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Pfingstmontag wird abgeschafft (24. Mai)

Genießen Sie ihn, den heutigen Pfingstmontag. Denn nicht mehr lange, und er könnte abgeschafft sein. Und mit ihm sechs weitere kirchliche Feiertage. Das wären Karfreitag, Ostermontag, Christi Himmelfahrt, Fronleichnam, 1. und 2. Weihnachtstag. Und eben der Pfingstmontag. Sie fragen, warum? Aber hallo! Überall im Leben geht es um Optimierung. Selbstkontrolle und Selbstoptimierung durch

Fitnessarmbänder, immer besser werden, immer mehr leisten, immer höhere Erträge. Da ist es doch völlig normal, auch über die Steigerung der Arbeitskraft nachzudenken. Die Abschaffung von sieben kirchlichen Feiertagen kommt da doch wie gerufen. Sieben freie Tage weniger bedeuten: sieben Arbeitstage mehr!

Okay, okay, Sie haben recht: Das stimmt so nicht. Denn Fronleichnam ist kein bundesweiter kirchlicher Feiertag. Und der 1. und 2. Weihnachtsfeiertag fällt ab und an mal auf Samstage und Sonntage.

Nur ein Gedankenspiel?

Zugegeben, bis hierhin ist das Ganze ein Gedankenspiel. Aber was heute noch ein Gedankenspiel ist, könnte morgen schon Wirklichkeit sein. Denken Sie an 1995: Ratzfatz war der Buß- und Bettag weg. Gestrichen, um die Pflegeversicherung finanzieren zu können. Zehn Jahre später forderten Unternehmens- und Arbeitgebervertreter gleich noch die Abschaffung eines zweiten Feiertags. Das würde dazu beitragen, die Kosten für die Arbeitgeber zu senken. Also bitte: Wenn wir uns selbst, unsere gesellschaftliche Situation optimieren wollen, dann sollten wir weitere Feiertage abschaffen. Der Pfingstmontag wäre der erste Streichkandidat. In England und Irland gibt es ihn ohnehin nicht. Okay, die Menschen von der Insel haben an einem anderen Tag frei, feiern dann ihre Frühlingsfeste – in Anlehnung an die alte keltische Tradition der Beltanefeiern. Aber das müssten wir hier doch niemandem erzählen. Streichen und gut. Als Mega-Argument würde der Vatikan dienen: Da geht heute

niemand zur Arbeit. Außer vielleicht dem Papst. Aber erstens ist der immer im Dienst; zweitens hat der gerade dann seine Hauptarbeitszeit, wenn andere frei haben. Ohne Papst, Bischöfe und Priester keine Gottesdienste. Also zählt der Papst nicht. Der bei uns freie Pfingstmontag wäre somit zum Abschuss freigegeben. Nur zu!

Kirchliche Feiertage – sinnentleert?

Auch mit den anderen kirchlichen Feiertagen ist das auch kein Problem. Was verbinden denn die Menschen mit den kirchlichen Feiertagen? An Weihnachten feiern wir den Todestag des Weihnachtsmannes, Karfreitag ist eh eine Erfindung der Fisch verarbeitenden Industrie, an Ostern denken wir an die Hochzeit Jesu. Immerhin: Oster hat also etwas mit Jesus zu tun! Fronleichnam? Ja, äh… keine Ahnung? Auch wenn die Zahlen zu den einzelnen Feiertagen schwanken, es auch eklatante Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland gibt: Mindestens ein Drittel der Deutschen verbindet nichts mehr mit dem eigentlichen Sinn hinter den Feiertagen. Tanzverbote an Karfreitag? Hallo! Jedes Jahr – na gut, in Coronazeiten weniger bis gar nicht – gibt es Proteste gegen diesen stillen Feiertag. Mitternachts-Shopping am Gründonnerstag mit abschließendem Feuerwerk? Wenn ich mich recht erinnere, gab es da vor Jahren sogar eine Klage, um dieses Event steigen lassen zu können.

Kein Cherry Picking!

