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Die Eisheiligen – in diesem Jahr ganz milde (12. Mai)

Dank aktueller Wettervorhersagen wissen wir: In diesem Jahr werden uns die Eisheiligen nichts anhaben. Was meinen Nachbar, gestützt durch die Wettervorhersagen auf seinem Handy, schon vor drei Tagen dazu veranlasst hat, stundenlang lange im Haus vorgezogene Pflanzen nun in seinem Garten einzubuddeln. Selbst seine Tomatenpflanzen, ziemlich frostempfindlich, hat er schon eingepflanzt.

Die Eisheiligen: Countdown zum Gartenjahr

Ich kenne das noch aus meiner Kindheit: Erst nach den Eisheiligen brachten meine Eltern und Großeltern junge Pflanzen in die Erde ein. Die aufeinanderfolgenden Namenstage der fünf katholischen Heiligen wirkte für sie wie ein „Auf die Plätze – fertig – los“ für den Beginn der Gartensaison. Gestern Mamertus, heute Pankratius, morgen Servatius, Freitag dann Bonifatius und am Samstag zum krönenden Abschluss „die kalte Sophie“ – das war es dann. Dann sind die Eisheiligen vorbei.

Die Entstehung der Volksweisheiten und Bauernregeln

Dabei haben die fünf Namensgeber mit Eis, Frost und kaltem Wetter gar nichts zu tun. Seit Jahrhunderten verehrt die katholische Kirche Vorbilder, sogenannte Heilige, jeden an einem anderen Tag im Jahr. Na gut, manchmal auch mehrere gleichzeitig an einem Tag. Was einfach damit zu tun hat, dass es regionale Unterschiede gibt. Und vor allem: mehr Heilige als das Jahr Tage hat. Die Namenstage von Mamertus, Pankratius, Servatius, Bonifatius und Sophie fallen aber in eine Zeit, in der oftmals plötzliche Fröste junge

Pflanzen und die Saat gefährden. Deshalb machte der Volksmund aus den fünf Heiligen… die Eisheiligen. Wie für alle Volksweisheiten allerdings gilt: Hundertprozentig sicher sind die alten Volksweisheiten nicht. Wer am Namenstag der „Kalten Sophie“ aufatmete, wurde trotzdem schon oft genug in der Folgewoche von den letzten Nachtfrösten überrascht. Wehe dem, der seine Pflanzen zu früh auf den Balkon oder ins Gartenbeet gepackt hat…

Mal ganz abgesehen davon: Seit dem Mittelalter, in dem viele der Bauernregeln entstanden, hat sich unser Klima deutlich verändert. Und weil es stetig wärmer wird, sind sich die Meteorologen längst einig: Massive Kälteeinbrüche im Mai sind nur noch alle fünf bis zehn Jahre zu erwarten. Na, wenigstens ein Vorteil des sogenannten Klimawandels.

Wer waren die Namensgeber der Eisheiligen?

Doch weg vom Wetter. Lassen Sie uns einen Blick auf die Heiligen selbst werfen. Mamertus soll vor rund 1500 Jahren in Südfrankreich eine Feuersbrunst durch Beten gestoppt haben. Äußerst praktisch! Würde das generell klappen, könnten wir die Feuerwehren auflösen.
Pankratius wurde schon als 14jähriger enthauptet – bei einer Christenverfolgung in Rom, getötet wegen seines Glaubens. Das muss ja nun nicht unbedingt sein!
Auch Sophia, die im Volksmund bis heute „Kalte Sophie“ heißt, starb gewaltsam in Rom, weil sie sich zum Christentum bekannte.
Servatius, ein alter Belgier, hatte eine Eingebung, die ihn den Einfall der Hunnen voraussehen ließ. So konnten die Menschen wenigstens etwas Vorsorge treffen. Ebenfalls ziemlich praktisch.
Bonifatius hingegen ist…, nein, eben nicht der berühmte Heilige, der im Fuldaer Dom als Apostel der Deutschen verehrt wird und der Jahr für Jahr Tausende Menschen zu einem der größten Open-Air-Gottesdienste nach Osthessen lockt – außer in Coronazeiten natürlich. Nein, dieser Bonifatius, dessen „Eiseskälte“ am Freitag gefürchtet wäre, ist ein bei uns nahezu unbekannter Sizilianer. Auch er wurde wegen seines Glaubens getötet, damals, im vierten Jahrhundert. Heftige Zeiten waren das damals. Und ziemlich blutrünstige.

Besänftigung der Götter

In Zeiten, in denen die Menschen das Wetter mit launischen Göttern in Verbindung brachten, dachten sie sich eine Menge Maßnahmen aus, um die Götter milde zu stimmen. Sogenannte Flurumgänge oder, bei größeren Anwesen, Flurumritte gehörten zu den vermeintlichen Schutzmaßnamen für die Baumblüte. Tagsüber warm, so dass der Saft ins Gehölz schießt und sich Knospen und Blüten bilden – nachts dann Frost, der die Freude über den Austrieb in große Sorgen verwandelt. Jeder Bauer und Gärtner weiß: je mehr Blüten, desto berechtigter die Hoffnung auf eine gute Ernte. Andersherum gilt das leider auch: je weniger Blüten, desto schlechter die Ernte. Biologie, zweite Klasse! Und jetzt die Transferleistung: Leider besteht derselbe Zusammenhang auch bei den Saaten: Nachtfröste lösen Ausfälle aus, sprich: Frieren die jungen Pflänzchen auf den Feldern heftig zurück, wird der Ertrag deutlich geringer. Im europäischen Mittelalter gilt der Zusammenhang: Hungersnöte entstehen entweder durch menschliche Dummheit, konkret: Kriege mit Verwüstungen und Zerstörungen, oder durch Nachtfröste im Mai.

Kleine Eiszeit

Der Tipp des „kleinen Schlaubergers“, die Saaten doch einfach etwas später in den Boden zu bringen, ist gut, leider aber in der Vergangenheit nicht hilfreich. Vom 15. bis in das 19. Jahrhundert hinein haben wir nämlich in Europa eine sogenannte „Kleine Eiszeit“. In dieser Zeit sind die Vegetationsperioden deutlich kürzer als heutzutage. Wer also seinerzeit später ausgesät hätte, hätte unreife Ernten eingebracht.

Kein Wunder also, dass die Menschen seit alter Zeit genau das taten, was sie konnten: von ihren Göttern den Schutz der aufkeimenden Feldfrüchte erbitten. Und die Natur mit anderen festen Bestandteilen ihres Kalenders zu verbinden. So entstanden zum Beispiel rund um die Eisheiligen eine Unmenge an Bauernregeln. Eine davon: „Vor Nachtfrost du nicht sicher bist – bis Sophie vorüber ist.“ Was leider nicht hundertprozentig stimmt.

Falls Sie sich also noch am vergangenen Sonntag und Montag über die plötzlichen Sommertemperaturen gewundert haben und sich seitdem ärgern, dass es sich wieder gewaltig abgekühlt hat, wissen Sie jetzt: Mit den fünf Heiligen Mamertus, Pankratius, Servatius, Bonifatius und Sophie hat das alles nichts zu tun. Kalt ist es trotzdem. Und normal ist das auch.

Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.

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