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Rain Man – Dustin Hofman, Autismus und gesellschaftliches Umdenken (6. Juni)

Zugegeben: Früher wusste ich nicht, was Autismus ist. Das änderte sich schlagartig, als ich vor etlichen Jahren den Film „Rain Man“ sah. Mittlerweile ist der Film 33 Jahre alt, aber immer noch aktuell. Dustin Hofman spielt darin auf brillante Weise den Autisten Raymond, Tom Cruise seinen etwas verschlagenen Bruder Charlie. Mir ging es wohl wie vielen Millionen Zuschauern: Ein Film, der witzig ist, aber dennoch unter die Haut geht. Einer,

der eine Lanze für Menschen bricht, die an Autismus leiden. So wie Raymond, wie gesagt, gespielt von Dustin Hofman. Damit er sich in seinem Leben zurechtfindet, sind ganz bestimmte Dinge notwendig. Lebensnotwendig. Zum Bei-spiel, dass der Ahornsirup immer vor den Eierkuchen auf dem Tisch stehen muss. Niemals umgekehrt. Dann bricht die Welt des autistischen Ray zusammen. Immer wenn er in eine ihm unangenehme Situation gerät, brabbelt Raymond (in der deutschen Synchronisation) etwas von einem „Ersten beim ersten Mal“ – ein zum Zeitpunkt des Filmdrehs 50 Jahre alter Sketch zum Thema Basketball, wie ich später nachgelesen habe. Ich habe eine Zeitlang gebraucht, bis mir klar war: Für Raymond ist diese kurze Passage so etwas wie ein Rettungsanker, etwas das ihm Halt gibt in einer Welt, für die er eine andere Struktur hat als andere Menschen.

Besondere Fähigkeiten

Durch den Film „Rain Man“ habe ich viel über Autisten gelernt. Zum Beispiel, dass sie ein phänomenales Gedächtnis haben. Als Ray seinen Bruder um etwas zu lesen bittet, wirft der ihm ironisch ein Telefonbuch hin. Am nächsten Tag hat Ray alle gelesenen Telefonnummern und die dazugehörigen Namen im Kopf. Und als einmal ein Döschen Zahnstocher zu Boden fällt, erkennt Ray auf den ersten Blick: Es sind genau 246 Stück. Das Ganze wäre nicht ein unterhaltsamer Film, wenn Bruder Charlie das nicht ausnutzen würde: Sein autistischer Bruder soll ihm helfen, im Spielkasino beim Black Jack Karten zu zählen und zu gewinnen. Dass dies in der Realität nicht so funktioniert wie im Film, ist dabei völlig unerheblich.

Anders denken – anders Probleme lösen

Rain Man – ein wirklich ergreifender Film. An ihn musste ich denken, als mir ein Bekannter erzählte: Die IT-Firma, in der er arbeitet, suche händeringend nach einem Autisten. Und ohnehin sei das seit längerem in nahezu der gesamten Branche so. IT-Firmen machen sich zunutze, dass Autisten anders denken. Auf eine Art und Weise, die sie im Alltag zwar mit Problemen kämpfen lässt. Aber auch auf eine Weise, die beim Lösen von speziellen

Problemen hilfreich ist.

Mir ist schon klar, dass die IT-Branche Geld verdienen will. Kein Problem, das muss jeder. Aber ihr Vorgehen finde ich einfach großartig. Denn dadurch wird überdeutlich: Menschen mit Behinderungen sind keine Menschen zweiter Klasse. Behinderungen sind nicht per se etwas Negatives. Ja, sie mögen einschränken. Aber sie zeigen uns auch eine andere Art von Sein. Vielleicht auch eine andere Art von Fühlen und Denken. Na und? Ist das schlimm? Ist das nicht eine Bereicherung? Und vor allem: Wer sagt denn eigentlich, was „normal“ ist? Und mit welcher Berechtigung?

Wertschätzung von Menschen, die anders sind

Ja, ich weiß, in der Praxis, im Alltag hilft es nicht, darüber zu philosophieren, was „normal“ ist und was von der so genannten Normalität abweicht. Ohnehin kann man nicht generalisieren. Wer geistig schwerstbehinderte Menschen pflegt, weiß besser als ich, welche Belastungen das mit sich bringt. Und manch ein Körperbehinderter mag nun denken: Was weißt du denn schon, wie es ist, immer auf Hilfe angewiesen zu sein! Alles richtig. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass für mich Menschen mit Behinderungen genauso wertvoll sind wie Menschen ohne Behinderungen. Sie mögen anders sein. Es mag notwendig sein, dass unsere Gesellschaft auf dieses anders Sein immer noch nicht genügend vorbereitet ist. Aber daran kann man arbeiten. Und muss es auch. Wie sozial eine Gesellschaft ist, wie frei, offen, tolerant, menschlich und menschenfreundlich zeigt sich nicht in großen Worten, sondern in konkreten Taten. Und da, so scheint mir manchmal, gibt es bei uns immer noch eine Menge zu tun.
Insofern habe ich die Hoffnung, dass solch großartige, im wahrsten Sinne des Wortes menschliche Filme wie „Rain Man“ an unser aller Bewusstsein etwas verändern. Das gesamt-gesellschaftliche Denken über Menschen mit Behinderungen verbessern. Und vor allem den Umgang mit ihnen. Auch wenn sich da in den letzten Jahrzehnten viel getan haben mag, zeigt die Initiative der IT-Firmen: Es geht noch viel mehr. Hier noch genauer hinzuschauen und immer wieder neue Initiativen zu entwickeln, dient dem Wohl der Menschen, die anders sind als andere. Und damit letztlich dem Wohl aller.

Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.

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