Fogerty, John – The Old Man Down The Road
Paul McCartney wird in wenigen Tagen 83 Jahre, Ringo Starr ein paar Tage später 85, noch ein paar Tage später Mick Jagger 82 und Stones-Kollege Keith Richards lässt sich bis in den Advent Zeit, um seinen 82. Geburtstag zu feiern. Jemand wie Ex-CCR-Frontmann John Fogerty erscheint dagegen
Konzert mit Kindern zum 80.
wie ein Nesthäkchen: Magere 80 Jahre alt ist der Gitarrist, Sänger und Songschreiber seit Ende Mai. Und feierte seinen Geburtstag ausgiebig. Natürlich mit einem Konzert, bei dem ihn nicht etwa die beiden überlebenden seiner Band Creedence Clearwater Revival begleiteten, sondern zwei seiner Kinder. Ja, so ist das, wenn Rockstars in die Jahre kommen und ihre Kinder bereits älter sind als sie selbst auf dem eigentlichen Höhepunkt ihrer Karriere. Denn nur so am Rande: Zak Starkey, als Schlagzeuger in den Spuren seines Vaters Ringo, wurde vor in den letzten Wochen gleich zweimal von Pete Townshend bei The Who gefeuert. Dieses Mal endgültig, wie es heißt. Der ohnehin taube Townshend habe bei Zaks angeblich uninspiriertem Gehacke einfach nicht mehr hören können, wo im Stück man denn gerade sei.
Kinder der Stars kommen ins Rentenalter
Was für den Zusammenhang mit diesem Text eigentlich egal ist. Denn eher geht es darum zu sagen, dass sich auch schon der Nachwuchs des einen oder anderen Rockstars mit Riesenschritten auf das offizielle Rentenalter zubewegt: Im September wird auch Zak Starkey seinen 60. Geburtstag feiern. Merke also: Die Helden unserer Kindheit sind spätestens dann alt, wenn ihre Kinder ins Rentenalter kommen. Um von David Bowie, Kurt Cobain, Peter Green, George Harrison, Jimi Hendrix, Brian Jones, Janis Joplin, Lemmy Kilmister, John Lennon, Freddie Mercury, Keith Moon, Tina Turner, Charlie Watts, Townes van Zandt und vielen, vielen anderen, die längst verstorben sind, gar nicht zu reden.
Fogerty 2025 wieder auf Tour
Umso erfreulicher ist es ja, wenn sich die „alten Säcke“ – das ist liebevoll gemeint! – noch einmal aufschwingen und live zu erleben sind. So wie eben John Fogerty im Mai in den USA. Und, wenn nichts dazwischenkommt, Ende Juni in Vitoria-Gasteiz im spanischen Baskenland, in Amsterdam, Antwerpen, im Zénith de La Villette in Paris und schließlich in Südengland beim Glastonbury Festival. Wer Zeit hat und noch Karten bekommt, sollte unbedingt hingehen. Es könnte das letzte Mal sein, dass dieser Mann nach Europa kommt.
Knebelvertrag, Bandsplit, Tod des Bruders
Was hat dieser Mann nicht alles durchgemacht! Der frühe Tod seines Bruders Tom, der Probleme damit hatte, dass John ihn längst als Komponist, Ideengeber und Kopf von CCR überflügelt hatte, sich deshalb von der Band verabschiedete und früh starb; die Streitigkeiten mit dem Management, das ihm per Knebelvertrag die Rechte an seinen Songs abnahm und ihn gleichzeitig dazu verpflichtete, immer neue Songs zu liefern; das Zerwürfnis mit Schlagzeuger Doug Clifford und Bassist Stu Cook, die mehr Einfluss auf die Musik von CCR einforderten, was dem Bandsound die Einmaligkeit kostete, in die Beliebigkeit führte und zum Ende des Kapitels CCR führte; die Weigerung Fogertys, bei seinen Konzerten CCR-Material zu spielen, weil er damit zwangsweise auch auf das Konto seiner alten Plattenfirma einzahlte.
Klage wegen Eigenplagiat
Die Streitigkeiten gingen so weit, dass Ex-Manager Saul Zaentz den Rockstar verklagte: Dessen Song „The Old Man Down The Road“ sei ein Plagiat des 1970er Creedence-Titel „Run Through The Jungle“, geschrieben natürlich ebenfalls von John Fogerty. Eine Klage, weil ein Musiker nun einmal seinen ihm eigenen Stil hat oder weil er sich tatsächlich selbst, wenn auch nur annäherungsweise, kopiert? Eine Klage, die überhaupt nur zustande kommt und später in zig Berufungsverhandlungen geht, weil der Musiker nicht mehr die Rechte an seinem alten Song besitzt? Es gibt viele skurrile Ereignisse im Rockbusiness. Das ist eines der skurrilsten! Getoppt wurde das Ganze eigentlich nur noch dadurch, dass Fogerty selbst ein gutes Jahrzehnt in der Versenkung verschwand. Dass bei all den Streitigkeiten auch eine Ehe in die Brüche ging, verwundert da auch nicht mehr. Dass Fogerty in dieser Zeit nur noch 54 Kilogramm wog, qualmte wie ein Schlot und trank, so viel er konnte, erzählt er aus der Rückschau eindringlich in seiner Autobiographie „Fortunate Son“.
