Drücken Sie Enter, um das Ergebnis zu sehen oder Esc um abzubrechen.

Völlig ungerecht: Gleicher Lohn für ungleiche Arbeit! Eine ganz besondere Unterrichtsstunde (3. November)

„Du glaubst es nicht, aber ich hatte diesen Distanzunterricht so etwas von satt! Hoffentlich kommen wir nie wieder dahin zurück! Im Moment genieße ich einfach den direkten Kontakt zu meinen Schülerinnen und Schülern. Da kannst du viel eindrucksvoller unterrichten!“
Sagt eine liebe Freundin, eine Pädagogin mit Leib und Seele. Englisch und Religion sind ihre Fächer. Und immer wieder

Hospitation

verwendet sie viel Zeit darauf, ihren Schülerinnen und Schülern anhand eindrucksvoller Beispiele einen größtmöglichen Lernerfolg zu verschaffen. Eine großartige Frau. Bei der ich gelegentlich auch schon mal im Unterricht hospitiert habe. Völlig legal, in Absprache mit den Schulaufsichtsbehörden, weil ich an einer etwas größeren Veröffentlichung über modernen Unterricht arbeite. Was liegt da näher, als bei der eigenen Freundin Beobachtungen anzustellen? Ihr muss ich nicht viel erklären, sie macht sich keine Sorgen, von mir für hinterhältige Zwecke ausspioniert zu werden. Und ich weiß aus eigener Anschauung, welch begnadete Pädagogin meine Freundin ist.

Puzzlen im Unterricht

Genug der Vorbemerkungen! Vor kurzem also sitze ich in ihrem Unterricht, ganz hinten, letzte Reihe. Damit Sie mir folgen können, erinnern Sie sich bitte für einen Augenblick an Ihre eigene Schulzeit: 13jährige Schülerinnen und Schüler, aufgeteilt in sechs Kleingruppen an sechs unterschiedlichen Tischen. Nacheinander bekommt jede Gruppe von meiner Freundin ein Tütchen. Inhalt: ein Puzzle. Kein besonders kompliziertes, zumal es nur aus vielleicht 40, 50 Teilen besteht. Allerdings lässt sich die Pädagogin beim Verteilen der Puzzles viel Zeit. Bleibt hier einen Moment länger stehen, hält dort ein kleines Pläuschchen. Während die einen schon lospuzzeln, warten die anderen mit steigernder Ungeduld, dass sie endlich auch ihr Tütchen erhalten. Unmittelbar nachdem endlich auch die letzte Gruppe ihr Puzzle bekommt, ist die erste schon fertig. Jetzt wird die Pädagogin auf einmal sehr flott. Ihr Signal: „Sofort Stopp! Niemand darf weiterpuzzlen!“

Die Auswertung

Der nachfolgende Vergleich ist offensichtlich: Je mehr Teile eine Gruppe angelegt hat, je mehr sie sich dem vollwertigen Bild genähert hat, desto mehr hat sie geleistet. Für alle Schülerinnen und Schüler gut sichtbar schreibt die Lehrerin die Anzahl der zusammengelegten Teile je Gruppe in eine Tabelle. Viel Zeit lässt sie sich dabei. Zeit, in der die Schülerinnen und Schüler immer unruhiger werden. Gebannt starren sie auf die Tabelle. Und sie ahnen, nein, sie wissen, was kommt. Eine bleierne Spannung liegt in der Luft. Das Tuscheln im Rücken meiner Freundin wird immer intensiver, immer ungehaltener.

And the winner is…

Schließlich ist die Tabelle fertig. Langsam trägt meine Freundin in die letzte Spalte die Platzierungen ein. Die Gruppe, die die wenigsten Teile zusammengepuzzelt hat, kommt auf Platz sechs. And the winner is: Die Gruppe mit den meisten Teilen, die einzige, die das Puzzle komplett zusammengebracht hat, landet auf Platz eins. Als die Pädagogin sich anschickt, Schokoladentaler als Belohnung zu verteilen – den Siegern die meisten, den letzten die wenigsten – bricht die Hölle los. Die Schülerinnen und Schüler gehen auf die Barrikaden.

