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Immer auf die Knochen! Kinderfußball – die schönste Nebensache der Welt (18. September)

Wenn ich die Zeit dazu habe, bin ich auf dem Fußballplatz. Nicht etwa, weil ich selbst spiele oder je Fußball gespielt hätte. Und auch nicht in den großen Stadien. Sondern lediglich bei uns im Stadtteil. „Dorffußball“, sage ich immer. Wenn mein kleiner Neffe auf dem Platz steht, bin ich da. So oft es geht. Weil ich weiß, dass man immer Zeit hat, wenn man sie sich nimmt, passiert das tatsächlich sogar sehr oft. Auch heute im späten Nachmittag wird das wieder so sein. Zum Glück! Corona hat lange genug alles ausgebremst, was auszubremsen war.

Win-win

Dass ich am Spielfeldrand stehe, freut auch meinen kleinen Neffen. So halten wir Kontakt, so haben wir nach dem Spiel etwas, worüber wir reden. „Hast du meinen Schuss gesehen?“ Natürlich habe ich das. Auch wenn ich gerade nicht genau weiß, welchen Schuss er eigentlich meint. Aber ich freue mich festzustellen, wie sich der kleine Kerl Schritt für Schritt weiterentwickelt. Zudem bin ich für seine Mutter, völlig überlastet mit Job, Haushalt und ihren drei Problemen – zwei Kindern, ein Mann – eine Hilfe. Wenn ich dabei bin, kann sie etwas anderes tun. Und weil ich selbst dann an der frischen Luft bin, vor lauter Aufregung immer wieder mal sehr, sehr tief durchatme, ist das Ganze dann auch noch gut für meine Gesundheit. Win-Win für alle, wenn man einmal von meinen Nerven absieht.

“Ana-Maria regt sich immer auf…“

„Die Ana-Maria regt sich immer so auf“, kommentierte mein Neffe mein Verhalten am Spielfeldrand jüngst nach einem Spiel. Was mir einen fragenden Blick seiner Mutter einbrachte.
Na gut, ich bin schon ausgerastet, als so ein dicker Brocken „meinen Kleinen“ mit vollem Körpergewicht und ausgestreckten Armen einfach abräumt. Sind wir hier beim Eishockey oder was? Und der dämliche Schiedsrichter, viel zu klein für sein Körpergewicht, das gesamte Spiel über schon nicht auf Ballhöhe, schaut ausgerechnet bei diesem Foul noch auf seine Uhr statt Richtung Ball und Spielgeschehen. Kein Foul? Da soll man sich nicht aufregen? Geht gar nicht.

Anfeuern gehört dazu

Aber solche Aufreger sind zum Glück eher die Seltenheit. Viel öfter ertappe ich mich dabei, wie ich meinen Neffen und natürlich auch die anderen in der Mannschaft anfeuere. „Los, den kriegst du noch!“ So etwas gehört auch bei Neunjährigen dazu. Besonders dann, wenn die Mannschaft gerade einen Durchhänger, eine Schwächephase hat und durch die Fans dann wieder in die Spur kommt. Das ist beim Dorffußball fast noch eine Idee spannender als in den großen Arenen!

Schwalben und immer auf die Knochen

Dass ich meinen Neffen möglichst oft zum Fußball begleite – die Kolleginnen und Kollegen in der Redaktion wissen das. Und sie wissen auch, dass ich „unsere Jungs“ lautstark unterstütze. Ist doch ganz normal, oder? Deshalb habe ich wohl ein bisschen pikiert reagiert, als mir eine Kollegin einen Artikel

auf den Schreibtisch legte. Ein Artikel über Eltern, wenn ihre Kinder Fußballspielen. Und über „verhaltensauffällige“ Trainer. Warum auch immer: „Gilt auch für Tanten“, hatte sie mit einem Stift in die linke obere Ecke geschrieben.

Was schon Kinder, die gerade einmal anfangen, gegen den Ball zu treten, da alles zu hören bekommen, ist schon erstaunlich: Da werden Sechsjährige aufgefordert, ihrem Gegner „die Knochen zu polieren“. Achtjährige leitet man an, in schwierigen Situationen eine Schwalbe zu produzieren. Und Schiedsrichter werden beschimpft mit Worten, von denen „Vollidiot“ noch eines der harmlosen ist.

Eigenwahrnehmung

Sofort ging ich die Situation, in der der „dicke Brocken“ völlig übermotiviert „meinen Kleinen“ abgeräumt hatte, vor meinem geistigen Auge noch einmal durch. Was hatte ich da Richtung Schiri gerufen? Gott-sei-Dank war das nur etwas wie „schlecht sehen kann er gut“ gewesen. Aber das war ja schon mehr als genug.

Denn klar ist: Wer beim Fußball lernt, dass für ihn die Regeln von Anstand und ehrlichem Umgang nicht gelten, der setzt sich auch im Alltag darüber hinweg. Wenn ich beim Fußball betrügen darf und sogar soll, warum dann nicht auch in der Schule, an der Arbeit, in der eigenen Familie?

Auch Tanten sind Vorbild

Zum Glück sind die meisten Eltern anders, verlaufen die meisten Fußballspiele im Großen und Ganzen ehrlich und anständig. Gerade bei uns „im Dorf“ scheint mir noch alles in Ordnung zu sein. So ziemlich zumindest. Aber heute Nachmittag gehe ich ein kleines bisschen sensibilisierter auf den Fußballplatz… und vielleicht auch ein kleines bisschen leiser! Denn schließlich sollten auch Tanten für ihre Neffen ein Vorbild sein.

Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.

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