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Gefahr aus dem All? – Pilgerfahrt nach Roswell (8. Juli)

Es waren „leise Schlagzeilen“, die man in den letzten Wochen lesen, aber auch gut überlesen konnten. Schlagzeilen, die bei näherer Betrachtung aber vielleicht doch nachdenklich machen. Anzufangen beim ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama, der mit einem Lächeln erklärte: Nicht alles, was die verschiedensten Geheimdienste und Analysten der USA über UFOs herausgefunden hätten, könneer offenbaren. Und als ob er die Spannung steigern wolle, ergänzte Obama: Immerhin könne er sagen, dass nicht alle festgestellten Flugbewegungen erklärbar seien. Wer wollte, konnte dahinter ein uraltes Prinzip entdecken: Wenn es in einem Staat innenpolitisch schlecht läuft, braucht es einen äußeren Feind. So kann man ein Volk einen, die Gräben in der eigenen Gesellschaft zumindest ein Stückweit zuschütten. Insofern war es wenig verwunderlich,

Chinesen? Russen? Aliens?

dass kurze Zeit später Unterlagen veröffentlicht wurden, in denen von Flugmanövern die Rede war, die mit der in den USA derzeit bekannten Technik schlichtweg nicht machbar, nicht einmal nachvollziehbar wären. Gefahr, Gefahr, Gefahr! Aber von wem? Haben die Chinesen etwas entwickelt, was unerklärlich ist? Oder die Russen? Oder waren eben doch Aliens zu Besuch? Im Grunde völlig egal. Auch, dass es sich um US-amerikanische Entwicklungen handeln könnte, von denen man der Öffentlichkeit noch nichts sagen möchte. Da lenkt man lieber die Blickrichtung auf andere. Wichtig wäre nach dieser Denkweise nur eins: Es gibt etwas, was unerklärlich ist – also ist es gefährlich. Oh, ihr Lieben, zieht euch warm an. Denn jetzt könnte es heiß werden. (Sorry, Sven Plöger, Ihrem großartigen Buch über Extremwetter und Klimawandel haben Sie einen derart begnadeten Titel gegeben, dass ich für diesen Text einfach nicht widerstehen konnte und ihn – etwas abgewandelt – einfach adaptieren musste.)

China, China, China

Lassen wir einmal die Überlegung beiseite, dass all die aktuellen Meldungen über eine mögliche Bedrohung von außen eine innenpolitische Wirkung zeigen können und vielleicht sogar sollen. Letztlich bleibt dann in diesen Tagen nur ein Thema. Und jetzt komme ich mir gerade vor wie der ehemalige Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger – als Nachgeborene kenne ich gerade mal noch den Namen, die Älteren unter uns erinnern sich sicher noch an den Mann, wenn vielleicht auch nur dunkel – , der 1969 bei einer Wahlkampfveranstaltung in der Dortmunder Westfalenhalle sein berühmtes „Ich sage nur China, China, China“ ausrief und vor der – so sagte man damals – „Gelben Gefahr“ warnte. In diesem Sinne also: Ich sage nur Roswell, Roswell, Roswell!“ Aber das sage ich mit Nachdruck und würde am liebsten dazu, ähnlich wie 1960 der damalige Kremlchef Nikita Sergejewitsch Chruschtschow, mit einem Schuh auf das Rednerpult bei der UNO eindreschen!

Alles klar: Roswell

Roswell also. 1947, irgendwo im tagsüber glutheißen New Mexico, stürzt ein UFO ab. Die US-amerikanische Regierung vertuscht den Absturz, redet ihn schön. Die Einwohner der Kleinstadt Roswell jedoch leiden fortan unter „Unheimlichen Begegnungen der Dritten Art“. (Bevor Sie mir den Spitznamen „Die kleine Baerbock“ verpassen, gestehe ich schnell zu: Bei meinen signa citationis handelt es sich um die Anspielung auf einen Filmtitel von Steven Spielberg aus dem Jahr 1977.) Immer wieder werden die armen Menschen von Roswell von den geheimnisvollen Fremden an Bord irgendeines Raumschiffes gebeamt und haben alle Mühe und Not, Gehirnamputationen zu entkommen. Das mit dem Beamen hat Nina Hagen ja auch schon mal von sich behauptet. Wenn Sie jetzt erwarten, ich würde an dieser Stelle auch nur eine winzige Anspielung auf da Wort „Gehirnamputation“ einstreuen, muss ich Sie enttäuschen… (Okay, Sie haben es längst bemerkt: Mit mir gehen heute mal wieder alle Pferde durch…)

Rosenmontagsstimmung im Juli

Jetzt aber ernsthaft: Was aber war „Roswell“? Ein Science-Fiction Film, eine UFO-Posse? Für Zehntausende, die Jahr für Jahr Mitte Juli zum Gedenktag des angeblichen Absturzes nach Roswell pilgern, ist dies Wahrheit und nichts als die reine Wahrheit: dass die amerikanische Regierung anno dunnemals die Kontaktaufnahme mit Aliens vergeigte und folglich bis heute die wahren Hintergründe von Roswell verschweigt, gilt für waschechte Ufologen als größte Verschwörung der Weltgeschichte. Und von Verschwörungstheorien verstehen unsere US-amerikanischen Freunde ja eine ganze Menge…

Längst ist das jährliche Ufologen-Treffen in Roswell so etwas wie ein Volksfest. Denn es gibt viele selbsternannte Ufologen, die letztlich nur eines wollen: Kasse machen. Da werden Aufkleber, Schlüsselanhänger und aufblasbare Puppen in Form von Aliens (oder was man sich darunter vorstellt) verkauft, werden gefesselte Plastikaliens von berittenen Sheriffs, Polizei und Feuerwehr volksfestartig abgeführt. Rosenmontagsstimmung mitten im Juli – mit klassischen Marsmännchen, Hot Dogs und Zuckerwatte.

