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16. Februar – Faschingsdienstag = Fastnacht

Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.

16. Februar – Faschingsdienstag

Traurig ist das schon: Corona bringt in diesen Tagen ein ganze Menge bunten Treibens zum Erliegen. Die Abstandsregeln und sonstigen Beschränkungen verbieten den Straßenkarneval in seiner üblichen Form. Gestern sind die Rosenmontagszüge ins Wasser gefallen. Heute Faschingspartys, Faschingsdisco und die anderen Veranstaltungen des närrischen Treibens. Und davon gibt es ein paar besonders schöne:

Im München findet sich ein ganz besonderer, mittlerweile uralter Faschingsbrauch: Am Vormittag des Faschingsdienstags – das ist heute, auch wenn man davon nichts merkt – tanzen üblicherweise Marktfrauen auf dem Viktualienmarkt. Die sind dann besonders phantasievoll kostümiert. Und ein bisschen männerfeindlich. Denn wehe dem Kerl, der zu nahe an sie herantritt. Der wird von den Marktfrauen quasi festgenommen und zum Gespött der Umstehenden gemacht. Ein Relikt der Weiberfastnacht soll dieser Tanz der Marktfrauen sein, heißt es dazu.

Auch mehrere kleine Städte im Allgäu machen am Faschingsdienstag normalerweise von sich reden. Denn da geht der sogenannte Butz durch die Straßen. Der fegt diese so lange mit einem Besen, bis es endlich ein Festessen gibt. Danach folgt der Faschingstanz, bis der Butz nachts quasi tot zusammenfällt. Damit ist dann auch die Fastnachtszeit vorbei. Wenn man ehrlich ist, muss man zugeben: Mit dem Fasching hat diese Tradition ursprünglich nichts zu tun. Denn in Oberstaufen im Allgäu, wo diese Tradition zu Hause ist, erinnern die Menschen damit vor allem an das Ende der Pest. Passt aber trotzdem prima zum Faschingsdienstag!

„Die Wintergeister auszutreiben“ – das war eine der ursprünglichen Absichten dieser Tage an der Grenze zwischen Winter und Früher. Weil sich aber wie-auch-immer-geartete Geister und ihre Beschwörung nicht mit dem Christentum vertragen, hat der christliche Glaube dieses heidnische Großereignis im Laufe der Jahrhunderte überlagert und umgedeutet. Ähnliches kennen wir ja vom Fest der Wintersonnenwende, bei dem unsere Vorfahren an ihre germanischen Gottheiten dachten, die alten Römer an den „Sol Invictus“, den unsterblichen Sonnengott. Spätestens wenn die Tage spürbar länger wurden, war klar: Der Sonnengott vergeht nicht. Der kommt wieder und erstrahlt zu neuer Kraft. Ein solches Fest lief dem christlichen Glauben von dem einen Gott natürlich zuwider. Und weil die Kirche eh nicht wusste, wann Jesus tatsächlich geboren wurde, trotzdem aber den Geburtstag feiern wollte, pappte sie diese Feier ziemlich genau auf das alte heidnische Fest. Inkulturation nennt man das: Die gezielte

Überlagerung einer alten Kultur durch eine neue, damit die alte in Vergessenheit gerät. Das funktioniert auch beim ursprünglichen Fest der römischen Göttin Juno und dem christlichen Bischof Valentin ganz prima…

Weiberfastnacht, das Karnevalswochenende, der Rosenmontag und der Fastnachtsdienstag – das sind normalerweise die Höhepunkte der närrischen, der fünften Jahreszeit. Ein „nochmaliges Ausleben vor der Fastenzeit“, so der eigentliche, vom Christentum vorgegebene Sinn. Feucht-fröhliche Ausgelassenheit, bis am Aschermittwoch die österliche Bußzeit, wie es in Kirchensprache so schön heißt, eingeläutet wird.
Am deutlichsten wird das übrigens am Begriff „Karneval“ selbst. Denn die wahrscheinlichste Erklärung dieses Begriffs führt ins Italienische: Carne vale, ohne Fleisch. Wobei das weniger bedeutet, weniger Fleisch zu essen. Vielmehr bedeutet es: alles, was des Fleisches ist – oder anders ausgedrückt: alles, was man gern macht: Genau darauf verzichtet man in der Fastenzeit. Das kann natürlich auch der knusprige Braten sein, muss es aber nicht. Und weil Katholiken traditionell feierfreudiger waren als vom Puritanismus geprägte Protestanten, wird in früher katholischen Städten wie Köln, Mainz und z.B. dem hessischen Fulda der Karneval besonders ausgiebig gefeiert. Das letzte Aufbäumen vor der Fastenzeit sozusagen. Eine Zeit, in der die bestehende Ordnung für eine kurze Zeit außer Kraft gesetzt wird. Deshalb dürfen an Weiberfastnacht Frauen ungestraft Männern die Schlipse abschneiden, darf der Elferrat „die Regierung“ übernehmen.

Übrigens: Auch Spott und Satire gehören dazu. Deshalb die Büttenreden, deshalb sieht man bei Rosenmontagsumzügen – und immer wieder muss man sagen „normalerweise“ – überzeichnete Politiker. Auch eine Kanzlerin im Stringtanga ist nicht utopisch. Manches mag zwar eine Gratwanderung an den Grenzen des guten Geschmacks sein – aber zum Fasching gehört es einfach dazu, den ansonsten ganz wichtigen Persönlichkeiten zu zeigen: Ihr seid heute wirklich mal nicht so wichtig. Ihnen darf man auch den Spiegel vorhalten, ihre kleinen Macken ganz groß und überzeichnet darstellen. Und deshalb dürfen wir über sie lachen, wenigstens einmal im Jahr. Deshalb also auch manche Kostümierung an den tollen Tagen einschließlich des Faschingsdienstags.

Als Randbemerkung: In totalitären Regimen funktioniert das überhaupt nicht: Totalitäre Herrscher verstehen keinen Spaß. Die lassen sich keinen Spiegel vorhalten, lassen sich nicht sagen: Nehmt euch mal bitte nicht so wichtig! Insofern ist das ausgelassene Treiben an Karneval, sind die tollen Tage „in normalen Zeiten“ alles andere als selbstverständlich. Sie sind auch ein Ausdruck unserer politischen Freiheit, die wir durchaus schätzen sollten.

In manchen Gegenden Deutschlands heißt übrigens genau dieser heutige Dienstag „Fastnacht“. Im wahrsten Sinn des Wortes ist der Dienstag vor dem Aschermittwoch die „Nacht vor dem Fasten“, also direkt vor der Fastenzeit. Aber bis dahin sind es ja – Corona hin oder her – noch ein paar Stunden Zeit.

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