Vatertag vs. Christi Himmelfahrt, John Lennon vs. Raumschiff Orion (13. Mai)
„Was heute noch wie ein Märchen klingt, kann morgen Wirklichkeit sein. Hier ist ein Märchen von übermorgen.“ Mit diesen Sätzen begann sie, die Reise des schnellen Raumkreuzers Orion bei seinen Patrouillen durch das All. Die Älteren unter uns erinnern sich, die Jüngeren sprechen angesichts von rund 20 Wiederholungen
im Deutschen Fernsehen schlichtweg von Kult. Wenn Commander Cliff Allister McLane am Bügeleisen als Steuerpult drehte, Tausende kleiner Lämpchen blinkten und Plastikbecher zu „ganz normalen Raumschifflampen“ mutierten, befand man sich auf der Kommandobrücke der Orion. Erst der Orion 7, aber als Cliff, Helga, Tamara, Mario, Hassan und Atan diese im Kampf gegen die Frogs, na ja, geopfert hatten, dann eben der Orion 8. Großartig allein die Startsequenz: diese metallische Stimme, die rückwärts zählte, statt „fünf“ immer „fünnef“ sagte; oder die Anfangsmelodie (Singen Sie jetzt mit?): „Pa pa padada, pa pa pa papapapa pa.“ Gänsehaut pur.
Schneller Raumkreuzer Orion
Zugegeben: Den Spagat, den der Artikeltitel andeutet, in einem einzigen Text hinzubekommen, scheint schwierig. Aber Teil eins haben wir quasi schon. Kommt der Sprung zu Teil zwei: So wie den Start des schnellen Raumkreuzer stellten wir uns als Kinder Christ Himmelfahrt vor. Ein – in diesem Fall unhörbarer – Countdown, dann ein Zischen und Ruckeln, und weil der Start ja nicht wie bei der Orion von einer Unterwasserbasis aus erfolgte und jede Menge Luftblasen aufsteigen ließ, dann zumindest eine Menge Rauch. Und schon hebt der Körper Christi zitternd und ruckelnd ab und entschwindet, immer mehr Fahrt aufnehmend, in den Himmel. Zwar mogelte sich da der Satz von den „unendlichen Weiten“ in unsere Phantasie hinein. Aber der stammt natürlich aus dem US-amerikanischen Pendant, nämlich von
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„Raumschiff Enterprise“. Die passende Musik in unseren Köpfen aber war eindeutig die von „Raumpatrouille“: „Pa pa padada…“ Sie wissen schon…
John Lennon: Imagine
Ein paar Jahre später hörten wir dann – und damit kommen wir zum nächsten Bestandteil der Artikelüberschrift – John Lennon. Der Ex-Beatle sang in „Imagine“:
”Imagine there’s no heaven
it’s easy, if you try
no hell below us
above us only sky.”
Was? Mit unserem Schulenglisch brauchten wir eine Weile, bis wir den Unterschied kapierten zwischen „Himmel“ und „Himmel“, zwischen „Heaven“ und „Sky“: „Sky“ meint den Bereich, in dem Wolken und die verschiedenen Luftschichten als Schutzschild für unseren blauen Planeten funktionieren. „Heaven“ hingegen ist religiös besetzt, meint so etwas wie den Wohnort Gottes. Dass es diesen Wohnort Gottes genau so wenig geben sollte, wie die Hölle – sich das vorzustellen, sollte leicht sein? Unser Pfarrer tobte gegen diese Gotteslästerung, unser Religionslehrer war begeistert: Wenn man den Himmel im Sinne von „heaven“ nicht mehr sehen kann, dann muss man wohl mittendrin sein. Himmel und Hölle – die Unterscheidung hat keine Bedeutung mehr, existiert nicht mehr. Denn Lennon beschreibe den Zustand der Ewigkeit und Seligkeit, den sich fromme Menschen sehnlichst erwünschen. Uns Schülerinnen und Schüler gefiel die Interpretation unseres Relilehrers weitaus besser als die unseres Pfarrers. Nur war unsere Vorstellung von Christi Himmelfahrt damit dahin. Kein Flug durch das Weltall, bis man vielleicht in irgendeinem Spiralnebel auf Gott trifft.