Und bitte jetzt kein Cherry Picking – das hat uns schon den letzten Nerv geraubt, so lange die Briten in der EU waren, solange der Brexit lief und auch jetzt, wo der Warentransport nicht so läuft, als wären sie noch Mitglied der EU. Nein, nein, wenn schon, dann richtig! Was konkret heißt: Wenn die Menschen schon nicht mehr wissen, was an Karfreitag eigentlich Sache ist, dann weg damit. Alles, was sinnentleert ist, ist unnütz. Überflüssig. Aber bitte dann konsequent: Brexit means Brexit, Feiertag weg means Feiertag weg! Wenn es also keinen gesellschaftlichen Konsens mehr für den Karfreitag als Feiertag gibt, dann muss er zu einem ganz normalen Arbeitstag werden. Wenn niemanden mehr interessiert, was hinter einem von der Kirche errungenen und vom Staat geschützten Feiertag steht, dann weg damit. Aber nicht halb: frei, um Party zu feiern. Nein, dann ganz! Arbeiten gehen! Keine Rosinenpickerei!

Trennung von Staat und Kirche

Dann kämen auch all die zu ihrem Recht, die schon lange vehement die Trennung von Kirche und Staat fordern! Kirche, ich bitte Sie! Die verliert immer mehr an Einfluss. Immer weniger gehen hin. Immer mehr treten aus. Immer geringer wird die Rolle, die sie spielt. Oder um es etwas distinguierter zu formulieren: Die gesellschaftliche Relevanz von Kirche nimmt bei uns im Land stetig ab. Altbacken, langweilig, Kirche hat sich völlig überlebt. Und, los Leute, jetzt gilt es konsequent zu sein! Es gibt ja schon genug Initiativen, die einen verkaufsoffenen Sonntag fordern. Jetzt, wo Corona deutliche Spuren hinterlassen hat, wird die Diskussion wieder aufflammen. Konsequenz hieße: Gleiches Recht für alle! Dann wird eben der Sonntag zu einem Arbeitstag für jeden. Weg mit dem freien Sonntag! Die Vorstellung, dass es einen Tag braucht, um Gott zu ehren, um Zeit für innere Einkehr, Gebet und Gottesdienst zu haben – hallo! Das ist uralt, hat sich überlebt. Die Idee, einen siebten Tag in der Woche zu haben, am dem sich sogar der liebe Gott auf seine kleine Bank vor seinem kleinen Haus gesetzt hat und sich sein Schöpfungswerk angeguckt hat, und das in aller Ruhe: Das ist doch Schnee von gestern! Öffnung des Sonntags means Öffnung des Sonntags: Bitte also nicht nur geöffnete Geschäfte, sondern auch geöffnete Büros, Werkhallen und und und. 52 mehr Arbeitstage für alle – das nenne ich mal einen Schritt zur Optimierung. Was meinen Sie, wie das den DAX nach oben bringt!

Noch viel mehr Optimierungspotenzial

Lassen Sie uns die alten Zöpfe gänzlich abschneiden: Weg mit dem Jahresurlaub – auch so eine Erfindung, die unter anderem auf der kirchlichen Soziallehre beruht. In den USA geht es doch auch prima mehr oder weniger ohne festen Jahresurlaub! Dann noch alle Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen, Pflege- und Altenheime, soweit sie von den Kirchen betrieben werden, dichtmachen – zum weitaus größten Teil begleicht deren Kosten eh der Staat.

Abschaffung der Kirchensteuer?

Und zur Krönung des Ganzen: Weg mit der Kirchensteuer! Das wäre doch was. Wobei, bitte, wenn Sie meinen, diese Steuer fiele dann weg, dann irren Sie sich. Sie würde lediglich verlagert. Erstens lässt sich der Staat den Einzug der Kirchensteuer von den Kirchen fürstlich bezahlen – mit diesem Geld rechnet er, dieses Geld wird er auch weiterhin haben wollen. Von Ihnen! Zum anderen müsste der Staat ja nun all die sozialen Einrichtungen, bei denen die Kirchen zumindest einen Teil finanziert haben, voll bezahlen. Sie meinen, da würde für den Staat trotzdem noch etwas übrigbleiben? Dazu gibt es Berechnungen, die das Gegenteil nahelegen. Ist aber auch egal. Sie können mir ja einmal eine Steuer nennen, die der Staat freiwillig reduziert hat, ohne sie gleichzeitig durch andere Abgaben auszugleichen.
Das einzige Argument, das ich gelten lasse: Auch all diejenigen, die über die Kirche herziehen, ohne Mitglied zu sein, ohne Kirchensteuer zu zahlen, würden dann zur Kasse gebeten. Von staatlichen Steuern kann man sich nämlich nicht so einfach abmelden wie von der Kirchensteuer…

Und was ist mit staatlichen Feiertagen?

