Motorradgottesdienste (23. April)
Was für Zahlen: Über 20.000, manche schwärmen – wohl etwas übertrieben – sogar von 30.000 Teilnehmern beim Motorradgottesdienst in Hamburg. Im Vergleich dazu sehen mehrere Hundert Biker in Lübeck, ein paar Hundert in Haimbach bei Fulda, wenige Hundert in Niedergründau bei Gelnhausen, Stadtallendorf, Hüttenberg und an vielen anderen Orten der Republik verhältnismäßig wenig aus. Aber alle Veranstalter
waren stolz darauf, Biker, Bikerinnen und Schaulustige zu den Motorradgottesdiensten begrüßen zu dürfen. Traditionell gehören neben einem echten Gottesdienst gemeinsame Ausfahrten in die nähere Umgebung zum Programm. Weil die gemeinsame Fahrt in einzigartiges Flair hat, weil die pure Lebensfreude sichtbar und fühlbar wird. Und, ganz klar, auch unüberhörbar ist. So oder ähnlich formulierte noch 2019 der Hamburger Motoradgottesdienstpfarrer am Michel. Seine Kolleginnen und Kollegen, wo auch immer im Land, werden ähnlich formuliert haben.
Ja, ja, ja, das war 2019. Schon im letzten Jahr galt wegen Corona: Hamburg: abgesagt. Lübeck: abgesagt. Haimbach, Hüttenberg und und und: abgesagt. Wegen der Pandemie sind die Biker Träume – so auch der Name eines Festes im Zusammenhang mit dem Motorradgottesdienst in Buchholz – buchstäblich geplatzt. Auch in diesem Jahr wieder. Soll ich mal ein böses Wort sagen, das mit einem großen „F“ anfängt und dem ich dann in diesem Text “***“ folgen lassen müsste? Na ja, selbst wenn: Ändern würde das auch nichts.
Dabei sind sich die Vertreter der Kirchen und der Motorradfahrer einig: Ja, es braucht diese Motorradgottesdienste. Genauso wie Sicherheitstrainings, Veteranentreffen und Verkaufsbörsen. Der Grund ist einfach: Wenn ein Autofahrer einen Motorradfahrer übersieht oder der selbst einen Fehler macht, wird es gleich lebensgefährlich. Das wissen Motorradfahrer natürlich. Also tragen viele von ihnen gerade zum Saisonauftakt ihre Sorgen und Ängste vor Gott, bitten im Gebet um seinen Beistand. Kurzform der Bitten: Lieber eine schöne Saison auf der Maschine als ein paar Wochen im Krankenhaus. Oder schlimmer noch: irgendwo unterhalb der Grasnarbe. Das will schließlich niemand.
Und auch die Kirchen haben ein Interesse an Motorradgottesdiensten: Viele von denen, die mit ihren chromblitzenden Maschinen zum Motorradgottesdienst kommen, haben ansonsten mit Kirche nicht viel am Hut. Aber im Frühling, also
Auch interessant
- Preis: 9,90 €
- Preis: 1,49 €
- Preis: 5,32 €
- Preis: 6,78 €
- Preis: 20,00 €
- Preis: Derzeit nicht verfügbar
zum Saisonanfang, und im Herbst, zum Saisonende, kommen sie – auch, um auf diese Weise Abschied von denen zu nehmen, die in der vergangenen Saison leider einen Unfall erlitten und nun nicht mehr dabei sein können. Von denen, die mit ihren Maschinen vielleicht irgendwo auf einer anderen Prärie herumreiten. Wer weiß das schon so genau?
Viele derjenigen, die an den großen Motorradgottesdiensten teilnehmen, organisieren sich in der CMA, der Christian Motorcyclists Association. Die findet seit Jahren immer größeren Zulauf. Ihre Mitglieder sind überzeugt davon: Jesus „war auch ein Mensch so wie du und ich. […] Er hing rum mit Typen wie dir und mir, nicht mit den Selbstgerechten und Besserwissern. Ja, wenn Jesus jetzt in Fleisch und Blut auf dieser Erde wäre, säße Er neben dir auf seiner Maschine und Er würde dir sagen, wie sehr Er dich liebt…so sehr, dass Er für dich sogar sein Leben opferte!“
Ok, nicht jeder, der ein Moped hat, wird das unterschreiben. Und wer kein Moped hat, hat eh Schwierigkeiten, das zu verstehen. Aber die verstehen auch nicht, wie man einen langen Winter hindurch nur so daraufhin fiebert, endlich wieder die Maschine aus dem Schuppen zu holen und trotz der Kälte dieser Tage endlich mal wieder loszuknattern. Den Wind zu genießen. Dazu dieses unbeschreibliche Gefühl von Freiheit. Und irgendwie auch – ich weiß, das klingt beknackt, aber es ist so – dieses Gefühl von Abenteuer.
Ja, es ist ein Jammer! Die Corona-Hygienemaßnahmen siegen auch in diesem Jahr wieder, machen eine herrliche Tradition kaputt. Eine, die das Gefühl von Gemeinschaft vermittelt. Man trifft Leute wieder, die man seit Jahren immer wieder trifft. Und selbst wenn man manchen nur vom Sehen her kennt, erkennt man sich doch wieder. Ein Lächeln, ein Nicken, eine zum Gruß erhobene Hand – „Hey, du bist eine von uns! Schön, dass du wieder da bist. Gut, dich wiederzusehen!“ Was will ich mehr? Ja, ich bin sogar davon überzeugt: Hier, in dieser Gemeinschaft, gibt es gegenseitige Hilfe und Unterstützung. Zumindest rund um alles, was mit dem Moped zu tun hat.
Die Jungs und Mädels von der CMA behaupten sogar: „Wir sind für Dich da. Wenn Du deine Sorgen oder Probleme einfach mal ausschütten möchtest, sind wir für Dich da. Wir nehmen Dich so, wie Du bist. Zögere nicht!“ Na ja, ein bisschen zögere ich dann doch. Das liegt vielleicht auch daran, dass ich für meine Probleme dann doch noch andere Leute habe, auf die ich bauen kann, Gott sei Dank. Aber wenn ich niemanden hätte? Warum nicht.
Fast hätte ich es vergessen: Wie überall gibt es einen Ersatz für die persönliche Begegnung, wenn auch nur einen ziemlich spärlichen: Fast alle traditionellen Motorradgottesdienste finden in diesem Jahr auch statt – aber leider nur virtuell im Internet. Wenn ich dort an meine Bekannten denke und hoffe, dass sie und ich auch am Ende dieser Saison heil vom Moped steigen – ob das auch funktioniert? Ganz sicher bin ich mir nicht. Aber ich werde nichts unversucht lassen. Und anschließend ein bisschen durch die Gegend cruisen – das kann ich mit meinen Freundinnen und Freunden ja auch trotz der Corona-Bestimmungen. Den Mindestabstand halten wir zwischen unseren Mopeds allemal ein.
Dann hoffen wir also auf eine gute Saison, die wir alle gesund überstehen. Aber im nächsten Jahr – da bin ich garantiert wieder dabei. Da werden wir dank Impfungen Corona hoffentlich hinter uns haben.
Und wissen Sie, was ich jetzt mache, sobald dieser Text upgeloaded ist? Genau! Wenigsten noch eine kleine Runde drehen. Was denn sonst?
Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.
Kommentare
Hinterlassen Sie ein Kommentar