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Ria Noll – Sargenzeller Früchteteppich beim Förderverein „Alte Kirche“

Kameras sind unerbittlich. Aber sie zeigen nur das, was „vor den Kulissen“ passiert. Was er mit seinen Gästen „hinter den Kulissen“ und „abseits der Kameras“ erlebt hat, erzählt Moderator Klaus Depta hier. Zum Beispiel mit

Ria Noll – Sargenzeller Früchteteppich beim Förderverein „Alte Kirche“

Gelegentlich ist das einfach so: Als Rundfunkjournalist stößt du auf ein Thema, recherchierst, suchst nach O-Ton-Gebern, die flüssig erzählen und in möglichst kurzen Sätzen eine Angelegenheit auf den Punkt bringen können. Dann vereinbarst du einen Aufnahmetermin, fährst pünktlich zu deinem Termin und führst dein Interview. Und weißt vorher, dass am Ende noch eine Menge Arbeit im Studio auf dich wartet, bis dein Beitrag sendefertig ist. Schließlich gilt nicht nur im Privatradio, aber dort ganz besonders: „Kill your darlings!“ Oder anders formuliert: „Und bist du noch so fleißig – sag’s nie über eins dreißig!“ So weit, so gut.

Zuviel Themen

Als ich Ria Noll das erste Mal begegne, bin ich in Gefahr, meine journalistische Distanz zu verlieren. Zu spannend ist das, was diese Frau mir erzählt. Und zu spektakulär ist das, was sie mit anderen – zumeist älteren Männern und Frauen – da eigentlich treibt. Und obwohl ich vorab eine Menge recherchiert habe, also gut vorbereitet in dieses Interview gehe, gibt es noch so viele Dinge, die ich so ganz nebenbei erfahre. Vor allem Dinge, die ich bei einer Dauer von einer Minute und 30 Sekunden gar nicht unterbringen kann. „Erzähl nur eine einzige Geschichte“, ist ja die Faustregel, die für solche kurzen Rundfunkbeiträge gilt.

Erhalt der „Alten Kirche“

Aber welche denn? Die von der „Alten Kirche“ in Sargenzell bei Fulda, die ursprünglich abgerissen werden sollte, deren Erhalt aber die Dorfbewohner in einem Förderverein durch Spenden, vor allem aber durch eigenes Handanlegen verhindert haben? Von den Aktionen wie Krippenausstellung und Früchteteppich, mit denen sie Menschen in die ehemalige Kirche locken und Spenden erwirtschaften? Von der unglaublichen Arbeit, die sie in ihre Früchteteppiche investieren mit dem Ergebnis, dass ihre „Alte Kirche“ mittlerweile von Busunternehmen als Reiseziel angeboten wird? Oder die Geschichte von Ria Noll, die früh ihren Mann verloren hat, ihre ganze Lebensenergie in die alljährliche Gestaltung der Früchteteppiche steckt und alles unglaublich sympathisch nur so hervorsprudelt, dass mir angst und

bange vor der Studioarbeit wird? Wie soll ich die Aussagen dieser dynamischen Frau hinterher zusammenschneiden, dass daraus tatsächlich ein Radiobeitrag und kein Monolog wird? Wobei es schade um jeden Satz, ach was, um jeden Halbsatz ist, den ich später für meinen Radiobeitrag streichen muss. Was also tun?

Millionen von Körnern, handgelegt

Ich lasse mich treiben, lasse mich anstecken und, ja, bin wirklich kurz davor, meine journalistische Distanz zu verlieren. „Der heilige Franz von Assisi empfängt die Wundmale Jesu“, „Bonifatius tauft einen Heiden“, „Die Erschaffung des Adam“ – Ria Noll sprudelt die Namen der Bilder aus den ersten Jahren des Sargenzeller Früchteteppichs nur so hervor. „Die Erschaffung des Adam“? Handelt es sich um das Gemälde, das Michelangelo vor rund 500 Jahren an die Decke der Sixtinischen Kapelle im Vatikan gemalt hat? Ja, genau darum handelt es sich. Okay, kennen Sie, haben Sie schon mal gesehen, hat eben ein Meister von einem Maler angefertigt. Stimmt alles.

