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Haus der Freiheit – die Grundsteinlegung der Freiheitsstatue (5. August)

Mit Geburtstagen ist das manchmal so eine Sache: Obwohl ein Geburtstag fest im Kalender eingetragen ist, kann es vorkommen, dass man ihn vergisst. Oder zumindest verpasst, das lange ausgesuchte Geschenkt rechtzeitig zu kaufen. Noch problematischer, wenn Sie etwas Selbstgebasteltes verschenken wollen, das aber in der Kürze der Zeit gar nicht mehr fertig werden kann. Sollten Sie ausgerechnet dieses Geschenk auch noch vorher angekündigt haben, stehen Sie in der Tat ziemlich dumm da. Es sei denn, der Beschenkte hatte ihr angekündigtes Geschenk noch nicht wirklich eingeplant. Sie können sich so etwas gar nicht vorstellen? Ich mir auch nicht. Was aber nicht heißt, dass es so etwas nicht gibt.

Aus Bedloe’s Island wird Liberty Island

Lassen Sie uns einen Blick in den Hafen von New York werfen, genauer auf die Insel Bedloe’s Island im Hafen von New York. Sollten Sie noch nie von ihr gehört haben: US-Präsident Dwight D. Eisenhower ließ am 3. August 1956 offiziell das tun, was die Menschen in der Region schon mehr als ein Jahrhundert lang taten: Sie nannten Bedloe’s Island schon lange Liberty Island. Was damit zu tun hat, dass dort am 28. Oktober 1886 die Freiheitsstatue offiziell eingeweiht wurde. Und dass schon kurze Zeit später die Wirkung der Statue of Liberty auf den Namen der Insel abfärbte. Wobei wir beim Casus Knacksus angelangt wären: der Freiheitsstatue.

Verspätetes Geburtstagsgeschenk

Die war nämlich ein Geschenk der Franzosen zum 100. Geburtstag der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika. Falls Sie historisch gut bewandert sind, kommen Sie spätestens jetzt ins Grübeln: Die Unabhängigkeitserklärung der USA erfolgte im Jahr 1776, die Grundsteinlegung der Freiheitsstatue 1886. Irgendwas passt da nicht zusammen. Die banale Erklärung: Das von den Franzosen „selbstgebastelte Geburtstagsgeschenk“ war nicht rechtzeitig fertiggeworden. Ein unglaublicher Fauxpas der Franzosen in Sachen Zeitmanagement?

Mildernde Umstände

Vielleicht sollten wir nicht gar so streng sein. Mildernde Umstände gibt es genug. So dürfte die unglaubliche Größe der Freiheitsstatue einer dieser Gründe sein: Ein Koloss von einer Höhe von 46 Metern – die zusätzlichen fünf Zentimeter unterschlagen wir einfach, da sie nun wirklich nicht erheblich sind. Weitaus wesentlicher: Die Statue war eine Art Puzzle, deren Einzelteile die Franzosen in über 200 Kisten verpackt hatten. Zwar verzichteten die wohl darauf, jede Kiste mit Geschenkpapier und Schleifchen zu versehen. Aber gut beschriftet waren die Kisten schon. Denn Gustave Eiffel, der Erbauer des nach ihm benannten Eiffelturms in Paris, musste eine unglaublich akribische Arbeit abliefern: ein Eisenskelett, das sich verpacken und am Bestimmungsort passgenau zusammenbauen lassen musste. Wobei die Spaltmaße der darüberliegenden, aus Kupfer bestehenden Plastik des Bildhauers Frédéric Auguste Bartholdi, nun nicht allzu groß ausfallen durften. Kurzum: eine Meisterleistung, deren Konstruktion und Herstellung aber eben auch viel Zeit kosteten. Schließlich lag die Erfindung des Skelettbaus noch nicht allzu lange Zeit zurück, kam überhaupt erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts so richtig in Schwung. Was also sind da schon läppische zehn Jahre Verspätung?

