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15. Januar, Helene Lange – Kampf um Gleichberechtigung

Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – der Wahlspruch der Französischen Revolution hat Geschichte geschrieben. Das ist mittlerweile allerdings schon einige Jährchen her. Selbst vom aktuellen Homeschooling oder Distanzunterricht gequälte Schülerinnen und Schüler können aber die Zahlen spielend herunterbeten. Oder zumindest sollten sie das können. Vorsichtshalber: Französische Revolution vom 7. Mai 1789 bis zum 9. November 1799 – wie gesagt: schon eine ganze Weile her. Ein Gesellschaftsprogramm, dessen Ziel vor allem eine Gleichheit der Stände war, das aber viel, viel weiter reicht. Ein Motto großartig klingt. Aber das, wenn man es zu Ende denkt, bis heute noch nicht vollständig umgesetzt ist. Denn noch immer gibt es Zeitgenossen, die Menschen mit einer anderen Hautfarbe als ihrer eigenen für weniger wertvoll halten. Wir müssen jetzt nicht auf die USA schielen, brauchen nicht nach Beispielen dort zu googlen. Bei uns gilt ausdrücklich: Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft und seiner Religion benachteiligt werden. Das ist Artikel drei unserer Verfassung. Und die gilt für alle, die in unserem Land leben. Wenn man so will, dann findet sich in diesem Grundgesetzartikel nicht nur die Magna Charta der Menschenrechte wieder, sondern auch das Ideal von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Und damit also auch der Schlachtruf der Französischen Revolution.

Szenenwechsel! Kennen Sie den Namen Helene Lange? Briefmarkensammler wissen natürlich sofort: Am 15. Januar 1974 verausgabte, wie das so schön im Amtsdeutsch heißt, die damalige Deutsche Bundespost einen Satz mit vier Briefmarken. Eine davon zu Ehren von Helene Lange. Die anderen Geehrten waren Gertrud Bäumer, Louise Otto-Peters und Rosa Luxemburg. Alle vier waren Frauenrechtlerinnen. Jede hatte ihre eigenen Vorstellungen von der Gleichberechtigung der Frau. Um nicht ein zu großes Fass aufzumachen, soll es an dieser Stelle ausschließlich um Helene Lange gehen – quasi stellvertretend für alle Frauenrechtlerinnen. Zur besseren zeitlichen Einordnung gesagt, sei: Helene Lange wurde 1848 geboren, verstarb 1930.

Jetzt wird es Zeit zu rekapitulieren:
Dass Frauen erstmals zur Wahlurne gehen oder sogar selbst in ein öffentliches Amt gewählt werden konnten, war in Deutschland seit 1919 möglich.
Brachte eine Frau Vermögen mit in die Ehe ein, verfügte der Ehemann darüber. Er war rein rechtlich der Verwalter, er allein bestimmte, was mit dem Geld geschah. Über ihr eigenes Geld bestimmen durften Frauen bei uns erst ab 1958.
Einen Schutz von schwangeren und stillenden Müttern gab es lange Zeit überhaupt nicht. In der ehemaligen DDR wurden erste, kleine Schritt zu einem Mutterschutz 1950 auf den Weg gebracht, in der BRD trat ein entsprechendes Gesetz erst 1952 in Kraft. Kurzfassung: Frauen dürfen jeweils vor und nach der Geburt eines Kindes ein paar Wochen zu Hause bleiben. Das war es im Prinzip. Der Schutz, der Müttern und werdenden Müttern heute zusteht, ist gesetzlich in der derzeitigen Fassung sogar erst seit 2018 Form verbrieft.
Und jetzt bitte festhalten und im Zweifel von Mutter oder Oma bestätigen lassen: Frauen, die in der BRD arbeiten wollten, benötigten dazu die Erlaubnis ihres Ehemannes. Zumindest bis 1977 das Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts diese Form der Bevormundung quasi außer Kraft setzte.

Was das Ganze mit Helene Lange zu tun hat? Die setzte sich – noch einmal: geboren 1848! – vor allem für das Recht von Frauen auf Bildung ein – Bildung für Frauen war nämlich zu Langes Zeiten zumeist Glückssache. Ein Recht darauf existierte für Frauen nicht. Um hier voranzukommen, gründete Helene Lange Mädchenschulen, kämpfte für erweiterte Erwerbsmöglichkeiten der Frau mit dem Ziel, eine ökonomische Unabhängigkeit vom Mann zu erreichen. Wenn Sie wollen, können Sie sich jetzt noch einmal daran erinnern, was Sie eben gelesen haben: dass erst 1977, also bald 40 Jahre nach dem Tod von Helene Lange, eine Frau rein rechtlich ohne Erlaubnis ihres Ehemanns arbeiten durfte…
Ohne Zweifel war Helene Lange eine Kämpferin für die rechtliche Gleichstellung der Frau. Denn davon konnte vor drei, vier oder mehr Generationen überhaupt nicht die Rede sein. Grund genug also, Lange auf einer Briefmarke zu verewigen. Auch wenn Sie zugeben müssen, dass die rechtliche Gleichstellung von Frauen und damit verbunden gleicher Verdienst, gleiche Aufstiegschancen und vieles mehr noch lange nicht erreicht sind.

Und was ist nun das Fazit?
Zum Beispiel

dass es manchmal Jahrhunderte dauert, bis wichtige Erkenntnisse über eine Gesellschaft auch in ihr selbst tatsächlich angekommen sind.
Außerdem dass Fortschritt nicht vom Himmel fällt, sondern dass es immer der Anstrengungen, Beharrlichkeit und Ausdauer von Menschen bedarf, um Veränderungen herbeizuführen. (Friedlich übrigens, wie am Beispiel Helene Lange abzulesen ist. Friedlich und couragiert, üble Nachrede und eventuelle Beschimpfungen und Diffamierungen in Kauf nehmend!)
Und letztlich, dass es nicht falsch ist, sich gelegentlich an die zu erinnern, die, wenn auch vielleicht vor langer Zeit, die Kohlen aus dem Feuer geholt haben, damit wir es in unserer Zeit besser haben. Vielleicht gibt das ja die Kraft, an den Dingen zu arbeiten, die heute noch als problematisch oder falsch erscheinen. Solange bis das Ideal von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit endlich erfüllt ist.

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