Und jetzt stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie betreten eine kleine osthessische Dorfkirche. Die Sitzbänke sind nahezu komplett abgeräumt. Dafür sehen Sie dieses Gemälde in einer Größe von 25, vielleicht 30 Quadratmetern auf dem Fußboden dieser kleinen neugotischen Kirche. Plastisch, lebendig, mit leuchtenden Farben. Und dann merken Sie plötzlich, dass dieses Bild nicht gemalt ist, sondern aus Millionen von winzigen Körnern besteht, sogar aus Stäuben zermahlener Pflanzenteile. Unvorstellbar? Sag ich doch! Aber trotzdem real. Unglaublich.

Monatelange Vorbereitung

Monatelang liegen die „Schöpfer“ dieses Früchteteppichs auf den Knien in der Kirche. Nun gut, nicht direkt auf dem Boden, aber auf einer Holzplatte, auf der Ria Noll das Gemälde vorgezeichnet hat. Und dann geht es los: In Hunderten von kleinen Döschen, Gläschen und Töpfchen befindet sich Samen, Körner und Pflanzenstäube. Aus aller Welt. Was aber noch wichtiger ist: in den unterschiedlichsten Farben und Farbnuancen, in unterschiedlichen Größen. Und diese Winzlinge legen die Frauen und Männer, die monatelang ihre Freizeit opfern, zum Teil mit Hilfe von Zahnstochern und Pinzetten dicht an dicht. Falten im Gesicht oder in der Kleidung? Schatten von Häusern oder Pflanzen? Jedes noch so kleine Detail findet sich so, wie es das Originalgemälde vorgibt, auch im Sargenzeller Früchteteppich wieder. Egal, ob es sich um die „Kreuzigung Jesu“ als Nachbildung aus dem Isenheimer Altar handelt, die Matthias Grünewald 1515 malte, oder um die „Taufe Jesu im Jordan“, die Johann Michael Rottmeyer 1727 als Altarbild in Österreich gemalt hat.

“Unfälle“

Einmal ein übler Durchzug und alles ist hin? Auf solche Ideen kann auch nur ein Journalist kommen, oder? Nein, gar keine so abwegige Frage, bekomme ich zur Antwort. Und: Ganz so fragil ist das Ganze dann doch nicht. Die Körner liegen schon recht fest am Boden. Trotzdem setzen die „Macher“ des Früchteteppichs alles daran, dass es keinen Durchzug gibt. Aber einmal patschte ein wildgewordener Hund in einen fertigen Früchteteppich – zum Glück nur am Rand. Und ein andermal wollte ein skeptischer Rentner vom Rand aus mit seinem Krückstock prüfen, ob es sich denn wirklich um gelegte Körner handelte. Situationen, die bei Ria Noll fast zu Tränen führen, als sie sie rekapituliert.

Vorbereitung 2021

Der bislang letzte Früchteteppich stammt aus dem Jahr 2019 und „Die Berufung des Levi“ nach einem Aquarell des englischen Malers William Hole. Im Jahr 2020 unterbrach die Corona-Pandemie die 1988 eingeführte Tradition der Früchteteppiche in Sargenzell. Jetzt, während ich diesen Text schreibe, sind die „Macher des Früchteteppichs“ schon längst wieder an der Arbeit für das Motiv, das in diesem Jahr, 2021, gezeigt werden soll. Ria Noll ist nicht mehr dabei. Andere wollten auch einmal die Leitung übernehmen. Aber wie eh und je gilt: Kurz vor dem Erntedankfest wird der Früchteteppich fertig gelegt sein. Interessenten können ihn während der folgenden Monate täglich kostenlos zwischen 9.00 und 18.00 Uhr besichtigen. Auch die Motivation ist dieselbe: Durch die Darstellung christlicher oder biblischer Szenen Gott zu ehren… und Spenden für den Erhalt der aufgelassenen „Alten Kirche“ in Sargenzell zu generieren.
Alle Worte nutzen nichts: Ansehen müssen Sie sich den Früchteteppich schon selbst. Aber wenn Sie möglichst plastisch eine lebendige Vorstellung von dem bekommen wollen, was Sie erwartet: Ria Noll erzählt das bei „Talk am Dom“ alles viel besser und lebhafter als ich. Und ganz sicher hat sie dafür viel mehr Zeit als nur „eins dreißig“.

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