Dauerbrenner für Status Quo
Gott-sei-Dank gibt es im Leben immer zwei Seiten. Ohne Fogertys Rechtsstreitigkeiten hätte es das Album „Blue Ridge Rangers“ vermutlich nie gegeben. Das liefert nämlich nur wenige Monate nach dem endgültigen Aus von Creedence Clearwater Revival ein Dutzend Titel, allesamt allein eingespielt von John Fogerty unter Pseudonym und damit außerhalb seiner direkten vertraglichen Verpflichtungen gegenüber Saul Zaentz. Das Soloalbum „John Fogerty“ folgte und lieferte ganz nebenbei einen Dauerbrenner für Status Quo, als die Fogertys Komposition „Rockin‘ All Over The World“ einspielten.
Fogertys selbst auferlegte Zwangspause führte dazu, dass der Mann während der Disco-Äre gar nichts veröffentlichte. Disco sei Scheiße, wird er vielfach zitiert. Nicht auszudenken, wenn der gute alte Swamp Rock plötzlich zu irgendeinem Glitzerkram mutiert wäre.
Ein Schwein namens Zanz
Wie auch immer: 1985 konnte Fogerty endlich seinen Rechtsstreit mit Fantasy Records als Plattenfirma beilegen. Schon im selben Jahr erschien sein Album „Centerfield“. Wegen eines der Songs flammte der alte Streit mit Plattenboss Saul Zaentz aber dann doch noch einmal auf: Im Song „Zanz Kant Danz“ singt Fogerty über einen Straßentänzer, der ein Schwein namens Zanz darauf trainiert hat, seine Zuschauer während seiner Tanzdarbietungen zu bestehlen. Ein Schwein namens Zanz, von dem Fogerty singt, es könne nicht tanzen, aber stehle dein Geld und raube dich aus – diese Aussage mit einer unübersehbaren Nähe zu seiner Person mochte der Plattenboss so nicht stehen lassen und drohte mit Klage.
Erzwungene TIteländerung
Fogerty gab nach, änderte für Nachfolge-Pressungen den Titel in „Vant Kant Danz“ und war sich sicher, dass jetzt erst recht jeder wusste, was er zum Ausdruck bringen wollte. Für die etwas langsamer Denkenden hatte er ja ohnehin noch „Mr. Greed“ auf dasselbe Album gepackt…
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CCR: sieben Studioalben in vier Jahren
Mit John Fogerty als hauptsächlichen Songschreiber veröffentlichten Creedence Clearwater Revival in nur vier Jahren sieben Studioalben – ein unglaublicher Output, der zeigt, dass Fogerty vor Ideen einfach nur so strotzte. Gemessen daran erscheint der selbstverordnete Rückzug vom Musikbusiness zwischen 1976 bis 1985 als ein verlorenes Jahrzehnt, als Katastrophe. Und wirft die Frage auf: Was macht diese schier unerträgliche Menge an Nackenschlägen mit einem so kreativen Menschen? Mit jemandem, dem es 1967 reichte, seine Entlassungspapiere als Armeereservist zu erhalten, radschlagend über den Rasen zu jagen und nur Minuten später seine Gefühle und Empfindungen in ein paar dahingeklimperte Töne und einen Text zu packen: „Left a good job in the city…“ Aus dem Moment heraus entstanden Songs wie „Proud Mary“.
Sirup wird zum Hit
Aber wie geht ein Künstler damit um, wenn ihm der Frust jede künstlerische Regung raubt oder zumindest blockiert? Wie geht einer damit um, der zum Beispiel an seine unbeschwerte Kindheit mit Baumschaukel, Libellen und Schwimmen zurückdenkt, vor seinem geistigen Auge das Etikett seiner Lieblings-Sirupsorte sieht und den idyllischen Ort seiner Kindheit unter dem Namen jenes Sirups, nämlich „Green River“, zu einem Platz werden lässt, zu dem sich jeder Mensch hinträumen kann? Was wäre gewesen, wenn eben nicht…?
Darüber nachzudenken, ergibt wenig Sinnvolles. Spannender und aufschlussreicher ist es, den Blick auf die Songs zu lenken, die erzählen, was tatsächlich ist oder war. Und die viel über die damalige Situation ihres Schöpfers preisgeben.
The Old Man Down The Road
Einer dieser Songs ist der Opener des 1985er Albums „Centerfield“, nämlich „The Old Man Down The Road“. Fogerty singt:
„Er nimmt den Donner vom Berg
und den Blitz vom Himmel.
