Nobelpreiskomitee verkündet: Friedensnobelpreis für Mutter Teresa [1997] 17. Oktober)
„Warum geben Sie den Armen Fisch zu essen? Warum geben Sie ihnen keine Angel, um den Fisch selbst zu fangen?“ Antwort: „Meine Leute können nicht einmal stehen, wenn ich sie aufsammle.“
Dieses Kurzinterview ist von Anjezë Gonxhe Bojaxhiu überliefert. Mit ihrem Geburtsnamen allerdings kann kaum jemand etwas anfangen. Die Gesichter hellen sich meistens auf, wenn man stattdessen den Namen der von ihr gegründeten Ordensgemeinschaft benennt: „Missionarin der Nächstenliebe“. Spätestens dann wissen viele Menschen, dass es sich um Mutter Teresa handelt.
Für die Ärmsten der Armen in Kalkutta
Für die, denen auch das wenig sagt, in Kurzform: Mutter Teresa, eigentlich Anjezë Gonxhe Bojaxhiu, geboren am 26. August 1910 in Mazedonien als Kind katholischer albanischer Eltern, schließt sich mit 26 Jahren dem irischen Loreto-Orden an. Der missioniert vor allem in Indien. Teresa, so der Ordensname, merkt schnell, dass ihr „das Ordenskleid zu eng“ wird, bittet den Papst darum, außerhalb des Ordens wirken zu dürfen. Der entsprich ihrer Bitte. Mutter Teresa, wie sie genannt wird, geht nach Kalkutta, lebt von nun an in den Slumvierteln der Millionenstadt Seite an Seite mit den Ärmsten der Armen. Gemeinsam mit ehemaligen Schülerinnen und anderen Frauen kümmert sie sich um alle, die Hilfe benötigen: Schwerstkranke, Menschen mit schrecklichen Verstümmelungen, stinkenden Wunden und überaus ansteckenden Krankheiten, um Leprakranke und Sterbende.
Katholisch bis auf die Knochen
Katholisch ist sie bis auf die Knochen. Deshalb lehnt sie Abtreibung und Empfängnisverhütung ab, kümmert sich aber rührend um ungewollte Kinder und hilft bei der Vermittlung von Adoptiveltern. Und trotz ihres Katholischseins beachtet sie beim Tod von Moslems und Hindus deren Sterberituale. Denn sie wolle für die Menschen da sein, für nichts Anderes, so betont sie immer wieder.
Die kleine, runzelige alte Frau im weißen Baumwoll-Sari mit den blauen Streifen wird weltweit bekannt. Denn sie erscheint immer wieder in den Medien, ist dort mehr, als ihr persönlich lieb ist. Aber sie weiß auch, dass sie über die Medien die Aufmerksamkeit bekommt, auch den „Zutritt zu den Großen und Mächtigen dieser Welt“. Deshalb schlägt sie Medienanfragen nur selten aus.
Abtreibung als schlimmstes Verbrechen
Am 17. Oktober 1979 gibt das für die Verleihung der Nobelpreise zuständige Komitee in Oslo bekannt: Die Ordensschwester Mutter Teresa soll den Friedensnobelpreis bekommen. Die Verleihung findet am 19. Dezember 1979 statt. Bei der Verleihung des Preises hält sie vor der Weltöffentlichkeit eine Rede, in der sie Abtreibungen als „Zerstörer des Friedens“, als schlimmste Verbrechen der Menschheit geißelt, Frauen, die abtreiben, als Mörderinnen attackiert und Staaten, die Abtreibungen legalisieren, als „die ärmsten Länder“ bezeichnet. Dass sie das Galadiner zu ihren Ehren anlässlich der Preisverleihung ablehnt und sich den Wert in bar auszahlen lässt – die Medien würdigen zwar, dass ihr das Geld für ihre Armen wichtiger als Glamour und Luxusspeisen sind. Aber Mutter Teresas massive Attacken gegen Abtreibungen machen mindestens ebenso große Schlagzeilen.
