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26. Februar – Augsburger Puppenkiste hat Geburtstag

Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.

26. Februar – Augsburger Puppenkiste hat Geburtstag

Ich sage es gleich vorweg: Auch wenn ich längst aus dem Alter herausgewachsen bin: Ich bin und bleibe Fan der Augsburger Puppenkiste. Mit den ganz alten Marionetten bin ich groß geworden: mit Kater Mikesch, dem Urmeli, dem Löwen, der angeblich los war. Und mit Jim Knopf und Lukas, dem Lokomotivführer, und natürlich mit den Lokomotiven Emma und Molly. Und wenn Sie einmal ganz tief in sich hineinhören: Sie könnten auch sofort mitsingen, oder? Los, probieren wir es mal zusammen: „Eine Insel mit zwei Bergen und dem tiefen weiten Meer, mit viel Tunnels und Geleisen und dem Eisenbahnverkehr…“ Herrlich! Die Marionetten der Augsburger Puppenkiste haben einfach Kultstatus. Und weil ich sie bis heute heiß und innig liebe, muss ich einfach zum Geburtstag gratulieren. Auch wenn es kein runder ist, sondern der 73. Aber nicht jeder wird so alt. Und nicht jeder erfreut seit so langer Zeit Groß und Klein. Also: herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, liebe, nein, besser: geliebte Augsburger Puppenkiste.

Wie viele Stunden habe ich wohl als Kind mit der Puppenkiste vor dem Fernseher verbracht? Und als meine Kinder ins Puppenkisten-Alter kamen, saß ich wieder davor. Gut, manchmal waren die Mittel schon einfach: Wird bei der Puppenkiste ein See dargestellt, dann sieht man sofort, dass es sich um eine Plastikfolie handelt. Und ganz klar, die Fäden, an denen die Marionetten hängen, sind auch immer zu sehen. Deshalb: Fahren Sie unbedingt einmal nach Augsburg, gehen Sie dort in die Puppenkiste, besuchen Sie möglichst eine Vorstellung und auf jeden Fall das Puppenkistenmuseum über den Theaterräumen. Sie werden begeistert sein.

Jim Knopf, Lukas, Frau Waas, Herr Ärmel und König Alfons der Viertelvorzwölfte – beinahe hätte es die gar nicht gegeben. Und damit eben auch nicht d e n Klassiker der Puppenkiste. Als der Autor Michael Ende – den kennen Sie ja sicher auch als Autor von „Momo“ – sein Manuskript über die Bewohner der Insel Lummerland bei Verlagen einreichte, bekam er nichts als Absagen. Als Schreiberling für Kinder wurde er abgetan. „Weltflucht“ warfen ihm Kritiker vor, vor allem, weil die Abenteuer von Jim Knopf und Lukas und allen anderen immer gut endeten. Die banale Botschaft in vielen von Michael Endes Geschichten: Ja, es gibt das Böse in der Welt. Aber am Schluss siegt das Gute.
Klar, dass das keine Botschaft sein kann, die Erwachsene befriedigt. Denn die

sehen die Welt, wie sie wirklich ist: An allen Ecken und Kanten dominiert das Schreckliche: Menschen, die andere Menschen aus ihrer Heimat vertreiben; Menschen, die andere Menschen töten; Menschen, die anderen Menschen unmenschliche Ideologien aufzwingen wollen. Wer die nicht akzeptiert, muss um sein Leben fürchten. Das Böse scheint allgegenwärtig zu sein. Und so ein „Heile-Welt-Geschreibsel“ hat in der heutigen Zeit kein Platz. So auch wohl schon damals, vor 60 über Jahren, die Haltung der Verlage.
Zum Glück bekam Michael Ende aber dann doch noch eine Zusage. Und kurze Zeit nach der Veröffentlichung den Deutschen Jugendbuchpreis für eines der erfolgreichsten Kinderbücher im deutschen Sprachraum. Dass ausgerechnet diese abgelehnten Geschichten von Jim Knopf und Lukas, dem Lokomotivführer zum ersten Megaerfolg für die Augsburger Puppenkiste wurden, zeigt mal wieder, dass das Leben seine ganz eigene Art von Humor hat.