Längst bekannt: Präastronautik

Sich durchaus ernsthaft mit „Fremden aus dem Weltall“ zu beschäftigen – spätestens

seit Mitte der 1970er Jahre hatte dies auch bei uns Hochkonjunktur: So schrieb damals der Schweizer Autor Erich von Däniken einen Verkaufsschlager nach dem anderen, in denen er immer wieder „unschlagbare Beweise“ dafür liefert, dass schon vor langer Zeit Fremde aus den Tiefen des Weltalls bei uns zu Besuch waren. Frei nach dem Motto: „Der Weltraum, unendliche Weiten“, waren diese Wesen auf der Erde, ursprünglich „um fremde Galaxien zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen.“ Dabei drangen sie dann „in Galaxien vor, die nie ein Alien zuvor gesehen hat.“ Sie haben es bemerkt: Raumschiff Enterprise lässt grüßen! Was diese Aliens entdeckten, war ein unterentwickelter Planet, dem man aber mit ein paar Griffen in die Trickkiste so etwas wie intelligentes Leben einhauchen konnte. Stonehenge, Pyramiden der Ägypter, Inkas und Azteken, die gigantischen Nasca-Linien in Lateinamerika und der Karibik und vieles mehr – alles ohne das Eingreifen von Lebewesen aus fremden Welten gar nicht denkbar, wie von Däniken seinerzeit schreibt. Und schon ist die Präastronautik geboren.

Wir sind nicht alleine

Es wäre vermessen zu glauben, dass angesichts eines unendlichen Weltalls unsere kleine Erde der einzige Planet ist, der Leben hervorgebracht hat. Vermessen wäre es auch, ausgerechnet unsere Lebensform als die intelligenteste zu erachten. Wenn sich die Bibel in einem irrt, dann ganz sicher darin, den Menschen als die „Krone der Schöpfung“ zu bezeichnen. Selbst wenn wir es sicherlich zu etwas gebracht haben, braucht es nur einen Blick hinaus in unsere eigene Welt, um zu sehen: Mit unserer menschlichen Intelligenz ist es nicht so weit her, wie wir das gerne hätten. Dass der Klimawandel menschenverschuldet sein könnte, dämmert gerade auch vielen US-Amerikanern. Sogar manchen von denen, die ihrem ehemaligen Präsidenten das Wort „Fake News“ von den Lippen abgelesen haben. In Teilen der USA (und ich Kanada) müssen auch sie gerade eine schier unerträgliche Hitze aushalten. Es soll sogar Trump-Anhänger geben, die mitbekommen haben, dass die Wirbelsturmsaison zwei Monate früher als je zuvor eröffnet ist. Dazu kommt ein ungeheures Artensterben, das Angst und Bange machen kann. Es sei denn, man hält verkarstete Mondlandschaften für ein Idealziel. Dann natürlich nicht.

Der Mensch als Krone der Schöpfung?

Wir schicken Raumschiffe zum Mars und noch tiefer ins All, aber wissen so gut wie Nichts über die Tiefsee auf unserem Planeten. Wir investieren in Rüstung, aber sehen seelenruhig zu, wie Millionen von Menschen hungern. Wir registrieren, wie der Kampf ums Trinkwasser immer heftiger wird und wie immer mehr Menschen gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen. Wir lehren im Geschichtsunterricht, dass die Zeiten der großen Völkerwanderungen zwischen dem vierten und siebten Jahrhundert unserer Zeitrechnung liegen. Dabei scheinen uns die richtig großen Völkerwanderungen erst noch bevorzustehen. Das wird lustig, wenn es in großen Teilen der USA zu heiß wird, um zu überleben, und sich alles an der Trumpschen Mauer drängelt, nur die Mexikaner niemanden reinlassen. Oder wenn alle Niederländer mit ihren Wohnwagen die Parkplätze belegen, weil ihr Land, jetzt schon in weiten Teilen unter dem Meeresspiegel, nach dem Abschmelzen von noch mehr Gletschereis komplett unter Wasser steht. Der Mensch als „Krone der Schöpfung“? Was nützt die schönste Krone, wenn es unter Krone, Haaransatz und Schädeldecke nicht wirklich funzt?

Menschheitskrise

Je größer die seelische Krise, desto größer der Ruf nach Hilfe „von oben“. Kein Wunder also, dass tatsächlich viele Menschen ihre Hoffnungen auf Wesen aus dem All setzen. Menschen, die mit diesen Fremden Kontakt aufnehmen möchten und sich von ihnen eine endgültige Heilszeit erwarten. Erlösung, Geborgenheit, Liebe – der Glaube an Aliens wird zum Religionsersatz. Sinnkrise nennen das übrigens Theologen und Psychologen. Auch ein Grund, warum in jüngster Zeit der Glaube an Astrologie und Horoskope massiv zugenommen hat. Ob dies alles aber hilft, tatsächliche Sehnsüchte und Bedürfnisse zu befriedigen, bleibt abzuwarten.
Falls in diesen Tagen nichts Weltbewegendes passiert, warten wir eben bis zum nächsten Sommer. Wenn sich die Ufologen garantiert wieder in Roswell treffen. Bis dahin bleiben wir bei der Gefahr aus „China, China, China“. Oder aus Russland. Oder den USA. Ach, nichts Genaues weiß man nicht. Aber wenigstens das ist sicher.

Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.

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