Ofenbach ft Martine, Norma Jean – Overdrive
Quasi seit dem Sandkasten kennen sich César Laurent de Rummel und Dorian Lauduique. Schon als Sechsjährige machten die beiden gemeinsam Musik. Kein Wunder also, dass sie in ihrem Heimatland Frankreich auch unter ihren bürgerlichen Namen bekannt sind. Bei uns kennt man die beiden vor allem unter ihrem Produzentennamen Ofenbach.
Remixe für Superstars
Als die beiden 20 Jahre alt waren, remixten sie erste Songs. Vor sieben Jahren landeten sie mit „Be Mine“ ihre erste Nummer eins. Bob Sinclair, Hyphen Hyphen, James Bay, Portugal. The Man, Bobby McFerrin, Katy Perry, James Blunt und einige andere Künstler konnten sich bislang über gelungene Remixe und Produktionen der beiden DJs freuen oder gar über Kooperationen mit ihnen.
Norma Jean Martine statt Kim Wilde
Für „Head Shoulders Knees and Toes“ haben sich Ofenbach die US-amerikanische Sängerin Norma Jean Martine ans Mikrofon geholt. Die ist auch als Songwriterin bekannt, hat unter anderem für Ronan Keating und Lena Songs geschrieben. Ihre Zusammenarbeit mit Ofenbach war so harmonisch, dass Ofenbach Norma Jean auch bei ihrer aktuellen Single „Overdrive“ wieder ins Studio baten. Ein Song, der ins Ohr geht. Und der wieder einmal zeigt, wie gut Ofenbach das Handwerk des Remixens beherrschen: Denn das Original stammt aus dem Jahr 1982 und wurde von Kim Wilde unter dem Titel „Cambodia“ in die Charts geführt.
Aus „Cambodia“ wird „Overdrive“
Zugegeben: Allzu viel zu tun hat Norma Jean bei „Overdrive“ nicht. Der Text beschränkt sich auf relativ wenige Worte:
„Ich will die Hitze spüren, ich will die Nacht besitzen.
Ich will den Beat spüren, ich will heute Nacht tanzen.
Ich will mich selbst verlieren, ich will lebendig werden.
Ich will die Liebe spüren, in den Overdrive gehen.“
Das war’s auch schon, wenn man von Wiederholungen absieht. Trotzdem hat der Text mehr zu bieten, als es die wenigen Worte auf den ersten Blick vermuten lassen:
Wenig Worte, trotzdem Tiefe
Im Wesentlichen geht es darum, dem Alltag zu entfliehen: Musik und Tanz sollen in eine Welt voller Lebensfreude und Begeisterung führen, in der die Sorgen des Alltags keine Rolle spielen. Stattdessen gilt es, die Nacht zu besitzen – also ausgerechnet die Tageszeit, die in den meisten Fällen auch symbolisch als die dunkle, die undurchsichtige, unheimliche und auch gefährliche Zeit des Tages gilt. Wer die Nacht in Besitz nehmen kann, der braucht auch vor der Dunkelheit keine Angst zu haben. Im Gegenteil: Der spürt in der Dunkelheit erst recht das Leben. Konkret ist es die Verbindung zum Tanzpartner, mit dem man im selben Rhythmus verschmilzt. Tanz vermittelt also ein bestimmtes Gefühl von Gemeinschaft, ja vielleicht sogar Liebe, zumindest aber Energie und Euphorie.
Emotionale, spirituelle Erfahrung
Dabei geht es um mehr als körperliche Bewegung: Musik führt zu einer tiefen emotionalen Erfahrung. Und zu einer spirituellen Verbindung.
Insofern trägt der Tanz den Menschen durchaus in andere Sphären.
Der Refrain wiederholt dieses Gefühl und betont das Verlangen, die Hitze, den Beat und die Liebe zu spüren, während er auch den spezifischen Wunsch äußert, in den „Overdrive“ zu gehen. Dieser Begriff vermittelt ein Gefühl, über normale Grenzen hinauszugehen, einen erhöhten Zustand von Energie und Euphorie zu erreichen.
