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Sophie And The Giants – Shut Up And Dance

In Staines-upon-Thames westlich von London lässt es sich gut leben. Und das schon seit Jahrtausenden. Davon zeugen die vielen Funde menschlicher Überreste aus der Alt- und Jungsteinzeit, die hier gemacht wurden.

Staines-upon-Thames

Und sogar die Römer, die gleich mehrere drei Legionen für die Eroberungen auf die Britischen Inseln entsandten, ließen sich hier nieder. Denn in dieser Gegend konnten sie eine Brücke über die Themse bauen – in damaliger Zeit in strategischer Hinsicht ein außerordentlich wichtiges Bauwerk. Kein Wunder, dass sich mit etlichen Aufs und Abs an der Mündung des Flusses Colne in die Themse eine kleine Stadt entwickelte, deren Entwicklung so großen Aufschwung nahm, dass seit dem 17. Jahrhundert eine eigene Brauerei notwendig wurde.

Ali G. und Umbenennung

Zuletzt machte Staines-upon-Thames vor allem von sich reden, dass in ihr die Heimat der fiktiven Filmfigur Ali G. liege, dem zu Ehren dort Ende des 20. Jahrhunderts sogar eine Statue aufgestellt wurde. Ein Umstand, der nicht allen Bewohnern des Ortes gefiel. Denn viele glaubten, dass die rüde Sprache und das Angebertum der Filmfigur dem Ruf des Ortes schadeten. 2011 beschloss der Stadtrat, an den eigentlich „Staines“ heißenden Ort das Suffix „upon-Thames“ anzuhängen – ganz sicher auch wegen der negativen Konnotation, die Ali G. dem Ort eingebracht hatte.

Ich bin dann mal weg?

Vielleicht noch erwähnenswert, dass wegen der beiden englischen Hauptverkehrsadern M3 und M25 London und der Nähe des Flughafens Heathrow Staines-upon-Thames nicht nur direkt an die englische Metropole, sondern auch an die große weite Welt angeschlossen ist. Oder anders ausgedrückt: Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, dieser Gegend zu entfliehen, die letztlich trotz reizvoller Landschaft und einiger weniger Musiker, Schauspieler, Maler und Komponisten, die allenfalls in England nicht gänzlich unbekannt sind, nicht allzu viel zu bieten hat.

Kleine Sophie und große Musiker

Die aktuell bekannteste Person aus Staines-upon-Thames ist eine gewisse Sophie Louise Scott. Die begann 2015 „aus Spaß an der Freude“ Musik zu machen. Als sie eine Ausbildung beim Music College in Guildford begann, wurde die Sängerin zumeist Instrumentalisten zugeteilt, die weitaus professioneller zu sein schienen als die Frau aus Staines. Deshalb machte der Scherz von „Sophie And The Giants“ die Runde. Diesen Bühnennamen behielt Sophie Louise Scott auch bei, als sie sich mit drei ihrer Collegekommilitonen zu einer echten Band zusammenfand: dem Gitarristen Toby Holmes, dem Bassisten Bailey Stapledon und dem Schlagzeuger Chris Hill. Nach dem erfolgreichen Collegeabschluss zog das Quartett 2017 nach Sheffield und veröffentlichte 2018 die Debüt-Single „Monsters“, der die EP „Adolescence“ folgte.

Rasante Entwicklung

2019 gab Bassist Stapledon seinen Abschied und wurde durch Antonia Pooles ersetzt. Die Besetzung legte gleich gewaltig los, auch, weil sie sich schrittweise vom Indie Rock löste und zum Dance Pop wechselte: Schon im Januar 2019 gab es einen ersten Gig BBC Radio Sheffield. Im März wählte der Videospielehersteller Codemasters die SATG-Single „The Light“ als Trailer für sein damals aktuelles Rennspiel „Grid“, das auch vom Telekommunikationsunternehmen Vodafone für seine Werbung in Deutschland Verwendung fand. Begeistert gefeierte Auftritte bei etlichen Festivals im UK und in Europa sowie ein erster Auftritt beim legendären Glastonbury Festival brachten der Band so viel gute Kritiken ein, dass der nächste Schritt beinahe nur noch Formsache war:

Purple Disco Machine

Der erfolgte in der Collaboration mit dem Dresdner DJ Tino Piontek, besser bekannt als Purple Disco Machine, und dem gemeinsamen Song „Hypnotized“. Das Ergebnis: Platzierungen im oberen Bereich der Charts in ganz Europa, die in Italien zu fünffach Platin und in Frankreich sogar zur Auszeichnung mit einer Diamantenen Schallplatte führten. Eine Zusammenarbeit, die für beide so angenehm und erfolgreich war, dass sie sie 2022 bei „In The Dark“ und 2023 bei „Paradise“ wiederholten.

