Lady Gaga – Abracadabra
1,6 Millionen Menschen lockten die Rolling Stones 2006 zu einem kostenlosen Konzert an den Strand von Rio de Janeiro, ein etwa gleichgroßes Publikum wollte im letzten Jahr an derselben Stelle Madonna sehen. Jetzt toppte Lady Gaga
Mega-Konzerte in Rio de Janeirao
diese Anzahl von Konzertbesuchern locker: Die unglaubliche Menge von 2,1 Millionen kamen zu ihrem Konzert in Rio. Wahnsinn. Allerdings bei weitem nicht der Rekord. Denn schon 1993 kamen für die brasilianische Musiklegende Jorge Ben Jor rund drei Millionen Menschen an die Copacabana. Kritisch könnte man anfügen: Kein Wunder, denn das war ja auch ein Silvesterkonzert. Und zudem ein Festival, das die brasilianische Kultur hochleben ließ. Stimmt.
Die Sache mit dem Silvesterkonzert gilt genauso für das größte Konzert aller (bisherigen) Zeiten in Rio: Ebenfalls zu einem Silvesterkonzert pilgerten mehr als 3,5 Millionen Menschen an die Copacabana. Ihr Ziel: Mit Altmeister Rod Stewart in das neue Jahr 1995 hinüberzurutschen. Live, umsonst und draußen – Rio de Janeiro stellt mit seinem Traumstrand unter Beweis, was alles möglich ist.
Lady Gaga und Papst Franziskus
Den eigentlichen Rekord in Sachen Großveranstaltung an der Copacabana hält übrigens kein Musiker. Der Argentinier Jorge Mario Bergoglio, von März 2013 bis April 2025 als Papst Franziskus im Amt, unternahm seine erste Auslandsreise als Papst – irgendwie naheliegend – in das lateinamerikanische Nachbarland. An der Copacabana löste er beim Weltjugendtag im Juli 2013 Begeisterungsstürme aus. Bei der Abschlussveranstaltung sollen 3,7 Millionen Menschen anwesend gewesen sein. Dass andere Schätzungen „nur“ von „über 3 Millionen“ sprechen, tut der Sache keinen Abbruch. Live, umsonst und draußen – die Copacabana ist seit mittlerweile 30 Jahren ein Ort, an dem Großevents gelingen. Chapeau!
Katholische Wurzeln
Schlagen wir die Brücke vom Papst zu Lady Gaga – zwischen beiden gibt es mehr Gemeinsamkeiten, als man üblicherweise denkt. Na klar, beide ziehen (im Fall Franziskus: zogen) die Massen in ihren Bann. Und wie der Papst wurde auch Stefani Joanne Angelina Germanotta, wie die Sängerin mit bürgerlichem Namen heißt, katholisch erzogen, besuchte sogar eine katholische Schule: Die spätere Lady Gaga lernte an einer Mädchenschule, der Papst besuchte ein katholisches Gymnasium. Beide, Papst und Sängerin, stellten sich immer wieder Fragen über ihren Glauben. Denn Zweifel gehören zum Glauben nun einmal dazu, wenn auch bei der Sängerin und dem Papst mit unterschiedlichem Ergebnis: Dass der (jeweilige) Papst natürlich „in Treue fest“ zur Institution Kirche steht, versteht sich von selbst. Dass Lady Gaga irgendwann mit der Institution Kirche nicht mehr allzu viel anfangen konnte, erscheint fast so nachvollziehbar wie das berühmt-berüchtigte Amen zur Kirche gehört.
Foto mit Priester, Dank für Sonntagspredigt
Immerhin: Nutzer von Facebook, Instagram und Twitter, die sich für Religion weniger interessieren, staunten im Mai 2016 vermutlich nicht schlecht, als sie dort ein Foto von Lady Gaga in einem Restaurant in New York entdeckten. Mit einem katholischen Priester. Fast schon artig bedankte sich die ansonsten doch eher extravagante Sängerin nicht nur dafür, dass der Priester eine Einladung zum Mittagessen angenommen hatte, sondern auch für seine Predigt während der Sonntagsmesse, die Lady Gaga besucht hatte. Die Predigt sei wie immer wunderschön gewesen. Lady Gaga als Gottesdienstbesucherin? Das war für viele neu. Zumindest aber unerwartet.
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Trumps Flüchtlingspolitik unchristlich
Dass von dem Besuch der Mädchenschule und der entsprechenden katholischen Erziehung doch so einiges hängengeblieben war, zeigte die Sängerin 2019: Während eines Konzerts in Las Vegas kritisierte sie die Pläne des damaligen (und heutigen) Präsidenten Donald Trump zum Bau einer Mauer gegen Flüchtlinge aus Mexiko: Sie selbst sei christlich und wisse sehr genau, dass es nun einmal christlich sei, niemanden zu verurteilen und jeden willkommen zu heißen. Mit Christentum hätten das, was Trump und Co da vorhätten, nichts zu tun.
Religiöse Elemente in „Abracadabra“
Mit dem Christentum, vielleicht sogar mit Religion generell kennt sich also die in New York geborene Sängerin aus. Und packt das, was sie kennt, hin und wieder auch in einen Song. Aktuelles Beispiel dafür: „Abracadabra“, ein Titel mit einer faszinierenden Mischung aus religiösen Bildern und spirituellen Bezügen. Lady Gaga singt:
„Abracadabra,
zahle den Preis an die Engel, zeichne Kreise in die Wolken,
behalte deinen Verstand in der Ferne,
wenn der Teufel sich umdreht.
