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König Fußball kurz vor dem Ende (der Saison) (8. Mai)

Der Ball ist rund, der nächste Gegner ist immer der schwerste und ein Spiel dauert neunzig Minuten. Das waren die drei großen Fußballweisheiten von Sepp Herberger. Letzteres stimmt zwar dank ausgiebiger Nachspielzeiten schon lange nicht mehr. Aber trotzdem zieht der Fußball Millionen von Menschen in seinen Bann. Lebten wir nicht in Corona-Zeiten, dann

würde gerade jetzt der Satz gelten: Woche für Woche pilgern Hunderttausende in die Stadien. So aber hängen immerhin noch Millionen am Fernseher und am Radiogerät, sehen hin, hören hin, jubeln oder sind am Ende zu Tode betrübt.

Die Bayern oder die Bayern – das ist hier die Frage

Drei Spieltage vor Saisonende steht noch immer nicht fest, wer Deutscher Fußballmeister wird. Wenn Dortmund heute Leipzig schlägt, sind es die Bayern. Wenn die Bayern ausgerechnet Mönchengladbach schlagen, sind es die Bayern. Wenn Bayern und Leipzig jeweils nur ein Unentschieden schaffen, sind es die Bayern. Wenn… Lassen wir das, warten wir auf die Ergebnisse am heutigen Spieltag. Und wenn nicht heute, dann eben nächsten Samstag. Oder übernächsten. Nur Zweckoptimisten gehen davon aus, dass die Bayern einen sieben Punkte-Vorsprung verspielen. Zu einem Zeitpunkt, an dem nur noch neun Punkte zu vergeben sind. Obwohl das ja nun mal wirklich eine Sensation wäre…

Hinter den Bayern ist es enger. Wer schafft die Qualifikation für die Champions League, wer für die Loserrunde, äh, Entschuldigung, Europa League? Die Teilnehmer werden am heutigen Spieltag noch nicht endgültig feststehen. Aber vielleicht ein paar mehr von denen, die es wieder mal nicht schaffen.

Aus(ser) für Schalke: Weiterhin Spannung am Tabellenende

Schaffen oder nicht schaffen, das ist auch am Tabellenende die Frage. Schalke ist weg. Das steht schon länger fest. Friedhelm Funkel, der sich das ganze Trainergeschäft nur noch antut, weil er wegen Corona sowieso nicht reisen konnte, ist mit seinen Kölnern am meisten gefährdet. In Bielefeld schießen sie noch weniger Tore als in Bremen. Und genau da zeichnet sich ab, dass dort der größte Verlierer zu finden sein wird: Trainer Florian Kohfeld. Im letzten Jahr war seine Mannschaft im Grunde schon nicht stark genug für Liga 1. Dann verkauft man ihm seinen vielleicht wichtigsten Spieler. Und jetzt steht den Bremern schon wieder das Wasser bis zum Hals. Dass in der ansonsten so beschaulichen, mit einer ruhigen Arbeitsatmosphäre ausgestatteten Hansestadt sämtliche Alarmglocken schrillen, weiß man nicht erst, seit die Kommentare in den sozialen Medien immer schlimmer und undifferenzierter werden. Kohfeld, dem seit Monaten gar nichts anderes übrig bleibt, als seiner Mannschaft Mut zu machen, als den Zweckoptimisten zu geben, scheint das Bauernopfer zu werden. Ob Bremen die Klasse hält oder nicht, scheint dabei mittlerweile egal zu sein. Schade!

Financial Fairplay

Nur zwei Sätze zur Millionenmannschaft aus der Hauptstadt: Egal, ob die Hertha absteigt oder nicht – mit den Windhorst-Millionen wird sie in der nächsten Saison weit, weit vorne stehen, egal in welcher Liga. Geld schießt zwar keine Tore. Kein Geld, wie in Bremen,


befördert aber sogar das Gegenteil. Wollen wir wirklich noch über Financial Fairplay reden? Oh, bitte, tun wir nicht so, als habe der Profifußball noch etwas mit dem Kräftemessen von Sportlern zu tun. Wir sind auf dem besten Weg, in englische, spanische, italienische und französische Fußstapfen zu treten: Fußball als Investition, Fußball als Markenbotschafter. Für Airlines, Gas, Brause und vieles andere haben wir das ja schon lange. Wenn man da an den Aufschrei denkt, den Eintracht Braunschweig mit den Jägermeister-Trikots anno dunnemals auslöste… Wehret den Anfängen hat nichts genutzt. Jetzt sind wir in einer Spirale, die die Profitgeier immer weiterdrehen, die kaum noch aufzuhalten ist.

Wie lange spielt der Fan noch mit?