Nicht ich, Gott tut alles
Die kleine Frau weiß sich selbst von ihrem starken Glauben getragen, macht ihn zu ihrem Lebensmotto: „Nicht ich, Gott tut alles.“ Genau das nutzen
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Papst zu Besuch
Am 3. Februar 1986 – und damit über sechs Jahre nach der Verleihung des Friedensnobelpreises an Mutter Teresa – besucht Papst Johannes Paul II. während einer Indienreise auch die Ordensfrau. Er ist beeindruckt von dieser Frau, die aus ihrem starken Glauben die Energie schöpft, tagtäglich dem sie umgebenden Leid zu begegnen, dieses zu mildern, wo immer es geht. Als Mutter Teresa 1997 stirbt, wird sie im schnellsten Seligsprechungsverfahren der Neuzeit am 19. Oktober 2003 seliggesprochen. Ebenfalls im Rekordtempo erfolgt ihre Heiligsprechung am 4. September 2016 durch Papst Franziskus. Somit gilt Mutter Teresa in der Katholischen Kirche offiziell als Vorbild.
Massive Glaubenszweifel
Erst Tagebuchaufzeichnungen und Briefe von Mutter Teresa, die während des Seligsprechungsverfahrens veröffentlicht werden, machen deutlich, dass sie schon kurz nach Gründung ihrer Ordensgemeinschaft von massiven Glaubenszweifeln geplagt war. Die Frage, warum ein gütiger Gott all das Leid, dem sie in den Slums Kalkuttas täglich begegnete, überhaupt zulassen kann, ließen sie nicht mehr los. Ja, sie ließ Mutter Teresa daran zweifeln, ob es Gott überhaupt gäbe. Der Himmel schaue wie ein leerer Platz aus; der Himmel bedeute ihr nichts mehr – so zwei ihrer härtesten Worte. Angesichts übergroßen Leides an der Existenz Gottes zu zweifeln – warum soll es Heiligen besser gehen als „einfachen Menschen“?
Schon der alte Hiob, eine fiktive Person in einer biblischen Lehrerzählung, hadert angesichts persönlichen Leides mit Gott, stellt ihn zur Rede, attackiert ihn. Aber trotzdem wendet er sich nicht von Gott ab. So wie auch Mutter Teresa trotz all ihrer Zweifel ihrem Lebensmotto treu geblieben ist: „Nicht ich, Gott tut alles.“
Preise, Asteroid, Nationalfeiertag
Der Friedensnobelpreis, dessen Verleihung das Nobelpreiskomitee am 17. November 1997 ankündigte, ist nur einer von vielen Preisen, die die engagierte Ordensfrau erhielt, vielleicht aber der bedeutendste. Dass man 1998 einen Asteroiden nach ihr mit „Madreteresa“ benannte, hätte sie genauso lächeln lassen wie die Tatsache, dass ihr Heimatland Albanien den Tag ihrer Seligsprechung alljährlich als Nationalfeiertag begeht und den einzigen internationalen Flughafen des Landes bei Tirana nach ihr benannt hat.
Wirkung in Deutschland
1983 und 1988 besuchte Mutter Teresa auch die damalige DDR. Aufgrund einer einmaligen Ausnahmegenehmigung der Regierung der ehemaligen DDR durfte sie 1988 in Chemnitz (damals Karl-Marx-Stadt) eine „Zweigstelle“ ihres Ordens ins Leben rufen. Seit 2018 hat sich eine Pfarrei in Chemnitz dem Namen der Ordensgrau gegeben – ein Zeichen dafür, dass Mutter Teresas Wirken bis heute Anerkennung und Nachahmung findet. Anders lässt sich wohl kaum erklären, dass heute rund 5000 Frauen als „Missionarinnen der Nächstenliebe“ in knapp der Hälfte aller Länder der Erde in ihrem Namen den Ärmsten der Armen helfen. Frauen, die nicht in erster Linie an sich denken, sondern an andere.
Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.
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