Gar nicht böse drum…

Und gleich noch ein weiterer mildernder Umstand: Die Amerikaner waren noch gar nicht bereit, dieses große Geschenk anzunehmen. 1876, 100 Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung, hätte die Freiheitsstatue noch gar nicht aufgestellt werden können. Bedloe’s Island war dafür einfach noch nicht vorbereitet. Dann aber gaben die Beschenkten Gas. Am 5. August legten sie den Grundstein für die Freiheitsstatue, für das Haus der Freiheit, wie der damalige US-Präsident Stephen G. Cleveland seinerzeit sinngemäß sagte. Der Sockel, den die Amerikaner der Freiheitsstatue bauten, wurde sogar noch einen Meter höher als die Statue selbst. Die Freiheit auf einen hohen Sockel zu stellen – das hat ja schon sprachlich einen gewissen Reiz. Das Symbol der Freiheit so zu präsentieren, dass sie schon von Weitem sichtbar war, war gewiss das Hauptanliegen. Ankommenden schon aus großer Entfernung zu zeigen: „Ihr kommt jetzt nach Amerika. Ihr kommt jetzt in die Freiheit!“ – das musste nach einer langen, beschwerlichen Seereise, deren Ausgang bis zur Landung ungewiss war, unglaubliche Emotionen auslöste. Und sollte es auch. So ganz nebenbei aber das Geschenk der Franzosen in Sachen Größe noch um einen Meter, nicht viel, aber eben ein bisschen, zu übertrumpfen, ist – je nach Sichtweise – Zufall oder eben typisch US-amerikanisch.

Elendes Strandgut

Und auch, wenn ich den Text schon an anderer Stelle zitiert habe, muss ich

noch einmal die Worte wiedergeben, die die Amerikaner in den Sockel meißeln ließen. Worte, die bis heute Menschen bewegen. Sie lauten: „Gebt mir Eure müden, Eure armen, Eure kauernden Massen, die sich danach sehnen, frei zu atmen. Das elende Strandgut Eurer vor Menschen wimmelnden Küste. Schickt diese, die Heimatlosen, Schicksalsgebeutelten zu mir. Ich erhebe mein Licht an der goldenen Tür!“ Herrlich! Auch wenn der Sturm auf das United States Capitol im Januar 2021 erhebliche Zweifel an Demokratie und Freiheit in den USA wecken, erst recht die Frage aufkommen lassen, wer denn im 21. Jahrhundert mit „elendem Strandgut“ gemeint sein könnte. Aber das ist natürlich eine andere Geschichte.

Puzzle mit tiefer Symbolik

Wie auch immer: Zwei Jahre, bevor die Einzelteile des französischen Selbstgebastelten in die USA gelangten, legten die Amerikaner los – mit einem riesigen Tempo. Zwar dauert es von der Grundsteinlegung bis zur offiziellen Einweihung am 28. Oktober 1886 rund zwei Jahre. Aber allein vier Monate benötigt es schon, die vorgefertigten Einzelteile der Statue zusammenzusetzen. Der Aufwand lohnt sich. Seitdem steht nicht nur – sehr symbolträchtig – die Figur einer Frau auf dem Sockel. Sie steht – zweites Symbol – auf den zerbrochenen Ketten der Sklaverei. Und letztlich streckt sie mit der Fackel ein Symbol der Aufklärung in die Luft. Also eine ungemeine, dreifache Symbolkraft. Und natürlich ein Nachklang der in der Französischen Revolution erstrittenen Rechte von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.

Noch viel zu tun

Dass die Black Lives Matter-Bewegung nach dem Tod von George Floyd in dieser Form überhaupt erst notwendig wird, ist der berühmte Tropfen des Wermutkrauts, von dem wegen seiner Menge an Bitterstoffen schon der berühmt-berüchtigte Tropfen ausreicht, um eine große Menge süßen Getränks bitter werden zu lassen. Trotzdem – oder vielleicht: gerade deshalb? – bleibt die Freiheitsstatue eine in Stein gehauene Aufforderung, für Gerechtigkeit einzustehen. Dazu gehört auch in Gegenwart und Zukunft, gegen Knechtschaft und Sklaverei vorzugehen, ungerechtfertigte Zwänge und Unterjochung abzuschaffen.
Die „Statue of Liberty“ ist groß genug, um alle Menschen dieser Welt daran zu erinnern. Bis das erreicht ist, bleibt aber noch eine Menge zu tun.

Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.

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