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Weihnachtsgebäck oder Herbstware – die frischen Printen sind da (7. September)

„Die haben wir doch schon seit letzter Woche!“ Der junge Mann mit gepflegtem Äußerem und dem Logo des Discounters meines Vertrauens auf der Brusttasche guckt mich irritiert an. Gerade so, als ob ich von einem anderen Stern käme. Und genau so komme ich mir auch vor – gestern, beim Einkaufen. Denn da habe ich sie zum ersten Mal in diesem Jahr entdeckt: Die ersten Lebkuchen und Spekulatius, Dominosteine, Spitzkuchen und Pfeffernüsse in den Regalen.

Jedes Jahr früher?

„Das wird auch jedes Jahr früher“, attackiert eine ältere Dame den Verkäufer. Die hat mitbekommen, dass ich ihn auf das Weihnachtsgebäck angesprochen hatte. Leider reagiert der junge Mann mit dem gepflegten Äußerem und dem Logo des Discounters meines Vertrauens auf der Brusttasche ganz anders als sein Pendant mit dem gepflegten… Sie wissen schon. Der in der Fernsehwerbung. Nämlich sichtlich genervt. „Gute Frau, die Herbstware bekommen wir jedes Jahr rund um den meteorologischen Herbst. Und das ist nun mal Anfang September!“ Sagt es, dreht sich um und macht sich aus dem Staub. Ganz anders als… Aber das wissen Sie mittlerweile auch schon.

Herbstware

Herbstware! Bislang habe ich immer gedacht, Lebkuchen, Spekulatius und Co. seien Weihnachtsgebäck. Mir geht es da, wie es der älteren Dame auch zu gehen scheint. „Herbstware“, sagt die entrüstet. Aber dann packt sie sich doch ein paar Schoko- und Gewürzprinten in den Einkaufswagen. „So frisch schmecken sie am besten“, zwinkert sie mir treuherzig zu und schiebt ihren Einkaufswagen in den nächsten Gang.

Vorgestern noch am Badesee, …

Wie so oft setzt bei mir mal wieder das Kopfkino ein. Herstware? Der Herbst ist also gekommen, der Sommer ist vorbei? Hmmm, vorgestern bin ich noch an den Badesee gefahren und in die kühlen Fluten gesprungen, habe das, was in diesem Jahr unter dem Namen Sommer kaum der Rede wert war, genossen. Und jetzt stehe ich vor Printen, Spekulatius und Dominosteinen? Irgendetwas bekomme ich da nicht auf die Reihe. Aber wie der junge Mann – den Rest lasse ich jetzt weg – ja treuherzig versichert, steht die „Herbstware“ jedes Jahr zur selben Zeit in den Regalen. Und weil es kein Weihnachtsgebäck ist, sondern eben Herbstware, läuft mir das Wasser im Mund zusammen.
Ich liebe den Geruch frischer Lebkuchen. Und die dunkle Schokolade rund um Dominosteine, Spitzkuchen und Printen… Während ich träumend vor dem Regal stehe, fühle ich, rieche ich, spüre ich, wie sich ein frischer Spekulatius regelrecht in meinem Mund auflöst und seinen Geschmack abgibt. Leider nur ein imaginärer Spekulatius. Trotzdem zuckt meine Hand unwillkürlich nach vorne. „Haben“, rufen alle meine Geschmacksknospen. Und das kleine schwarze Teufelchen auf meiner Schulter wiederholt die Worte der alten Dame: „So frisch schmecken sie am besten!“

KEIN Weihnachtsgebäck

Dann fällt mir auf: Auf den Verpackungen vieler Hersteller gibt es bewusst keine weihnachtlichen Motive. Keine Weihnachtsbäume, Glöckchen oder Nikoläuse. Die kommen erst später, wenn überhaupt. „Wir nehmen Weihnachten doch nicht vorweg“, wehrt sich die Industrie gegen entsprechende Vorwürfe. Und verweist zur Verteidigung ihrer „Herbstware“ auf Osteuropa: Dort gibt es Lebkuchen das ganze Jahr über. Tatsache ist: Printen, Dominosteine und Zimtsterne verkaufen sich auch bei uns bereits jetzt so gut, dass es sich für Hersteller und Verkäufer lohnt, sie eben auch jetzt schon in die Auslagen zu stellen. Wer das nicht mag, kann ja noch ein,

zwei Monate warten. Wir leben in einem freien Land. Niemand zwingt mich, jetzt schon Zimtsterne und gefüllte Schokoherzen zu kaufen. Außer vielleicht meine gegen mich revoltierenden Geschmacksknospen. Und das kleine schwarze Teufelchen auf meiner Schulter.

Nase voll?

Gut, dass ich zwei Schultern habe. Das kleine weiße Engelchen auf der anderen Schulter stärkt mir den Rücken. Herbstware hin, Herbstware her: Für mich bleiben Spekulatius, Lebkuchen, Zimtsterne, Dominosteine, Pfefferkuchen und vieles mehr definitiv Weihnachtsgebäck. Leckereien, die etwas mit Brauchtum zu tun haben. Untrennbar verbunden mit meiner eigenen Kindheit. Mit dem Warten auf Weihnachten, den weihnachtlichen und vorweihnachtlichen Bräuchen, vor allem aber mit dem innerlichen Vorbereiten auf die Weihnachtszeit. Oder wie eine Freundin, der ich gestern Abend noch von meinen Versuchungen erzählte, zustimmend meinte: „Wenn du jetzt schon Lebkuchen nascht, freust du dich in der Adventszeit nicht mehr drüber! Und wer Weihnachten in den September verlagert, muss sich nicht wundern, wenn er die Nase voll davon hat, bevor das Fest überhaupt gekommen ist.“

Durchgerungen

Deshalb habe ich mich durchgerungen: Ich kaufe die Leckereien tatsächlich erst in ein paar Wochen. Und tröste mich damit, dass Vorfreude bekanntlich die größte Freude ist. Außerdem bin ich mir sicher: Auch Ende November schmecken Printen, Dominosteine und vieles mehr immer noch großartig. Und vielleicht… vielleicht backe ich sie mir sogar selbst.

Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.

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