Ab heute auf Pump: der Schrecken des ökologischen Fußabdrucks (5. Mai)
Schluss jetzt! Das war es für den Rest des Jahres. Alles, was Sie für den Rest des Jahres noch vorhatten, können Sie knicken. Nichts mehr mit Tanken, Klamotten kaufen, nichts mehr mit Essen und Trinken. Denn die Umweltschutzorganisation Global Footprint Network hat errechnet: Ab heute sind die Vorräte, die uns in Deutschland für dieses Jahr zur Verfügung stehen, aufgebraucht. Lächerlich?
Auf den ersten Blick vielleicht. Auf den zweiten allerdings wohl weniger. Stellen Sie sich einfach vor: Alles das, was auf Ihrem Konto war und im Laufe des Jahres noch dazukommt, ist bereits weg. Kreditkarte gesperrt, Konto leer, das Gespräch mit der ansonsten doch immer so netten Beraterin bei Ihrer Hausbank war erfolglos. Erstmals mussten Sie erfahren: Die Frau hat Haare auf den Zähnen, lässt definitiv nicht mit sich reden. (Und bevor jetzt jemand auf die Idee kommt, das wäre sexistisch, stellen Sie sich einfach einen Kreditberater vor.) Die logische Konsequenz: Ab heute leben Sie auf Pump.
Konto gesperrt
Was in Sachen Umwelt gar nicht so leicht vorzustellen ist – beim eigenen Konto wird es evident: Kaufen Sie nämlich weiter ein, essen und trinken Sie weiter, tanken Sie, kaufen Sie sich weiterhin Klamotten, dann überziehen Sie Ihr Konto. Wo nichts ist, man aber trotzdem noch was wegnimmt, kommt man in die Miesen. Das verstehe sogar ich
als mathematischer Leichtmatrose! Dann sparen wir eben im nächsten Jahr? Blöderweise hilft diese Ausrede nicht weiter. Denn wenn wir weiterhin essen und trinken und und und, also nichts Grundlegendes verändern, werden die roten Zahlen in der Bilanz im nächsten Jahr noch größer. Und, den Gesetzen der Logik gehorchen, würde es noch schwieriger, irgendwann wieder einmal eine schwarze Null auf dem Konto zu haben. Denn es müsste ja nicht nur das zurückgefahren werden, was oberhalb des Normverbrauchs liegt. Um das Defizit abzubauen, müssten wir ja eine längere Zeit sogar noch unterhalb des Normverbrauchs agieren.Wie Ihr Kampf mit der Stechuhr
Zu kompliziert? Dann denken Sie an die Stechuhr in Ihrer Firma: Solange Sie mit Ihrer Arbeitszeit im Plus sind, ist alles easy. Aber wehe, Sie geraten einmal ins Minus. Jeden Tag ein bisschen weniger arbeiten, dann, wenn die Kälte endlich weg ist, mal etwas früher nach Hause und die Sonne genießen… Kennen Sie? Dann wissen Sie auch, wie schwierig es ist, von den Minusstunden auf der Stechuhr wieder herunterzukommen. Acht, vielleicht achteinhalb Stunden am Tag müssen Sie schaffen, mehr als zehn Stunden erlaubt der Gesetzgeber nicht – wenn Sie in diesem Spielraum versuchen, Ihr Minus abzubauen, brauchen Sie ganz schön lange. Samstags und sonntags zu arbeiten – das wäre ein Ausweg. Oder am besten von vornherein keine Minusstunden anzuhäufen. Oder wie im Beispiel mit Ihrem Konto: am besten erst gar keine Miesen!
Genau diesen Moment haben wir aber in Sachen Umwelt verpasst. Ab heute sind wir in den Miesen. Mögen Sie es noch einmal mathematisch? Gestern war der 124. Tag im Jahr. 365 Tage hat das Jahr, 241 Tage bleiben also noch. Das ist so, als wären unsere Vorräte nach etwa einem Drittel des Jahres aufgebraucht. Weg. Nada! Nix mehr! Das ist so, als wären wir für die restlichen zwei Drittel blank! Haben Sie noch nie so gesehen? Ich auch nicht. Allerdings scheint es mir: Es wird höchste Zeit, genau darüber nachzudenken.