Aber ich schieße über das Ziel hinaus! Deshalb noch einmal meine Forderung: Wenn wir schon sinnentleerte Dinge abschaffen, dann konsequent. Ohne Cherry Picking! Abschaffung von kirchlichen Feiertagen means Schaffung von zusätzlichen Arbeitstagen! Hopp, hopp also zur Arbeit an sieben kirchlichen Feiertagen. Und wenn wir gerade dabei sind: Warum beschränken wir uns auf die kirchlichen Feiertage? Auch am 1. Mai demonstriert nur noch eine Minderheit für die Rechte der Arbeitnehmer. Und am Tag der deutschen Einheit denkt nur eine Minderheit in politischen Dimensionen. Beide Tage könnten wir auf einen Sonntag legen: Tag der Arbeit am 1. Sonntag im Mai, Tag der deutschen Einheit am 1. Sonntag im Oktober. Lassen Sie uns Realisten sein: Die Abschaffung der Sonntage wird länger dauern. Tag der Arbeit und Tag der deutschen Einheit je an einem Sonntag – für die nächsten Jahre wären dadurch zwei Tage gewonnen. Zwei Tage für die Optimierung des Staates, zwei Tage für die Verbesserung des Gemeinwohls. Zwei Tage, an denen nur ein geringer Prozentsatz der Angesprochenen weiß, warum er gerade frei hat.

Neuer Text für die Nationalhymne?

Wenn wir jetzt noch damit argumentieren, dass Corona Unsummen verschlungen hat, stehen die Chancen für eine nachhaltige Veränderung unserer Gesellschaft nicht schlecht. Und dann können wir auch die Nationalhymne umtexten. Aus „Einigkeit für Recht auf Freizeit“ könnte dann werden: „Einigkeit für Recht auf Arbeit“. Schaffen bis zum Umfallen – das ist das neue Credo, das ist das neue Glücklichsein. Hat jemand etwas von vollem Lohnausgleich gesagt? Jetzt übertreiben Sie! Die Festgehälter bleiben natürlich. Sonst würde das der Industrie ja nichts bringen! Also: Fangen wir mit dem Pfingstmontag an? Ab dem nächsten Jahr?

Wollen wir das wirklich?

Weg von diesem noch sehr fiktionalem Szenario! Aber denken Sie bitte an den Satz von oben: „Was heute noch ein Gedankenspiel ist, könnte morgen schon Wirklichkeit sein.“
Wenn Sie mich fragen: Niemand ist gezwungen, die christlichen Traditionen unseres Landes mitzufeiern. Offizielle Konkurrenzveranstaltungen, vor allem solche mit gegenläufigem Sinn, wenden sich gegen mehr als nur die Ruhe an einem kirchlichen Feiertag. Kurzfristig versprechen sie Spaß und volle Kassen. Langfristig drehen sie kaum merklich, aber Schritt für Schritt all das zurück, was unsere Vorfahren mit großer Anstrengung und zum Teil mit großen Entbehrungen erkämpft haben.

Wehret den Anfängen

Feiertage, eben auch kirchliche Feiertage sind eben nicht überflüssig. Freie Sonntage erst recht nicht. Ein freier Pfingstmontag unterscheidet uns eben von anderen Ländern. Warum denn nicht? Wer meint, Traditionen seien Luxus und könnten abgeschafft werden, setzt zwangsläufig einen Mechanismus in Gang, der kaum noch zu stoppen ist. Denn über die nächsten Minuten hinausgedacht gilt: Abschaffung von (kirchlichen) Feiertagen means Schaffung von zusätzlichen Arbeitstagen! Das aber hieße die Axt anzulegen. Und zwar nicht an die Gesellschaft irgendeines Landes in Afrika, Nord- oder Südamerika oder Asien, sondern die Axt anzulegen an die Grundfesten der Gesellschaft hier bei uns. An Ihrem und meinem Leben.

Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.

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