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Neues Hoch für Horoskope (17. Juli)

Vor kurzem titelten die einschlägigen Gazetten: Horoskope und Sternendeuterei sind wieder in. Was mich nicht wirklich verwundert. In Zeiten, die nicht ganz unproblematisch sind, suchen wir Menschen nun einmal einen zusätzlichen Halt, wollen wir uns absichern. Gerade in unsicheren Zeiten ist es gut, einen Blick in die Zukunft tun zu können. Und
letztlich tröstend gesagt zu bekommen: Ganz so schlimm wird es nicht. Alles ist machbar. Und weil wir in der Nachfolge der 1968er alle Autoritäten abgesägt oder zumindest schwer beschädigt haben, bleibt nichts, an dem man sich festhalten kann. Wie gesagt, dass da Sternendeuterei, Astrologie und eben Horoskope einen neuen Aufschwung nehmen, ist da nur wenig verwunderlich.

Horoskope stimmen immer

Ich gebe zu: Von Horoskopen halte ich nicht allzu viel. Aber aus einem anderen Grund, als Sie jetzt meinen. Mir bedeuten Horoskope wenig, weil sie stimmen. Immer. Wenn mir mein Horoskop verkündet, ich sei angeschlagen und müsse mir eine Auszeit gönnen, weil alles andere meiner Gesundheit wenig zuträglich sei – das weiß ich auch ohne Horoskop. Und selbst wenn ich mich topfit fühle – spätestens nach dem Lesen des Horoskops fühle ich mich schlapp und erholungsbedürftig.
Dass ich mit meinem Geld haushalten soll, weil das schon immer meine Schwachstelle war – also liebes Horoskop, mein Banker hat es längst aufgegeben, mich wegen meines Kontostandes auch nur streng anzuschauen. Im Gegenteil: Mein chronisch bis zum Anschlag ausgeschöpfter

Dispositionskredit sichert seinen Arbeitsplatz!
So, so, ich wirke auf mein gesamtes Umfeld beruhigend, weil ich ein Mensch mit Gemeinschaftssinn und ausgeprägtem Harmoniestreben bin. Und da soll ich jetzt tatsächlich noch ein Schippchen mehr drauflegen?

Sternenkonstellation bei der Geburt?

Ich will erobert, aber nicht vollständig in Besitz genommen werden? Wer will schon in Besitz genommen werden? Ob es zu meinen Phantasien gehört, erobert zu werden, was auch immer das sein mag, lassen wir mal außen vor. Na ja, vielleicht. Zumindest ein bisschen.
Und ein letztes: Wenn mir mein Horoskop verkündet, ich werde im Laufe des Tages ein wichtiges Telefonat führen, dann stimmt das garantiert. Schätzungsweise 50, 60 Mal greife ich im Verlauf eines Tages zum Hörer. Eines dieser Telefonate ist immer das Wichtigste. Also: Mein Horoskop stimmt!
Von daher: Ich brauche sie nicht, diese Horoskope. Einmal ganz abgesehen davon, dass ich einfach nicht glaube, dass die Konstellation der Sterne quasi mit meinem Durchflutschen durch den Geburtskanal meiner Mutter meinen Charakter bestimmen. Wenn überhaupt, dann müsste ein Horoskop bei der Verschmelzung von Samen- und Eizelle ansetzen. Wenn da bestimmte Sterne in einem bestimmten Verhältnis stehen, … Aber nicht neun Monate später. Da ist alles gelaufen.

Klage gegen Horoskop

Trotz dieser ablehnenden Haltung wehre ich mich nicht gegen Horoskope. Kommt mir eines unter die Augen, lese ich es. Und lege die Zeitung alsbald wieder beiseite. Wobei es auch anders ginge. In unserem Nachbarland Frankreich hat einmal ein Leser eine Zeitung wegen seines Horoskopes verklagt. In besagtem Horoskop nämlich war dem Sternzeichen „Widder“ eine „jugendliche Erregung“ vorhergesagt worden. Der Kläger, natürlich Widder, sah sich verunglimpft. Schließlich sei er ein seriöses Familienoberhaupt. Eine Erregung, eine jugendliche zudem, wertete er als Angriff auf seine Funktion in der Familie. Sagenhafte 51 Euro Schadensersatz – Sie haben richtig gelesen: 51 Euro – forderte der Mann von der Zeitschrift. Und ganz nebenbei verlangte er eine Verwarnung der zuständigen Astrologin, der er empfahl, „den Arzt aufzusuchen“.

Entlastung

Lassen wir einmal den konkreten Fall einen Augenblick außer Acht, dann stellt sich die Frage: Was macht Horoskope so interessant, warum werden sie von so vielen Menschen gelesen? Manch einer glaubt tatsächlich, dass die Zukunft vorhersehbar ist, dass man sich für das, was da kommen mag, wappnen kann. Für die meisten Zeitgenossen ist es ein Kitzel, der nicht weh tut: Was im Horoskop steht, könnte tatsächlich eintreten, okay. Aber zufällig, ohne dass höhere Mächte am Spiel sind. Und: Es macht sogar Spaß, ein bisschen zu kokettieren: Die Aussage „So stand‘s ja in meinem Horoskop“, entlastet, nimmt ein Stück der persönlichen Verantwortung. Allerdings nur spielerisch und nur bei harmlosen Sachverhalten. Ansonsten gilt: Wir sind schon selbst verantwortlich für den Unfug, den wir verbocken! Aber das mit dem Spielerischen – so ähnlich halte ich es selbst auch, kenne das auch so aus meinem Bekanntenkreis.

Abhängigkeit

Aber es gibt auch Zeitgenossen, die ihr Leben nach Horoskopen ausrichten. Tatsache! Menschen, die ihre Entscheidungen nach den vagen Aussagen eines Horoskopes ausrichten. „Heute ist ein guter Tag zur Geldanlage!“ Nachtigall, ik hör dir trapsen. Da könnte das Geld schneller weg sein, als es dem Anleger lieb ist. Mit Immanuel Kants Aufforderung, dass wir uns unseres eigenen Verstandes bedienen sollen, hat das wohl nur wenig zu tun. Mit dessen Quelle, dem Lateinischen „Sapere aude“, „Wage es, weise zu sein“ auch nicht. Weise! Nicht das Gegenteil: Wer seine Entscheidungen nicht danach ausrichtet, was sinnvoll, zielführend, hilfreich für sein Leben und das der ihm nahestehenden Personen ist, sondern was sein Horoskop sagt, der macht sich unfrei.

Richterspruch

Das alles stand wohl auch hinter der Reaktion auf die Klage unseres „seriösen Familienoberhauptes“ in Frankreich. Seine Klage brachte ihm den gerichtlichen Kommentar ein, er zeige einen pathologischen Zug zum Klagen. Was zeigt, welche Bedeutung der Richter einem Horoskop beimisst. Zumindest keine, deretwegen man klagen könnte. Ob das das „seriöse Familienoberhaupt“ wohl vorher in seinem Horoskop gelesen hatte? Bestimmt nicht. Ansonsten hätte er sich „viel Rauch um Nichts“ erspart. Was aber andererseits beweist: Horoskope mögen zwar dem einen oder anderen Halt geben. Aber sich an etwas Falschem festzuhalten, kann schlimmere Folgen haben, als gänzlich ohne Halt dazustehen.

Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.

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