Drücken Sie Enter, um das Ergebnis zu sehen oder Esc um abzubrechen.

Irak annektiert Kuwait: hoch geflogen, tief gefallen (2. August)

Wer hoch fliegt, kann tief fallen. Ab dem 2. August 1990 bewahrheitete sich diese uralte menschliche Erfahrung wieder einmal. Und das auf grausige Art und Weise. Denn am 2. August 1990 annektierte der damalige irakische Staatschef Saddam Hussein den souveränen Staat Kuwait. Dem militärischen Einmarsch war ein langes Säbelrasseln vorausgegangen: dass

Koalition befreit Kuwait

die Kuwaitis unrechtmäßig Öl aus irakischen Ölfeldern pumpten, war die eine Behauptung. Dass Kuwait historisch eh ein Teil des Iraks sei, eine andere. Was folgte, ist bekannt: Innerhalb mehrerer Tage besetzen die Iraker das Scheichtum.
Um gleich ein zweites Sprichwort anzufügen: Wie es in den Wald hineinschallt, so schallt es auch hinaus. Also kommt, was kommen muss: 33 Staaten bereiten unter Federführung der USA einen Gegenschlag vor, wollen Kuwait aus irakischer Hand befreien. Im Januar 1991 schlagen sie los – Anfang März ist der Spuk zu Ende.

Westliche Interessen?

Trotzdem halten sich lange die Diskussionen über die wirklichen Interessen der Industrieländer, allen voran der USA. Hätten die auch Saddam Hussein in die Schranken gewiesen, wenn es in Kuwait kein Erdöl zu holen gäbe? Schließlich war und ist bis heute eine ausreichende, gesicherte Erdölversorgung einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren für den Westen. Die Zweifel bleiben bis heute. Und sie nehmen zu.

Achse des Bösen

Vor allem, weil die USA weiterhin Saddam Hussein als Gegner betrachten. Geschlagen wurde er. Aber besiegt noch lange nicht. Keine Möglichkeit lässt der irakische Diktator aus, um den Westen zu provozieren – so zumindest die Lesart in den Industrieländern. Als am 11. September 2001 die Türme des World Trade Centers in New York durch einen Terrorschlag zerstört werden, setzt die US-Regierung den Irak ganz nach oben auf die Liste der Staaten, die die Sicherheit der USA bedrohen: Die „Achse des Bösen“ definiert der damalige US-Präsident George W. Bush jr. mit den Staaten Nordkorea, Iran und Irak. Dass man das Böse ja grundsätzlich bekämpfen muss, gehört zu den Doktrin Bushs. Besser natürlich, wenn man einen konkreten Anlass hat.

Massenvernichtungswaffen

Und der ist schnell gefunden: Der Irak verfüge über Massenvernichtungswaffen, so heißt es plötzlich. Und die wolle er einsetzen. Weltweit. Diese Waffen liefern den Vorwand, um dem Irak Saddam Husseins mit einem Angriff im Jahr 2003 ein für alle Mal seinen Schrecken zu nehmen. Dass diese Waffenvernichtungswaffen nie ge-, ihr Vorhandensein wohl schlichtweg erfunden war – nachdem die Kriegsmaschinerie einmal angelaufen ist, spielt das zwar noch lange eine Rolle in den Diskussionen. Für den Krieg ist das völlig egal. Der läuft. Offiziell wegen Waffen, die nie gefunden werden. Waffen, die es wohl nie gegeben hat. Aber sie liefern den perfekten Vorwand. Und die US-amerikanischen Medien wiederholen die Behauptung der Existenz von „Massenvernichtungswaffen“ so lange, bis der größte Teil der Bevölkerung am Ende für einen Angriffskrieg stimmt.

Hinrichtung Saddam Husseins, aber kein Ende

Einen vorläufigen Schlussstrich bildet der 30. Dezember 2006. An diesem Tag wird der irakische Diktator Saddam Hussein hingerichtet – wegen Kriegsverbrechen und wegen seiner Massaker an Schiiten und Kurden, also wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das zumindest kann die Weltöffentlichkeit gut nachvollziehen.

Aber beendet ist der Krieg noch lange nicht. Zwar hatte US-Präsident Barack Obama die US-amerikanischen Kampftruppen bereits 2011 abgezogen, schickte sie aber schnell wieder zurück. Der sogenannte Islamische Staat machte es nötig. Er hatte das Machtvakuum im Irak für sich nutzen können. Ganz aktuell will US-Präsident Joe Biden die verbliebenen Soldaten zum Ende dieses Jahres aus dem Irak abziehen.

Wie das immer so ist im Krieg: Am meisten leiden Frauen, Kinder, alte Menschen, Schwache und Kranke. Abertausende sterben, Hunderttausende verlieren ihr Zuhause, ihr Hab und Gut. Bis heute kommen die Menschen

im Irak nicht zur Ruhe. Sie leiden an den Folgen von Größenwahn, von Machtstreben und von verantwortungslosem politischem Handeln.