Wobei die Verlage mit ihrer Kritik ja im Prinzip Recht hatten: Ganz anders als im richtigen Leben wird zum Schluss wirklich alles gut. Das Gute siegt immer über das Böse. Nehmen sie nur mal den bösen Drachen Mahlzahn aus der Jim Knopf-Geschichte: Der verwandelt sich, wird am Ende verwandelt zu einem Drachen der Weisheit. Und auch die gefürchteten Piraten, die Wilde Dreizehn, verändern sich zum Guten. Sie versenken sogar absichtlich ihre Piratenfestung, damit das Böse ein Ende hat. Stattdessen erhebt sich dann ein versunkenes Land des Friedens aus dem Meer. Traumhaft! Oder nehmen Sie nur mal Jim Knopf selbst: Der kommt per Postpaket auf die Insel Lummerland. Ein schwarzes Waisenkind, irgendwoher. Das wird sofort, ohne Wenn und Aber, als vollwertiges Mitglied in die Gesellschaft von Lummerland aufgenommen. Rein rechnerisch bedeutet das für die kleine Insel eine Fremdenquote von 20 Prozent. Auf einen Schlag! Und, ganz klar: Überbevölkerung. Die Botschaft ist klar: Wer Hilfe braucht, bekommt sie. So einfach ist das damals im Puppenspiel. Im richtigen Leben eher nicht. Leider.
Vielleicht waren Michael Endes Geschichten den Verlagen auch ein Stückweit zu theologisch. Frei nach dem Motto: Jeder, auch der schlimmste Verbrecher, kann sich ändern, kann ein neues Leben beginnen. Das hat viel mit Schuld, Reue und Vergebung zu tun. Bei Michael Endes Figuren und damit eben auch bei der Augsburger Puppenkiste ist das tatsächlich ein bisschen dicke, vor allem: anders als im richtigen Leben. Oder? Kein Wunder, dass die Verlage da schon ein bisschen zuckten.

Und gleich noch eins, was wir bei den Puppenkistenfiguren wir wunderbar sehen können: Die Marionetten geraten immer mal wieder ins Straucheln, stolpern und stürzen sogar. Aber sie stehen, nein, sie rappeln sich immer wieder auf. Ist schon klar, dass da einer am Faden zieht. Was ich ja für mein Leben nicht will. Und trotzdem lebt es sich irgendwie leichter, wenn man fest davon überzeugt ist: Egal wie schlimm es gerade läuft – am Ende hilft dir jemand auf. Dann ist das Schlimmste überstanden. Und dann geht es besser weiter. Ist das eine so schlimme Vorstellung? Lernen Kinder nicht früh genug, dass das Leben alles andere als fair ist und manchmal unsagbar grausam zuschlägt? Trotz der Fäden, an denen ich, wie gesagt nicht hängen möchte, finde ich diesen Gedanken hilfreich: Am Ende wird alles gut. Auch wenn es nicht danach aussieht.

Eine ganze Menge gäbe es noch zu erzählen: Dass die Geschichten von Jim Knopf und Lukas zuerst in Schwarz-Weiß, erst später in Farbe gedreht wurden; dass es eine 52teilige Zeichentrickserie gab; und zwei Musicals, wobei bei einen dieser Musicals Konstatin Wecker die Musik geschrieben hat. Wichtig auch, dass es mittlerweile zwei Realverfilmungen gibt, bei denen Henning Baum als Lukas und Solomon Gordon als Jim Knopf brillieren; und Hörspielkassetten, CDs, DVDs und, und, und.

Ja, es ist so: Was ich bei der Augsburger Puppenkiste als Kind gesehen und später in Michael Endes Büchern nachgelesen habe, hat bleibenden Eindruck hinterlassen. Der Wichtigste: Das fröhliche, gute Ende kommt nur, weil sich Menschen, in diesem Fall Marionetten, dafür einsetzen. Dass die Augsburger Puppenkiste auf ihre Weise dazu beigetragen hat – dafür gebühren ihr großer Dank und Respekt. Noch einmal: alles Gute zum Geburtstag. Und auf viele weitere lange Jahre!

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