet – Achtung, die Zahl beachten – in der Ent-ZWEI-ung. Sie können auch gerne das alte, aus dem Mittelhochdeutschen stammende Wort Zwietracht verwenden. Sich aber auf die Hilfe Gottes, auf seinen Heiligen Geist zu verlassen, führt in die EIN-heit: Man spricht wieder dieselbe Sprache, kommt wieder miteinander klar.
Beim Pfingstfest wird der Prozess der Ent-ZWEI-ung also wieder umgekehrt: Trotz unterschiedlicher Herkunft und Sprache verstehen die Menschen einander. Die Sprachverwirrung hat ein Ende. Dem Heiligen Geist sei Dank!
spürbare Be-GEIST-erung
Betrachtet man also die Aussagen über die Pfingsterzählung metaphorisch, muss man bei denen, die nach Jerusalem gepilgert waren, nicht mehr an einen kleinen Mann, einen Simultandolmetscher im Ohr, denken. Der Sachverhalt ist viel einfacher: Sie erlebten die Kraft und die Einigkeit der vorher verschreckten Gefolgsleute Jesu. Ob sie historisch betrachtet tatsächlich jedes Wort verstanden haben, ist fraglich. Tatsächlich aber dürften sie erlebt haben, wie gestärkt, wie angesteckt vom Heiligen Geist, wie be-GEIST-ert die Jünger die Botschaft Jesu verkündeten.
Wobei ein Wunder Gottes natürlich nicht ausgeschlossen sein soll. Aber die Argumentation zeigt: Ein Wunder wäre gar nicht notwendig gewesen!
Spannend, oder? Auch wenn Sie abwinken mögen, vielleicht sagen sollten: „Alles viel zu kompliziert“ – ja, für uns heute schon. Denn wir haben verlernt darauf zu achten, was uns Zahlen erzählen. Was auf jeden Fall auch ohne Zahlen bleibt, ist die Botschaft: Das, was ohne Gott zum Trennenden wird, wird mit Gott zum Einenden. Und auch das ist ja schon ein ziemlich herausforderndes Ergebnis.
Der 50. Tag
Dass dies ausgerechnet an Pentecoste, am 50. Tag nach der Auferstehung Jesu passiert, hat natürlich auch etwas mit der Zahlenlehre zu tun: Denn hierin finden sich die Zahl fünf, die „Quintessenz“, die Zahl des Neubeginns, gepaart (oder besser: multipliziert) mit der Zahl der Vollendung, der 10, also 5 x 10. Ein Schritt nach vorn in höchster Vollendung: besser geht’s nicht. (Es sei denn, Sie nehmen die 10 x 10 x 10 und landen bei der 1000 – aber das ist eine ganz andere Geschichte!)
FROHE PFINGSTEN!
Das Wissen über die Gematrie verdanke ich Ferdinand Rauch, dessen Hobby „sprechende Namen“ und Gematrie in der Bibel sind.
Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.
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