Kartenspiele: meistgesucht und Feiglinge

Skurril so manche Dinge am Rande: So geben die US-Amerikaner mit dem „Personality Identification Playing Cards“ ein Kartenspiel heraus, dass die 55 meistgesuchten Iraker zeigt. Den Soldaten soll es zur Identifikation bei Gefangennahmen dienen. Na ja… Aber das Land der unbegrenzten Möglichkeiten kann noch mehr: So folgt aus der politischen rechten Ecke ein „Deck of Weasels“, ein Kartenspiel der Feiglinge, bei dem Politiker und Kunstschaffende abgebildet sind, die sich gegen den Angriff auf den Irak ausgesprochen haben. Per Fotomontage wird ihnen das Barrett der Republikanischen Garden Saddam Husseins aufgesetzt; unter dem Bild prangen Name und eine Art Urteilsbegründung. Auch der damalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder, als Pik neun abgebildet, ist mit von der Partie. Barbara Streisand, die zu behaupten gewagt hatte, dass Saddam Hussein nicht das World Trade Center bombardiert hatte, ist genauso dabei wie Ikone Jane Fonda, die vorgab, kein anderes Land zu kennen, das Realität und Geschichte so sehr leugne wie die USA und deshalb aus ihrer Sicht nicht als „freie Welt“ gelten könne. Besonders übel spielte das Spiel dem ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter und dem ehemaligen Bewerber um das Präsidentenamt, Jessie Jackson, mit: Beide werden im Spiel zu Jokern und tragen symbolträchtig eine Narrenkappe.
Eigentlich könnte man ja über derartige Dinge schmunzeln. Optimistisch geschätzt rund 200.000 zivile Todesopfer bis heute, pessimistisch geschätzt eine Million Opfer einschließlich gefallener Soldaten lassen jedoch jegliches Lächeln gefrieren.

Instabiler Irak

Was bleibt ist ein instabiler Irak, der nach der Besetzung durch die Amerikaner weitaus mehr Todesopfer zu beklagen hatte als zur Zeit ihres grausamen und brutalen Machthabers Saddam Hussein. Ein Irak, bei dem Skeptiker befürchten, dass der Abzug der US-amerikanischen Kampftruppen zum Ende dieses Jahres in ein Vakuum führen und dass interne Machtkämpfe erneut entstehen könnten – wieder zum Schaden derjenigen, die nichts anderes wollen als in Frieden zu leben. Die einfachen Leute, Alte, Frauen, Kinder und Kranke sind – wie immer – die Verlierer des Kriegs und der von außen herbeigeführten Instabilität dieses Landes. Libyen und Afghanistan lassen grüßen! Von Umweltschäden und der Zerstörung von Kulturgütern erst gar nicht zu reden.

Noch ein Kartenspiel: Profiteure

Die Spirale der Gewalt scheint im Irak nicht durchbrochen zu sein, allenfalls kurzzeitig unterbrochen. Dabei könnte es so einfach sein, wenn jeder anderen nur das antun würde, was er selbst für sich akzeptieren würde. Das aber ist und bleibt ein schöner Traum. Unter anderem auch deshalb, weil es überall dort, wo es Verlierer gibt, eben auch Gewinner gibt. Die brandmarkte die Ruckus Society, irgendwie passend, in einem weiteren Kartenspiel: dem der „Profiteers“, also derjenigen, die sich an diesem Krieg bereicherten. Dass Präsident George W. Bush jr., sein Vize Dick Cheney, Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und Sicherheitsberater Colin Powell dort prominent vertreten sind, verwundert nicht. Weit über drei Billionen Dollar hat der Krieg an direkten und indirekten Kosten verursacht. Waffenverkäufer und Inhaber von Baufirmen gehören zu denjenigen, die sich die Hände reiben.

Mit dem 2. August 1990 fing alles an. Hoch geflogen ist Saddam Hussein nur kurz. Tief gefallen ist die Bevölkerung des Irak schon seit langem. Ob das Land aber wirklich schon „ganz unten“ angekommen ist, wird man erst in den nächsten Jahren beurteilen können. Eine Erfahrung, die man jedem Menschen ersparen möchte.

Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.

Kommentare

Hinterlassen Sie ein Kommentar

Datenschutz
Ich, Klaus Depta (Wohnort: Deutschland), verarbeite zum Betrieb dieser Website personenbezogene Daten nur im technisch unbedingt notwendigen Umfang. Alle Details dazu in meiner Datenschutzerklärung.
Datenschutz
Ich, Klaus Depta (Wohnort: Deutschland), verarbeite zum Betrieb dieser Website personenbezogene Daten nur im technisch unbedingt notwendigen Umfang. Alle Details dazu in meiner Datenschutzerklärung.