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1. Februar, Gefeiert wegen verschossenem Elfmeter – Morten Wieghorst

Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.

1. Februar, Gefeiert wegen verschossenem Elfmeter – Morten Wieghorst

Beim Blättern durch alte Fußballbücher stieß ich auf einen Spieler, den ich fast vergessen hatte: Morten Wieghorst. Ein dänischer Spieler für außergewöhnliche Situationen. Schon bei seinem Länderspieldebüt im Jahr 1994 schoss er, zur Halbzeit eingewechselt, das 2:1-Siegtor gegen Finnland. Na gut, in einem Freundschaftsspiel. Bei der Weltmeisterschaft 1998 in Frankreich wurde Wieghorst in der 82. Minute eingewechselt – und flog nur drei Minuten später schon wieder vom Platz. Auch das muss man erst einmal nachmachen! Dass sich die Dänen überhaupt für die 2000er-Europameisterschaft in Belgien und den Niederlanden qualifizierten, ist dem 3:2 gegen Italien zu verdanken. Und das entscheidende Tor schoss…? Richtig, Morten Wieghorst. Die Krone seines Rufs setzte der aber, längst bei Celtic Glasgow spielend, im Jahr 2003 auf. Dort nahm er mit einer dänischen Nationalauswahl in Hong Kong am Lunar New Year Cup teil, einem inoffiziellen Fußballturnier vom ersten bis zum vierten Tag des chinesischen Neujahrsfestes, also vom 1. bis 4. Februar 2003. Gleich zu Beginn ein ernüchterndes Ergebnis: Dänemark – Iran 0:1. Als Ergebnis nichts Besonderes. Ein Tor – wenn der Gegner keins schießt, reicht das nun mal. Und deshalb hätte dieses Ergebnis, zumal in diesem Turnier, allenfalls statistischen Wert. Hätte… Ein Medienereignis war es trotzdem – aus gutem Grund. Denn plötzlich, kurz vor der Halbzeit, pfeift der Schiedsrichter. Aha, Halbzeit! Ein Iraner nimmt den Ball in die Hand und schlägt ihn aus dem eigenen Strafraum Richtung Schiedsrichter. Pech für den Iraner, dass der Pfiff in Wirklichkeit nicht vom Schiedsrichter, sondern von einem Zuschauer gekommen war. Und mehr als ärgerlich, dass der Schiedsrichter das Regelwerk konsequent auslegen muss: Handspiel im eigenen Strafraum bedeutet nun mal Elfmeter.
Die Iraner sind außer sich, das Publikum tobt. Fast schon Tumulte und Diskussionen, am Rande auch ein kurzes Gespräch zwischen dem dänischen Mannschaftskapitän Morten Wieghorst und seinem Trainer Morten Olsen. Dann schnappt sich Wieghorst das Leder… und schiebt den Ball gemächlich weit, weit neben das iranische Tor. Erkennbar absichtlich und sehr zur Freude der 20.000 Zuschauer. Obwohl die Iraner am Ende – übrigens auch durch Elfmeter – mit eins zu null gegen die fairen Dänen gewinnen, machte niemand dem Mannschaftskapitän einen Vorwurf. Im Gegenteil:
In einem offiziellen Schreiben an die FIFA, also dem Weltfußballverband dankt der iranische Verband dem dänische Nationalteam für sein Fair Play-Verhalten. Der US-amerikanische Nachrichtensender CNN kürt das Spiel wegen Wieghorsts Fair Play sogar zum Spiel des Tages, Wieghorst erhält den Fair Play-Preis des Internationalen Olympischen Komitees. Da passt es prima, dass die Dänen ihn im selben Jahr zum Spieler des Jahres wählen. Und dass die Dänen das Spiel gegen den Iran anschließend verlieren und das ausgerechnet noch durch einen ganz normalen Elfmeter, interessiert anschließend erstaunlicherweise niemanden.

Es ist schon merkwürdig: Morten Wieghorst zeigt, dass Fair Play nicht nur eine Phrase ist, sondern dass der faire Umgang miteinander mehr bedeuten kann als ein Sieg. Und so ein Mann ist heute fast vergessen. Auf der anderen Seite gibt es Fußballer, die durch einen miesen Trick, durch absichtlichen Betrug

ein Spiel für sich und ihre Mannschaft entscheiden und sich dann ihr Leben lang dafür feiern lassen. Wenn sie dann noch den lieben Gott für ihre Untat verantwortlich machen, ärgert mich das gewaltig. Sie wissen schon: Diego Maradona mit dem gestohlenen Sieg gegen England bei der Fußballweltmeisterschaft 1986: ein bisschen Maradona, ein bisschen die Hand Gottes, nannte er das. Ist das schon Blasphemie? Keine Ahnung. Auf jeden Fall das Gegenteil von Fair Play. Vor allem weil Maradona dann später schrieb, es wäre so gewesen, „als würde man ein Land schlagen und nicht einfach nur eine Fußballmannschaft“. Rache sei das gewesen, so Maradona, für den verlorenen Falklandkrieg Argentiniens gegen das Vereinigte Königreich. Eine fußballerische Niederlage, die die Engländer bis heute mindestens genauso schmerzt wie das Tor, das sie selbst 1966 gegen die deutsche Nationalmannschaft schossen und das ja bekanntlich keins war. Ach ja, weil Frechheit leider siegt, trat die „Hand Gottes“ noch einmal in Aktion: 1990 bewahrte Maradona Argentinien durch ein Handspiel im eigenen Strafraum gegen die Sowjetunion vor einem Rückstand.

Kann man alles machen. Machen manche ja auch. Aber dabei muss man ausblenden, dass man sich und der eigenen Mannschaft, ja sogar der eigenen Nation unberechtigt Vorteile verschafft. Wobei im heutigen Fußballgeschäft ein passendes Synonym für Vorteile wohl das Wort Millionen ist: Millionen Dollar, Millionen Euro oder Millionen was auch immer ist. Und natürlich Millionen von Jugendlichen, denen man vorlebt, das Unrecht in Ordnung ist, so lange es nicht einen selbst trifft, sondern die anderen. Sich aufgrund einer Unrechtstat ohne Reue auch noch als Vorbild feiern lassen – da bekommt das Ganze noch einmal eine andere Dimension.
Es ist nicht meine Aufgabe zu richten. Aber es gibt Gründe, durch die ich mir eine persönliche Meinung bilde. Und die darf ich auch benennen. In diesem Fall: Menschen wie Morten Wieghorst sind mir eindeutig lieber. Auch mal auf einen Vorteil verzichten und lieber dem Fair Play-Gedanken treu bleiben – das steht für mich an erster Stelle. Und zwar nicht nur im Fußball, sondern überall da, wo sich Menschen begegnen.

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