Drei Erden benötigt
Genau das tun Organisationen wie Global Footprint Network. Gehen Sie mal auf deren Webseite, schauen Sie sich dort einmal um. Sie werden überrascht sein, welche Berechnungen Sie dort finden. Berechnungen, wann die Menschheit, aber auch, an welchem Tag einzelne Länder ihre natürlichen Ressourcen für ein Jahr verbraucht haben. Wir in Deutschland haben also diesen Tag bereits heute erreicht. Die Gründe liegen auf der Hand: Unser Energieverbrauch ist zu hoch, wir stoßen zu viel CO2 im Verkehr und in der Massentierhaltung aus, wir verunreinigen die Böden, die Luft und das Grundwasser. Kurzum: Wir sägen an dem Ast, auf dem wir sitzen. Und zwar gewaltig. Stellen Sie sich einfach vor, dass alle Menschen so mit den natürlichen Ressourcen umgingen wie wir. Dann bräuchten wir ab heute eine neue, eine zweite Erde. Und nur damit Sie das Ganze nicht unvorbereitet trifft: Am 5. September, dem 248. Tag des Jahres, packt die Spedition Ihres Vertrauens dann erneut Ihre Klamotten. Weil Sie und alle anderen Menschen dann schon wieder umziehen. Auf die dritte Erde, die wir brauchen, um weiterhin so zu leben, wie wir nun mal leben.
Ach so, eine dritte Erde gibt es nicht? Und auch die Frage nach der zweiten Erde bleibt schon unbeantwortet? Dann kann ich nur sagen: „Houston, wir haben da ein Problem. Und zwar ein Gewaltiges!“
Entlastung dank Corona
Soll ich noch eins draufsetzen? Dank Corona ist der Himmel monatelang deutlich leerer gewesen als in früheren Zeiten, hat der Luftverkehr zwar die schwerste Krise seit seinem Bestehen. Aber eben auch weit weniger die Umwelt verschmutzt als bei normalem Flugverkehr. Auch die Kreuzfahrtschiffe und Frachter, die in weitaus geringer Zahl als sonst die Weltmeere durchpflügen und Luft und Wasser verpesten, drücken sogar noch die Bilanz. Nicht für Deutschland, aber doch für die gesamte Welt. Da lag der „Überlastungstag“ im letzten Jahr übrigens am 22. August, etwas später als in den Jahren zuvor. Die Zusammenhänge sind eindeutig: Dank der verminderten Hyperaktivität von Teilen der Menschheit werden Umwelt und Natur tatsächlich entlastet. Also: Corona sei Dank!
Nur: Merken Sie das auch? Weltweit ist der Überlastungstag Gegen Ende des Sommer. Bei uns in Deutschland ist er schon zu einem Zeitpunkt, wo der Sommer noch nicht einmal angefangen hat. Es liegt also nicht an den anderen. Diese Ausrede zählt nicht. Es liegt an uns, an den Menschen in diesem Land, dass wir noch schlechter dastehen als der Durchschnitt der Welt.
Nach uns die Sintflut?
Corona sei Dank? Was ein dämliches Virus hinbekommt, schaffen wir mit unserem Verstand also wohl nicht. Oder ist es richtiger zu sagen: wir mit unserem Egoismus, wir mit unserer Verantwortungslosigkeit gegenüber nachfolgenden Generationen, gegenüber Kindern und Kindeskindern? Denn eins ist doch klar: Wenn wir unser Konto weiterhin überziehen, wird der Schuldenberg immer größer. Eine schwere Hinterlassenschaft für unsere Nachkommen. Was unser Bankkonto anbelangt, können unsere direkten Nachkommen das Erbe ausschlagen. Bei unserem Minus in Sachen Umwelt geht das nicht. Das bleibt. Es sei denn, wir tun endlich etwas dagegen. Jeder auf seine Weise, jeder da, wo er kann. Wenn alle ein kleines Bisschen tun, kommt eine große Menge zusammen.
Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.
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