Jetzt besonders aufgepasst: Schulstart nach den Sommerferien (9. August)
Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein waren die ersten, Hamburg, Berlin und Brandenburg zogen nach, Nordrhein-Westfalen wird als nächstes folgen. Keine Frage: Auch wenn der Sommer rein wettertechnisch noch immer nicht in Schwung gekommen ist – in den ersten Bundesländern sind die Sommerferien schon wieder vorbei. Und damit hat für die ersten von Zigtausend Schülerinnen und Schüler auch der viel zitierte Ernst des Lebens wieder begonnen. Für etliche von ihnen übrigens nicht „wieder“, sondern zum ersten Mal.
Erster Schultag
Zig-Tausende Erstklässler in Deutschland hatten in den letzten Tagen ihren ersten Schultag. Oder sie werden ihn in den nächsten Tagen und Wochen haben. Viele von uns Erwachsenen haben die Gedanken und Gefühle an diesen massiven Einschnitt ins Kinderleben verdrängt. Aber manch einer erinnert sich noch gut daran, dass da eine gewisse Angst vor dem Neuen war. Und vor allem eine gewisse Aufregung vor dem ersten Mal. Auch wenn nach altem Brauch eine hoffentlich gut gefüllte Schultüte diese Aufregung ein bisschen lindern soll – in Wirklichkeit steigert sie sie nur noch. Denn sie hebt das Besondere an diesem ersten Schultag umso mehr hervor. Auch die Anwesenheit von beiden Eltern, in traditionellen Familienstrukturen sogar der Paten – wann hat man das schon, dass sich Papa und Mama von der Arbeit freinehmen?
Neuer Rhythmus
Am Tag danach ist die allererste Aufregung vorbei. Und ganz langsam setzt dann der Alltag ein, beginnt die Gewöhnung. Naturgemäß dauert es eine Weile, bis sich Kinder an den neuen Rhythmus in diesem für sie neuen Lebensabschnitt gewöhnt haben. Mit dem ersten Schultag beginnt die Selbstständigkeit. Wobei die Betonung auf dem Beginnen liegt. Bis sie abgeschlossen ist, erfolgen viele kleine Schritte. Und leider auch gelegentliche Rückschläge. Bis die Erstklässler, Kleckser, I-Männchen und meinetwegen auch I-Weibchen tatsächlich selbstständig sind, brauchen sie noch lange die Hilfe von uns Erwachsenen.
Entwicklung von Routinen
Für die Kleinen beginnt jetzt ein ganz neuer Tagesrhythmus. Da hilft es, wenn die Erwachsenen diesen Rhythmus mitgehen. Hilfreich ist es, bereits am Vorabend alles zurechtzulegen, was am nächsten Morgen in der Schule gebraucht wird. Warum sollen Mäppchen, Hefte und Bücher über Nacht auf dem Schreibtisch liegen? Sie bereits am Vorabend die Schultasche zu packen, wird schnell zur Routine, die am nächsten Morgen den Kopf von dieser Aufgabe entlastet. Schließlich ist es für eine Erstklässlerin und einen Erstklässler schon genug Belastung, morgens noch schnell an das Pausenbrot zu denken. Und bis der Tagesbeginn im Autopilot-Modus abläuft, vergeht eine lange Zeit.
Alles frühzeitig
Stichwort „Morgen“: Vorbei ist die Zeit, in der der hoffnungsvolle Nachwuchs schlafen konnte, bis er von allein aufwachte. Jetzt gilt es, pünktlich in der Schule zu sein. Also entsprechend früh aufzustehen, möglichst ohne Hetze, dafür aber mit genügend Zeit für ein gutes Frühstück. Es ist einfach ein Ammenmärchen, dass ein hungriger Bauch gut lernt. Nachvollziehen kann das jeder, der meint, mit leerem Tank zwei- oder dreihundert Kilometer fahren zu können und erst dann zu tanken. Ohne Sprit fährt die Karre, und sei sie noch so edel, nicht einen einzigen Meter. Erst ein gutes Frühstück liefert all die Energien, die Körper und Kopf brauchen, um all das Neue, was Schule nun mal so mit sich bringt, auch verarbeiten zu können.
Und noch einmal der Blick auf die Abläufe: „Früh genug“ ist die Zauberformel, die jegliche Hektik vermeidet. Früh genug aufstehen, früh genug frühstücken, früh genug das Haus verlassen. Ein Start in den Morgen ohne Hektik ist für den Schulerfolg extrem wichtig. Oder anders gewendet: Wer so voller Kortisol steckt, dass ihm das Herz bis zum Hals schlägt, bekommt den Kopf gar nicht frei, um auch nur irgendetwas Neues abzuspeichern. Oder wie man in der Schule sagt: um etwas zu lernen.
