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19. Januar, Mit 66 Jahren: Goggomobil…

Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.

9. Januar, Mit 66 Jahren: Goggomobil…

Ruhrgebiet, Mietskasernen, Hinterhöfe – Bilder meiner Kindheit. Und: ein paar ausgediente Kleinstwagen, irgendwann, Mitte der sechziger Jahre. Mittendrin ein Goggomobil. Bilder, die mir wieder einfallen, weil ich beim Blättern in einem Buch über „Kleinwagen der Nachkriegszeit“ feststelle: Heute vor 66 Jahren rollte das erste Goggomobil vom Band. In einem dieser Kleinwagen, ach was, am heutigen SUV-Wahn gemessen Kleinstwagen habe ich einen Teil meiner Kindheit verbracht. Eigentlich durften wir Jungs da nicht ran. Aber weil die Fahrzeuge nicht abgeschlossen waren, spielten wir in ihnen, bis uns die Nachbarn verscheuchten. Jeden Tag, immer wieder. In den ausrangierten Fahrzeugen wurden wir zu Rennfahrern und fuhren imaginäre Rennen. Mir hatte es besonders ein alter DKW angetan. Tief im Sitz versunken musste ich Dreikäsehoch zwischen die Speichen des Lenkrads hindurchgucken. Ein riesig großes Lenkrad, in der Mitte das Emblem von DKW. Toll. Das Goggomobil, das direkt hinter dem DKW stand, hängten wir Jungs in imaginären Rennen immer ab. Immer konnte wir das Goggomobil im Rückspiegel sehen. Wie auch? Schließlich war der ausgemusterte Goggo ja, wie gesagt, hinter „unserem“ DKW geparkt.
Die Hinterhöfe fungierten eine Zeit lang als Schrottplatz. Die Besitzer von DKW, Goggo und einer Isetta waren auf größere Fahrzeuge umgestiegen, auf einen Käfer, einen Ford Taunus – was weiß ich. Die alten Fahrzeuge hatten ausgedient.
Ein Ende hatte der Spuk, als sich die Wohnungsgenossenschaft beschwerte. Eines schöne Tages, als ich aus der Schule nach Hause kam, waren

die Autos verschwunden. Wahrscheinlich auf dem Schrott gelandet. Weg! Wir Jungs fanden das schade!

Vielleicht ist es damals entstanden, dieses Gefühl, wie es wohl sein mag, wenn man plötzlich nicht mehr gebraucht wird. Wie ist das bei Menschen, wenn man jemandem sagt: Andere sind besser, sind leistungsfähiger als du. Du bist nicht mehr up to date, du kannst nicht mehr mithalten. Dass du jahrelang deine Pflicht getan hast, interessiert nicht mehr. Bei den abgestellten Fahrzeugen hat unser kindliches Verhalten Spuren hinterlassen, keine Frage. Und wie ist das bei Menschen?

Mein Großvater hat sich lange so gefühlt. Auf der Zeche nicht mehr zu gebrauchen, Staublunge, krank, ausgemustert. Und dann den lieben langen Tag zu Hause herumsitzen. Dank der alten Autos konnte ich das, mittlerweile etwas älter, gut nachvollziehen. Einer der Gründe, warum ich den alten Mann gerne besucht habe, mit ihm geredet und später manchen Skat gedroschen habe – so lange er lebte. Meinem Opa trauere ich hinterher – so wie den alten Autos auch. Und ich bin froh, dass ich so viel Zeit mit ihnen verbracht habe.

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