Klappe halten, Sorgen wegtanzen

Aktuell sind Sophie And The Giants mit „Shut Up And Dance“ unterwegs. Eine Hymne, die den Dancefloor zum Beben bringt. In ihm singt Sophie:

„Halt die Klappe und tanz!
Du sitzt in der Dunkelheit, warum bist du allein?
Warum ertränkst du deinen Kummer im Alkohol?
Ich könnte dein Licht im Nachglühen sein
Nimm diesen Geschmack aus deinem Mund,
nimm den Schmerz, schrei ihn raus.
Mach es, wie ich es liebe:
Verliere dich im Klang, als wäre niemand da.
Leg los. Sei still, tanze, bewege deinen Körper
und lass dein Herz schlagen!“

Raus aus Isolation und Einsamkeit

Shut Up And Dance“ ist weitaus mehr als eine Hymne auf das Tanzen. Gleich zu Beginn greift der Song eine Beobachtung auf: Menschen leiden unter Einsamkeit, tragen allein mit sich Kämpfe aus, die sie möglicherweise nicht gewinnen können. Die Welt werde oft als ein chaotisch wahrgenommen, so Sophie kommentierend zum Song. In seiner Isolation zu verharren und seine Kämpfe und Probleme mit sich allein auszutragen, ist aber ganz sicher kein Schritt, um schwierige Lebensphasen zu überwinden.

Ein gesunder Geist in einem beweglichen Körper

Das Zauberwort heißt „Begegnung“: Sie habe den Song geschrieben, um das Gefühl von Leichtigkeit ins Leben zurückzuholen, so Sophie. Der Gedanke dahinter: Wenn ihr Song Menschen zum Tanzen bringt, dann begegnen sie im Tanz anderen Menschen. Und dabei sei es egal, ob es sich um eine Begegnung mit bekannten Freundinnen und Freunden oder aber um einen Tanz mit unbekannten Fremden handele. Wichtig ist es wohl vor allem, das eigene innere Erstarren zu durchbrechen. Und das gehe am besten, wenn der Körper in Bewegung kommt. Irgendwie eine moderne Form des alten Turnvater-Jahn-Spruchs, nach dem der Geist nur dann gesund sei, wenn er sich in einem gesunden Körper befinde. (Oder wie Jahns Vorlage seitens der alten Römer schon meinte: mens sana in corpore sano!). Eine Aussage, die durchaus auch etwas mit der psychischen Gesundheit eines Menschen zu tun hat.

Tanz befreit

Kein Wunder also, dass „Shut Up And Dance“ euphorische Züge aufweist, bei der Sophie mit ihrer unverwechselbaren Stimme dazu aufruft, den Alltag zu vergessen, sich tanzend von Schmerz und Angst des Alltags frei zu tanzen und dann eben auch entsprechend frei zu fühlen. Was wie die moderne Psycho-Selbst-Therapie des kleinen Mannes aussieht, ist ein weitverbreitetes Rezept: Schon die alten biblischen Propheten tanzten, um die Welt um sich herum zu vergessen und sich auf diese Weise freizumachen, um in dabei in andere, tiefere Sphären vorzudringen. Die alten Propheten hatten die Absicht, in diesen neu entdeckten Sphären Gott zu finden oder zumindest Zeichen und Hinweise von ihm zu entdecken. Eine Vorstellung, die sich in ähnlicher Form in kultischen Tänzen unterschiedlichster Religionen wiederfindet.

Vergessen, um dazuzugewinnen

So auch im Buddhismus, wo das Loslassen als wesentlicher Bestandteil auf dem Weg zur so genannten Erleuchtung gilt. Für Sophie gilt es vor allem, den Alltag mit all seinem Schmerz und seiner Angst zu vergessen. Ein erster Schritt, um die eigene Situation mit einem klareren Kopf zu betrachten und auf diese Weise zu einer neuen Sicht auf die eigenen Probleme und deren Lösung zu gelangen. Die nämlich findet sich oft genug in einer anderen, jenseitigen Welt und im eigenen Inneren. Sophie singt:

„Wenn du dich in der Dunkelheit verloren hast,
finde die Liebe in deinem Herzen.“

Unter dem Müll des Alltags

Gelingt es, den Schutt und Müll des Alltags sprichwörtlich beiseite zu räumen, wird die verschüttete Lebenskraft wieder sichtbar und wirksam: die Liebe, das Band, das Menschen miteinander verbindet und ihnen hilft, ihre Herausforderungen zu bestehen.
Nicht umsonst steht das Wort „Giants“, „Riesen“ als Metapher dafür, wie groß und stark wir uns fühlen können, wenn wir in einer harmonischen Beziehung zu anderen stehen.

Sophie And The Giants – „Shut Up And Dance“

Der bei Radio Salü gesendete Beitrag ist eine Kurzfassung dieses Textes.

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