Wobei es ja spannend ist, dass gerade jetzt die Fans nicht mehr mitspielen. Die Platzstürme in England, um die Liga der superreichen und höchstverschuldeten Clubs Europas zu stoppen, muss man in Sachen weiterer Kommerzialisierung sehr ernst nehmen. Und auch, dass anscheinend immer weniger Menschen Lust auf gleich ein ganzes Paket kostenpflichtiger TV-Abos haben, um jeden Tag, notfalls auch in der Wiederholung Fußball gucken zu können. Eigentlich aber nichts, was man nicht hätte erwarten können: Je mehr Kirschkuchen ich in mich hineinstopfe, desto mehr sehne ich mich nach einem Stückchen Erdbeertorte. Oder Pflaumenkuchen. Egal.
In jedem Fall sind die Bedenken von Hans-Joachim Watzke, Chefstratege bei Borussia Dortmund, absolut berechtigt: Werden die Fans nach Corona wieder genauso in die Stadien strömen wie vorher? In Dortmund wird man sich da die wenigsten Sorgen machen müssen. Bleiben Fans weg, bekommen endlich diejenigen Eintrittskarten, die schon seit langem danach anstehen, aber bisher leer ausgingen. Notfalls macht man es wie bei Fußball-Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen: verkauft ganze Kartenkontingente an Firmen, die die Karten dann verlosen. So bekommen die Clubs das Geld, auch wenn die Leere der Plätze im Stadion so gähnend ist wie die Langeweile bei machen Spielen jetzt schon. (Wobei: Das mit den Kartenverkäufen an Firmen funktioniert natürlich nur dort, wo die Stadien noch voll sind. Da, wo viele Plätze eh leer bleiben, egal, gegen wen es geht, werden sich kaum interessierte Firmen finden…)

Alle schlechten Dinge sind drei: HSV wieder gescheitert?

Ups, eigentlich sollten es zwei Sätze über die Millionentruppe in der Hauptstadt sein. Jetzt ist es doch wieder mehr geworden. Da der Text nicht zu lang werden darf, ist der Platz für den HSV in Liga 2 knapp geworden. Andererseits: Was will man da noch groß sagen? Trotz der Millionen, die Logistik-Milliardär Klaus-Dieter Kühne Jahr für Jahr in den Verein hineinpumpt: Die Hamburger Hansestädter – bei den grün-weißen waren wir ja schon – haben es mal wieder vergeigt. Es sei denn natürlich, Holstein Kiel schickt bei seinen letzten vier Spielen eine Altherren- oder Jugendmannschaft aufs Feld und gibt gegenüber dem HSV dann doch noch den Relegationsplatz aus der Hand. Sehr unwahrscheinlich.
Auch die Mannschaft von Greuter Fürth ist noch nicht durch, selbst die Bochumer könnten kurzfristig beschließen, dass man lieber doch nicht aufsteigen will. Aber dass der HSV aus den letzten drei Spielen neun Punkte holt und die direkten Konkurrenten genügend Punkte liegen lassen – so viel Fantasy findet man selbst in Hamburg nur noch selten. Und selbst wenn es so käme: Wetten, dass dann Fortuna Düsseldorf noch am HSV vorbeiziehen würde? In Hamburg wächst bereits bitterböse Ironie: So soll es wirklich Fans geben, die fordern, die altehrwürdige Stadionuhr wieder aufzuhängen. Früher hat die mal angezeigt, wie lange der HSV, immerhin Gründungsmitglied der Fußballbundesliga, durchgängig in Liga 1 gespielt hat. Jetzt könnte sie anzeigen, wie lange der HSV den Sprung in die Eliteklasse wieder nicht geschafft hat. Stichwort Gründungsmitglied: Das waren auch der MSV Duisburg (damals noch als Meidericher SV), 1860 München, der 1. FC Nürnberg, Eintracht Braunschweig, der 1. FC Kaiserslautern, der Karlsruher SC, Preußen Münster und der 1. FC Saarbrücken.

Trotz allem: Faszination Fußball

Der Kampf um die Spitze ist ebenso wie das Aufbäumen gegen den Abstieg genau das, was die „Faszination Fußball“ ausmacht. Auch wenn da Manches vorhersagbar ist, auch wenn der kaum noch zu überbietende Kommerz immer mehr nervt, bleibt es spannend. Wahre Fans fiebern mit, egal wo ihr Verein steht. Sie jubeln, sie vergießen Tränen. Und falls Schalke im nächsten Jahr tatsächlich wieder aufsteigen sollte, malen sie in Gelsenkirchen wie bei früheren großen Erfolgen vielleicht sogar die Bürgersteine wieder blau an. Oder es gibt Freibier und Freigas für alle. Hoffen, sehnen, zweifeln und verzweifeln, ja sogar beten – das alles gehört zum Fußball. Und natürlich die großen Erfolgsstorys. Um keinen aktuellen Club zu bevorzugen, erinnere ich an eine alte: Dass zum Beispiel ein ehemaliger Bäcker aus Essen zu König Otto und dann zum griechischen Nationalhelden mutiert – das geht eben nur im Fußball. Natürlich auch das Gegenteil: Das der Retter, der Held, der gestern noch gefeierte Superstar schon morgen als Loser gebrandmarkt wird. Hire and fire, auch das gehört zum Fußball.

Paulus und die EM

Eine ganze Menge Aufregung durch das, was heute ein dickes Geschäft, früher hingegen lediglich die schönste Nebensache der Welt war. Viel Aufregung um etwas, das der Apostel Paulus schon vor rund 2000 Jahren treffend beschrieb, obwohl es damals den Fußball noch gar nicht gab und Paulus an das seinerzeit gehypte Pferderennen dachte. Denn schon Paulus wusste: Es laufen viele Pferde in der Rennbahn. Gewinnen kann am Ende nur eines.
Vielleicht sollten wir uns diesen Satz gut merken und an ihn denken, wenn am 11. Juni die Fußball-Europameisterschaft beginnt…

Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.

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