Schulweg
Eine besondere Bedeutung hat der Weg zur Schule. Die eine oder andere Helikopter-Mama fährt der Umwelt zum Trotz den hoffnungsvollen Nachwuchs mit dem SUV bis unmittelbar vor die Klassenzimmertür. Das ist bequem. Aber das ist dank fehlendem Bewegungsmangel nicht nur ungesund, sondern auch anderweitig problematisch: Zum Erwachsenwerden gehört es auch, einen bestimmten Weg im Leben alleine zu gehen. So auch den Schulweg. Aber bitte nicht vom ersten Tag an allein. Schließlich sollen Erstklässler sicher in der Schule ankommen und genauso sicher wieder zu Hause. Hier sind Elternteile, Großeltern oder auch ältere Geschwister
gefordert: Eine, vielleicht zwei Wochen sollten sie mit den Erstklässlern den Schulweg einüben. Und dabei mögliche Gefahren ansprechen: Nach links und rechts gucken und sich versichern, dass die Straße auch frei ist, möglichst nur dort die Straße überqueren, wo ein Zebrastreifen ist. Oder wo – es gibt sie tatsächlich noch! – Schülerlotsen das gefahrlose Überqueren der Straße ermöglichen. Wer sich jetzt fragt, ob zwei Wochen nicht eine lange Zeit sind, dem sage ich: Es geht auch kürzer. Das hängt vom Kind ab. Aber lieber ein bisschen länger Hilfestellung geben, als vor lauter Bequemlichkeit zu früh mit dem Begleiten abzubrechen. Wie heißt der alte Spruch: Wenn es schiefgeht, hast du im Krankenhaus alle Zeit der Welt. Und auf dem Friedhof sowieso.Handy
Ach ja, fast hätte ich es vergessen: Heute geht ja nichts mehr ohne ein Handy. Und auch viele Erstklässlerinnen und Erstklässler haben eins. Aber bitte: Es muss nicht das neuste Smartphone sein. Die neuen Geräte haben ja eh den Nachteil, dass sie, schneller als sie gekauft wurden, sich einfach mal eben so in Luft auslösen. Oder in der Tasche von jemand anderem landen. Deshalb verbieten manche Lehrerinnen und Lehrer das Mitbringen von Handys. Ein weiterer Grund: Während des Unterrichts und meinetwegen auch auf dem Pausenhof haben Handys einfach nichts verloren. Trotzdem halte ich die Idee, ein Handy in der Schultasche zu haben, für gut. So können im Zweifelsfall Mama, Papa, meinetwegen auch Oma oder Opa informiert werden, wenn man sie dringend braucht. Aber um auf dem Schulweg noch schnell irgendein Spiel zu spielen und die Nase ins Display zu versenken,
Regeln lernen
statt sich auf den Weg zur Schule zu konzentrieren – dazu sind sie nicht da. Dass das nicht geht, gehört zu den Regeln, die Kinder erlernen müssen. Kopf hoch also. Das Handy kann warten!
Das Handy erst gar nicht mitzugeben, bewirkt übrigens genau das Gegenteil: Als Elternteil verhindere ich zwar den Missbrauch des Handys. Das Verbot verhindert aber auch die Lernerfahrung des Kindes. Genau um ein beständiges Lernen geht es in jeder Phase der Entwicklung. Natürlich sollen Eltern ihren Kindern helfen. Als Erwachsene sollten sie auch in der Lage sein, ihre Kinder vor existentiellen Gefahren zu bewahren. Die Erfahrung jedoch, dass Mama oder Papa jeden auch nur erdenklichen Stolperstein aus dem Weg räumen, ist die schlimmste, die Kinder machen können. Wenn nämlich eines Tages Mama und Papa nicht mehr da sind, um alles zu richten, merken sie, wie lebensunfähig sie tatsächlich sind. Wie sollen sie selbst ihr Leben meistern, wenn das bisher Mama und Papa für sie getan haben, sie selbst es nie gelernt haben, kleinere und erst recht größere Probleme selbst zu lösen?
Runter vom Gas
Weg von Erziehung, Eltern und Kindern, hin zu Ihnen und mir: Natürlich fahren Sie und ich mit unseren Autos immer vorsichtig. Das ist gut so, das muss auch so bleiben. Aber gerade in diesen Tagen gilt: Wo immer ein winziges Menschlein mit einer riesigeren Schultasche zu sehen ist: Runter vom Gas! Man weiß ja nie, was in so einem kleinen Kinderköpfchen gerade vorgeht. Erst recht nicht zu Beginn eines neuen Lebensabschnitts, der „Schule“ heißt.
Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.
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