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Raimund Jakob – Freundschaft fürs Leben durch deutsch-deutsche Grenze; Point Alpha Stiftung

Kameras sind unerbittlich. Aber sie zeigen nur das, was „vor den Kulissen“ passiert. Was er mit seinen Gästen „hinter den Kulissen“ und „abseits der Kameras“ erlebt hat, erzählt Moderator Klaus Depta hier. Zum Beispiel mit

Raimund Jakob – Freundschaft fürs Leben durch deutsch-deutsche Grenze; Point Alpha Stiftung

Aus Dokumentationen über Berlin kennt man das ja: Gestern noch spielen die Kinder auf der Straße, unterhalten sich die Nachbarn von Straßenseite zu Straßenseite – und heute befindet sich mitten auf der Straße eine unüberwindliche Grenze. Von wegen, niemand hat vor eine Mauer zu bauen. Ja, man kennt das. Aber können Sie sich das wirklich vorstellen? Vor allem auch die Auswirkungen nachfühlen, die ein derartiger Akt eines Staates auf seine Bürger hat? Etliche sprangen aus dem Fenster, um in letzter Sekunde dem Abgeriegeltsein zu entfliehen. Vorstellen, wirklich nachvollziehen kann man das vermutlich nur, wenn man es selbst erlebt hat.

Eingesperrt im Sperrgebiet

So wie Raimund Jakob, wenn auch auf seine ganz persönliche Weise. Als Junge noch durch Wiesen und Felder gestreift, vielleicht Spiele wie Räuber und Gendarm gespielt, kindlich-jugendliche Abenteuer erträumt und gespielt, frei nach dem Motto: Junge, die Welt steht dir offen! Und dann plötzlich geht mitten durch diesen „Abenteuerspielplatz“ eine Grenze. Der Weg in den Westen ist versperrt. Und schlimmer noch: Selbst der Weg in den Osten bekommt eine Absperrung. Dadurch, dass die Familie von Raimund Jakob so nah an der Grenze mitten durch das geteilte Deutschland wohnt, lebt er plötzlich im Sperrgebiet. Selbst für den Weg Richtung Osten benötigen die Bewohner eine Genehmigung, einen Passierschein. Das gilt auch für alle, die sie besuchen wollen: im Westen eine unüberwindliche Grenze, im Osten die Angst, dass sich Unbefugte ins Sperrgebiet hineinmogeln wollen. Der Staat tut alles, um das zu verhindern.

Langzeitfolgen?

Beim Vorgespräch versuche ich, in Raimund Jakob hineinzuhorchen. Äußerlich ein ganz normaler Mann, ruhig, sachlich, gefasst. Aber wie sieht es in seinem Inneren aus? Auch nachdem die Teilung Deutschlands längst aufgehoben ist, spüre ich, dass die Erlebnisse seiner Kindheit Spuren hinterlassen haben. Ist der Vergleich passend, von Wunden zu reden, die zwar geschlagen wurden, aber verheilt sind? Und deren Narben für immer bleiben? Vielleicht.

Am nahegelegenen Point Alpha bei Geisa kann jeder nachvollziehen, wie perfide wie Grenze Schritt für Schritt ausgebaut wurde. Der mutmaßlich „heißeste Ort im Kalten Krieg“ beherbergt heute ein Museum. Und zeigt auf einem kurzen Stück die Entwicklung und den Ausbau der Grenzbefestigungen. Antifaschistischer Schutzwall? Damit niemand hineinkommt? Wer hier nicht sieht, dass die Grenze ganz gezielt so aufgebaut wurde, damit niemand hinauskommt, will das nicht sehen. Will nicht


wahrhaben, dass das DDR-Regime seine Bürger der Freiheit beraubt hat. Bevor jemand die DDR verlässt, soll er lieber sterben. Dann kann er wenigstens dem Westen nicht mehr nützlich sein. Geht es zynischer?

Ossi meets Wessi – mit schwerwiegenden Folgen

Doch mit diesen, seinen Erfahrungen wäre Raimund Jakob nur einer von vielen Tausenden von Betroffenen. Dieser Mann hat mehr erlebt. Deshalb wird es bei unserem Talk am Dom-Gespräch im Saal mucksmäuschenstill, als er erzählt, wie er direkt am Grenzzaum zu Mäharbeiten eingeteilt war. Und wie er zum ersten Mal auf der anderen Seite des Zauns einen westdeutschen Bauern bei der Arbeit sieht. Ansonsten kein Mensch weit und breit zu sehen. „Ob die Saat aufgeht“ oder irgendetwas ähnliches Banales ruft Raimund Jakob dem Wessi zu. Und obwohl ansonsten keine Menschenseele zu sehen war, steht plötzlich die Staatsmacht neben ihm. Kontakte im Sperrgebiet mit dem Staatsfeind? Raimund Jakob wird abgeführt. Erschütternd. Ja, Alltag bei jedem menschenverachtenden diktatorischen Regime. Aber dass etwas alltäglich ist, darf die Betroffenheit darüber nicht schmälern. Dass die nächsten Tage, Wochen und Monate für Raimund Jakob unangenehm werden, ist vorprogrammiert. Dass seine Familie ebenso betroffen ist, auch.

Eine ganz persönliche Form der Wiedervereinigung

Jahre später, Deutschland ist wiedervereinigt, nimmt Raimund Jakob mit einem Musikverein an einer kirchlichen Veranstaltung teil. Im Westen. Dort kehrt man auch in ein Wirtshaus ein. Man trinkt, man redet viel miteinander. Und Raimund Jakob erzählt ganz beiläufig seine Geschichte.
Eine Geschichte, die der Wirt kennt. Denn ein westdeutscher Bauer, der damals direkt am Grenzzaun war, hat sie ihm erzählt. Wie der Ossi ihm irgendetwas Belangloses zurief. Und wie aus heiterem Himmel sofort die Staatsmacht neben dem Ossi aufschlug und den Mann abgeführt hat. Ohne ein Wort zu sagen, greift der Wirt leise und heimlich zum Telefon. Er schlägt dem westdeutschen Bauern vor, „mal eben schnell“ in seine Kneipe zu kommen. Da ist nämlich dieser Ossi von damals, über den der Bauer dem Wirt erzählt hat.
Hineinhorchen wollte ich in das Seelenleben von Raimund Jakob. Als er von diesem unerwarteten Wiedersehen von Ossi und Wessi berichtet, muss ich nicht mehr horchen. Stattdessen muss ich schlucken. So wie das Publikum im Saal. Und fast so heftig wie Raimund Jakob. Der erzählt dann, wie er…

Sorry, an dieser Stelle breche ich ab. Man kann nämlich auch alles zerreden. Und so gut wie Raimund Jakob könnte ich das, was er erlebt hat, ohnehin nicht erzählen. Das müssen Sie selbst hören. Und sehen. Hier im Video.

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