Halte mich heute Nacht in deinem Herzen
im Zauber des dunklen Mondlichts.“
Beschwörungsformel“
Klingt ganz schön mystisch! Und passt zum Titel. Denn „Abracadabra“ ist im westlichen Kulturkreis seit dem 3. Jahrhundert als Zauberwort bekannt. Mit der magischen Formel „Abracadabra“ will die Magie Schutz und Heilung, aber auch einfach Veränderungen herbeiführen. Adresse dieser Beschwörungsformel ist eine höhere Macht, gerne auch eine göttliche Kraft, um deren Beistand man durch Gebete und Rituale bittet. Möglicherweise gehören dazu auch Handbewegungen, Zeichen, die wie „Kreise in den Wolken“ anmuten. Immerhin erschließt sich so auch, was Lady Gaga mit dem Preis meint, der an die Engel zu zahlen ist: Man muss sich an sie wenden, sie um Hilfe bitten, damit sie als Vermittler zu Gott oder auch als Schutzengel tätig werden. Bitte und es wird dir gegeben? Findet sich beim Evangelisten Matthäus in der Bibel (Mt 7, 7-11).
Wurzeln im Aramäischen
Die Wurzeln des Wortes „Abra-ca-dabra“ liegen jedoch noch tiefer als die Beschwörungsformel aus dem 3. Jahrhundert: Bereits in der Sprache Jesu, dem Aramäischen, ist die Formulierung „Avra kehda bra“ bekannt. Sie bedeutet so viel wie „Ich werde erschaffen, während ich spreche“. Eine Phrase, die eine starke Verbindung verdeutlicht zwischen Worten, die wir gebrauchen, und der Realität, die wir selbst, nicht zuletzt durch unsere Worte, selbst erschaffen und in der wir leben. Die Welt also, wie wir sie wahrnehmen. Oder andersherum: So wie wir etwas erfassen, wahrnehmen und anschließend beschreiben, stellt sich für uns die Realität dar. Und da es jede Menge Einflüsse von außen gibt, nämlich Krankheiten, Sorgen im oder um den Job, Umweltzerstörung und Kriege wird die Welt, in der wir leben, von vielen als Bedrohung empfunden.
Immer wieder Entscheidungen
Oder zumindest als Last. Es ist nun einmal eine Belastung, wenn sich der Mensch immer wieder zu Ereignissen verhalten muss, wenn er zwischen richtig und falsch, gut und böse entscheiden muss. Das Fatale: Selbst sich nicht zu entscheiden, ist eine Form der Entscheidung. Deshalb gilt immer: entweder – oder. Ein Dualismus, der sich durch das gesamte Leben zieht. Manchmal gilt dieses „Entweder – Oder“ sogar bis hin zu Entscheidungen, die die eigene Existenz betreffen und damit die ganz persönliche Vorstellung vom eigenen Leben. Wer will das schon? Lady Gaga beschreibt diesen Zwang der Entscheidung kurz und knapp:
„In ihrer Sprache sagte sie:
Tod oder Liebe heute Nacht!“
Bewusstsein als Last
Der Mensch unterscheidet sich auch dadurch vom Tier, dass er eben ein Bewusstsein hat. Im Gegensatz zu Tieren, die in der Regel instinktgesteuert agieren, kann sich ein Mensch – mehr oder weniger – frei entscheiden. Eine Errungenschaft, die manchmal aber zur Qual wird. Vor allem dann, wenn man zu Entscheidungen zu Dingen gezwungen wird, die man selbst eigentlich als unnötig und sinnlos abgetan hätte. Entscheidungen, vor denen man sich am liebsten davondrücken würde. „Abracadabra“ beschreibt das so:
„Rette mich vor diesem leeren Kampf im Spiel des Lebens.“
Verschwende keine Zeit!
„Leer“ zumindest im Sinne von sinnentleert, unnötig und lästig. Belastend eben.
„Abracadabra“ enthält eine explosive Kombination aus Hoffnung und Verzweiflung, Anziehung und Gefahr. Diese Mischung fordert die Zuhörerinnen und Zuhörer dazu auf, ja zwingt sie fast dazu, über sich selbst nachzudenken. Mit kleinen Wortfetzen, wie z.B. „der Boden brennt“ und „die letzten Worte deines Lebens“ verdeutlicht die Frau aus New York die Dringlichkeit der Situation. Und positioniert sich deutlich:
„Verschwende keine Zeit mit einem Gefühl.
Nutze deine Leidenschaft!“
Selbst aktiv werden
So wird „Abracadabra“ zu einer Einladung, „das Spiel des Lebens“, also die eigenen Probleme nicht zu verdrängen, sondern anzunehmen, sich ihnen zu stellen und dann das Beste aus seinem Leben zu machen. Damit das gelingt, braucht es schon eine starke innere Kraft, vielleicht eine gehörige Portion Gottvertrauen und die Bereitschaft, Hilfe von anderen zu erbitten und anzunehmen – vielleicht sogar von Engeln, vor allem aber auch der eigenen Tatkraft. Mit einem Zauberspruch a la „Abracadabra“ und alles geht wie von selbst, ist es nämlich nicht getan.
Der bei Radio Salü gesendete Beitrag ist eine Kurzfassung dieses Textes.
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