Christi Himmelfahrt theologisch
Christi Himmelfahrt – das machte uns unser Religionslehrer klar, meint keine Fahrt von Ort zu Ort, bedeutet nicht, irgendwohin zu kommen, auf rosa Wölkchen, ”Lluja” zu singen, wie der ”Münchner im Himmel”. Himmel ist nicht „da oben“ – da oben ist, ganz im Sinne von John Lennon, das Firmament. Wenn die Bibel sagt, dass Christus in den Himmel aufgefahren ist, dann bedeutet das: Jesus Christus ist voll und ganz wieder bei Gott. Und: Weil Christus diese Möglichkeit für alle Menschen aufgezeigt hat, kann jeder die Hoffnung haben, eines Tages zu Gott zu kommen. Denn Gott und Mensch gehören untrennbar zusammen. Aus dieser Hoffnung heraus feiern Christen heute das Fest Christi Himmelfahrt. Tja, es sieht so aus, als hätte ich einen guten Religionslehrer gehabt. Zumindest habe ich mir gemerkt, was er uns vor etlichen Jahren erzählt hat…
Christi Himmelfahrt historisch
Nur so nebenbei: Dass wir bereits drei der vier Elemente aus der Artikelüberschrift angesprochen haben, haben Sie sicher mitbekommen, oder? Fehlt noch der vierte, ich weiß. Lassen Sie uns trotzdem noch einen Moment beim Fest Christi Himmelfahrt verweilen. Dieses Fest gibt es nämlich schon unglaublich lange. Seit dem Jahr 370 ist Christi Himmelfahrt als eigenständiges Fest nachweisbar. Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass es immer exakt 40 Tage nach Ostern gefeiert wird? Das hat etwas mit der Symbolzahl 40 zu tun – das Irdische in Fülle, um frei zu werden für den nächsten Schritt, die „Quintessenz“. (In diesem Wort steckt die Quinte, die fünf drin. Sie ahnen nun bereits, warum Pfingsten immer 50 Tage nach dem Ostersonntag gefeiert wird? Doch bis dahin haben wir noch ein paar Tage Zeit.)
Weil übrigens der 40. Tag nach dem Ostersonntag immer ein Donnerstag ist und weil Christ Himmelfahrt sich als Feiertag durchgesetzt hat, haben die meisten von uns heute arbeitsfrei. Auch die, die mit dem christlichen Glauben wenig oder gar nichts zu tun haben.
Brauchtum an Christi Himmelfahrt
Weil im Mittelalter die meisten Normalos nicht lesen konnten, musste man den Glauben mit Bildern und bildhaften Zeichen unters Volk bringen. So entstand der Brauch, in Himmelfahrtsgottesdiensten eine hölzerne Christusfigur an einem Strick in die Höhe zu ziehen. Durch ein Loch in der Decke der Kirche entschwand sie den Blicken der Betrachter. Ein Brauch, der fast völlig untergegangen ist. Was ja auch nicht weiter tragisch ist. Sie können ja lesen!
Übrigens – und damit kommen wir nun langsam doch endlich zum vierten Element der Artikelüberschrift – beteten und beten noch heute die Gläubigen an Himmelfahrt vielerorts auch um eine gute Ernte. Wie kann man das besser machen als bei einer Prozession durch die Felder? Und weil man schon mal „im Grünen“ war, endete der Himmelfahrtstag oft bei zünftigem Essen und Trinken, Musik und Gesang. Picknick im Mittelalter, wenn Sie so wollen. Und das unter einem religiösen Aspekt!
Von den „Schinkentouren“ zum Vatertag“
Wie das aber nun mal so ist: Schon im Mittelalter entwickelten sich „Auswüchse“. Im 19. Jahrhundert erhielten die den euphemistischen Namen „Schinkentouren“. Und – jetzt sind wir dran – genau daraus entwickelten sich die Vatertagstouren. Was für Mutti an Muttertag richtig ist, ist für Vati am Vatertag recht und billig. Üblicherweise, in diesen Coronazeiten wohl weniger als sonst, ziehen viele Väter mit Bollerwagen, Bierkiste und Grill durch die Landschaft. Für die Volksfeststimmung sorgen üblicherweise die Bierkiste und die vielen kleinen Schnapsfläschchen, die man an Bord hat. Die mittelalterliche Sache mit den Auswüchsen hat auch in unserer Zeit Bestand: Spätestens dann nämlich, wenn der Vorrat an Würstchen, Bier und Schnäpsen verputzt ist, leiden manche – drücken wir es mal vornehm aus – an einer gewissen Bewusstseinsstörung. Mit dem eigentlichen Sinn von Christi Himmelfahrt und dem Grund, weshalb heute für die meisten arbeitsfrei ist, hat das allerdings nicht mehr viel zu tun.
Zurück zum Anfang
Wie meinte damals sinngemäß mein Religionslehrer zur Himmelfahrt Christi? „Die Bibel schreibt nur: Eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken. Letztlich ist es völlig egal, wie sich die Himmelfahrt Christi historisch abspielte – nur eines soll ausgedrückt werden: Jesus Christus ist nun endgültig in die göttliche Herrlichkeit eingekehrt.“
Klingt ganz schön theologisch, oder? Lassen Sie es mich anders sagen und damit zum Anfang meines Textes zurückkommen: „Was heute noch wie ein Märchen klingt, kann morgen Wirklichkeit sein!“ Ob es ein Märchen von übermorgen ist, werden wir ja sehen. Ob das buchstäblich in den Sternen steht? Wer weiß.
Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.
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