Völlig ungerecht

Sogar die, die in der Tabelle ganz oben stehen und die meisten Schokoladentaler bekommen sollen, halten das für ungerecht. Die Schülerinnen und Schüler hätten doch unterschiedlich viel Zeit gehabt. Das habe doch nicht an ihnen gelegen, dass die einen mehr, die anderen weniger leisten konnten. Sie, die Lehrerin, habe sich viel zu lange bei den ersten Gruppen aufgehalten. Sie sei schuld, nicht die Schülerinnen und Schüler. Es sei doch kein Wunder, dass die Gruppe, die als erste ihr Tütchen mit den Puzzleteilen bekam, viel mehr Teile zusammengepuzzelt hätten als die, die erst viel später hätten beginnen können. Gerecht sei daher diese Form der

Belohnung ja nun nicht! Und obwohl Belohnungen in Form von Schokoladentalern ja üblicherweise im Unterricht nichts verloren haben, wurde meine Freundin wegen dieser netten Geste plötzlich der Buhmann. (Sorry, aber bevor ich die Sprache vergewaltige und hier gendergerecht von Buhfrau rede, bleibt es beim Buhmann!)

Das biblische Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg

War sie wirklich ungerecht? Oder gar gemein? Je mehr die Schülerinnen und Schüler ihrem Unmut in aller Deutlichkeit Luft machten, je mehr Argumente sie vortrugen, umso mehr strahlte meine Freundin. Diese Stunde war ein voller Erfolg! Nicht, dass sie sich darüber freute, bei ihren Schülerinnen und Schülern Unmut erzeugt zu haben. Ihr ging es um etwas Anderes: Sie wollte das biblische Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg so mit ihren Schülerinnen und Schülern erarbeiten, dass sie es auch verstehen. Sie erinnern sich? Manche Arbeiter hatten den ganzen Tag im Weinberg geschuftet und erhalten anschließend den vereinbarten Lohn. Manche waren nur wenige Stunden dort – und bekommen genau so viel wie die anderen. Ist denn das gerecht?

Genug zum Leben

Nachdem meine Freundin mit ihren Schülerinnen und Schülern den Bibeltext gelesen und ihnen einen Brabbelrunde mit den jeweiligen Nachbarn verordnet hatte, stand für die Lerngruppe fest: Ja, das ist durchaus gerecht. Jeder bekommt genau das, was vorher vereinbart war: Die Viel-Arbeiter bekommen den abgesprochenen Lohn, die anderen erhalten ebenfalls genau das, was vorher vereinbart war.
Was aber viel wichtiger ist, bei der Interpretation des Gleichnisses meistens übersehen wird und auch von meiner Freundin nachgeschoben werden musste: Jeder, der gearbeitet und sich Mühe gegeben hat, bekommt so viel, wie er damals, zur Zeit Jesu im alten Israel, für einen Tag zum Leben braucht. Jeder bekommt also genug für sich und seine Familie, so dass niemand hungern muss.

Gerecht und zufrieden

Dass der Weinbergbesitzer in diesem Gleichnis für Gott steht, haben die Kids natürlich sofort erkannt. Und dass für Gott ein anderes als unser menschliches Leistungsprinzip zählt, auch. Am wichtigsten ist eben, dass am Ende jeder sein Auskommen hat, so fasste eine Schülerin das Ergebnis dieser eindrucksvollen Unterrichtsstunde zusammen.
Mit dem Gongschlag, der die Stunde beendete, drückte meine Freundin jeder Schülerin und jedem Schüler dieselbe Menge an Schokoladentalern in die Hand – völlig unabhängig davon, wie viel Teile sie in ihren Gruppen zum Puzzle zusammengefügt hatten. Die Schülerinnen und Schüler fanden diese biblische Form der Entlohnung völlig in Ordnung.

Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.

Kommentare

Hinterlassen Sie ein Kommentar

Datenschutz
Ich, Klaus Depta (Wohnort: Deutschland), verarbeite zum Betrieb dieser Website personenbezogene Daten nur im technisch unbedingt notwendigen Umfang. Alle Details dazu in meiner Datenschutzerklärung.
Datenschutz
Ich, Klaus Depta (Wohnort: Deutschland), verarbeite zum Betrieb dieser Website personenbezogene Daten nur im technisch unbedingt notwendigen Umfang. Alle Details dazu in meiner Datenschutzerklärung.