Er bringt einen starken Mann bettelnd auf die Knie
Und die Mutter eines jungen Mädchens zum Weinen.
Er bringt Stimmen dazu, in Rätseln zu sprechen,
er hat ein Auge schwarz wie Kohle.
Er bellt wie ein Hund und
Wirft einen Schatten über dein Fenster
Du musst dich verstecken.
Verstecken, aufspringe, weglaufen und wieder verstecken.
Du musst springen und rennen.
Der alte Mann ist unter an der Straße.“
Begegnung mit dem Teufel
In „The Old Man Down The Road“ beschreibt Fogerty eine Gestalt, die nicht nur durch ihr Äußeres furchterregend und gefährlich erscheint. Diese Gestalt kann zudem über die Naturgewalten verfügen, kann selbst die Menschen, die als stark und taff gelten, in die Knie zwingen. Diese bedrohliche Figur ist der Teufel, wie er in vielen Bluessongs in ähnlichen Bildern beschrieben wird. Im übertragenen Sinn steht er für die Herausforderungen des Lebens, denen jeder Mensch jederzeit begegnet. Gefährlich wird es, wenn sich der Mensch für das Böse entscheidet – im übertragenen Sinn einen Pakt mit dem Teufel schließt.
Pakt mit dem Teufel
Besonders populär wird die Vorstellung vom Pakt mit dem Teufel durch Goethes Faust: In der Tragödie schließt ein Gelehrter einen Pakt mit dem Teufel. Der Teufel verhilft ihm zu Glück und Erfüllung seiner Wünsche und Sehnsüchte. Als Gegenleistung gehört die Seele des Gelehrten nach seinem Tod dem Teufel. Für immer lebt sie in der Hölle, also unter großem Leid, weiter.
Fogertys Verkauf der Seele
Fogerty sieht in seinem Leben eine Parallele: Um überhaupt Musik machen und erfolgreich werden zu können, musste er sich auf einen Knebelvertrag einlassen, also die Rechte an seiner Musik verkaufen. Damit gab er gewissermaßen seine Seele auf. Für den Erfolg der Jugendjahre zahlte er nun in den jahrelangen rechtlichen Auseinandersetzungen mit dem Fantasy-Label und Saul Zaentz seinen Preis. Fogerty selbst beurteilt das so: Jahrelang sei er in Sauls Kerker an die Streckbank gekettet gewesen. Als er „The Old Man Down The Road“ zum ersten Mal selbst im Radio hörte, sei er glücklich gewesen wie ein kleines Kind. Denn der Song endet mit
„Ha! Nimm das, alter Mann!“
Damit sei der Song für ihn viel mehr als ein Comeback. Es sei der Triumph über das Böse, so der Musiker in Worten, denen man das Leid und die Erleichterung über die Befreiung deutlich anmerkt.
Nie blind den einfachsten Weg gehen
Fogertys Song enthält die eindringliche Botschaft, sich den Herausforderungen des Lebens zu stellen, dabei aber nie den scheinbar leichtesten Weg zu gehen. Als Künstler, aber auch in Schule, Beruf und Arbeit trifft man auf Machtstrukturen. Sich ihnen blind zu unterwerfen, sich an sie zu verkaufen, sich auf die falschen Berater einzulassen, ist nach Fogertys eigenen Erfahrungen keine Option. Viel wichtiger ist es, durch ein ständiges Ringen auch mit sich selbst seine eigene Position und damit seine eigene Identität zu finden. Nur das sichert am Ende die Freiheit, die zu einem Leben führen kann, das als glücklich empfunden wird.
Am Ende wird alles gut
Nachtrag:
Fogerty, dessen erste Ehe in den 1970er Jahre geschieden wurde, lernte in, wie er selbst sagt, einer schwierigen Zeit seines Lebens seine zweite Frau, Julie Kramer, kennen. Beide heirateten 1991.
Zwei Jahre später, 1993, konnte Fogerty einen ersten Schlussstrich unter seine juristischen Auseinandersetzungen ziehen: Der Oberste Gerichtshof der USA, vor dem Fogertys Rechtsstreit als Präzedenzfall verhandelt wurde, kam zu dem Urteil, dass die Plagiatsklage von Saul Zaentz unbegründet sei. Die bei Fogerty aufgelaufenen Anwaltskosten in Höhe von über 1,3 Millionen US-Dollar musste Fogertys Prozessgegner übernehmen.
Lange Jahre, nämlich 30 Jahre später, 2023, dann die endgültige Befreiung aus dem „faustischen Pakt“: Nachdem Concord Music Fogertys Label Fantasy aufgekauft hatte, wurde es dem Musikery möglich, seinen Songkatalog von den neuen Rechteinhabern zurückzukaufen.
John Fogerty – „The Old Man Down The Road“
Der bei Classic Rock Radio gesendete Beitrag ist eine Kurzfassung dieses Textes.
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