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Sinn von Tanz
Genau deshalb sind Musik und Tanz in den großen Weltreligionen oftmals ein Zeichen für eine enge Verbindung zu Gott: Man tanzt zu Ehren Gottes, man verehrt ihn mit lobpreisender Musik: Mirjam, eine Prophetin und Schwester des Mose, tanzt für Gott als Dank, weil er die Israeliten heil durchs Schilfmeer geführt hat, in dem ihre Verfolger mit ihren schweren Streitwagen steckenblieben und so die Verfolgung aufgaben. Sogar König David tanzt, nämlich als er die Bundeslade nach Jerusalem bringt. Dieser geheimnisumwobene Kasten soll die Steintafeln mit den Zehn Geboten enthalten haben, stellt also das Allerheiligste der Israeliten dar, nämlich eine direkte Verbindung zu Gott. Viele religiöse Rituale unterstreichen durch Musik und heiligen Tanz die Gemeinschaft der Anwesenden, ihre Gebete und daher auch deren religiöses Erleben.
Götter und Engel musizieren
In diesem Zusammenhang sind auch die vielen künstlerischen Darstellungen zu verstehen, die Engel und sogar Götter beim Musizieren zeigen. Du ganz nebenbei: Die Last der Welt hinter sich zu lassen und ein Leben zu führen, in dem es keine Sorgen, keine Ungerechtigkeiten und keinerlei Leid gibt, weil die Güte Gottes alles Negative überstrahlt, ist nicht nur der Wunschtraum vieler Menschen, sondern genau das, was die drei monotheistischen Religionen für ein Leben im Paradies, also für ein Leben nach dem Tod, verheißen.
Ablehnung von Musik und Tanz
Gleichermaßen treffen Musik und Tanz in den Religionen auch auf Ablehnung: Eben weil sie emotionalisieren, fürchten manche Kritiker sie als Konkurrenz, die sich vor allem nicht kontrollieren und nicht in die gewünschten Bahnen lenken lässt. Es soll eben neben Gott keinen anderen Gott geben. Vermutlich ist diese Haltung einer der Hauptgründe, warum volkssprachliches Liedgut im Christentum bis zur Reformation ein Schattendasein führte. Ähnlich lässt sich auch das Misstrauen traditioneller kirchlicher Kreise gegenüber populärer Pop- und Rockmusik erklären.
Mit dieser ambivalenten Haltung steht das Christentum nicht allein: Auch in Judentum und Islam gibt es Strömungen, in denen Musik zum Glaubensvollzug unabdingbar dazugehört (vgl. Weltjugendtage, liberales Judentum, Sufismus); genauso gibt es Strömungen, die die Verwendung von Musik und Tanz bei rituellen Handlungen einschließlich gottesdienstlicher Feiern kategorisch ablehnen.
Die Welt hinter sich lassen
Dass Musik und Tanz eine geradezu überwältigende Wirkung haben können, zeigt auch „Overdrive“: Letztlich steckt in ihm die Sehnsucht, alles Körperliche, was Tanzende an die Welt bindet zu vergessen. Wie im religiösen Tanz geht es darum, eine neue, befreite und unbelastete Sphäre zu erreichen, die im Song als „Overdrive“ bezeichnet wird. Mit Religion oder gar Verehrung Gottes hat der Song nichts zu tun. Wohl aber damit, in einen Zustand erhöhter Emotionen zu gelangen und auf diese Weise sich selbst jenseits des Alltags und der alltäglichen Welt (neu) zu entdecken.
Erfahrungswelt jenseits des Alltäglichen
Auffällig ist dabei die Sehnsucht nach einer Erfahrungs- und Erlebenswelt, die im „normalen Alltag“ nicht erreichbar ist, einer Welt, die durch das alltägliche Verhalten sogar verschlossen ist. Inwieweit die Suche nach tiefen, eigenen Emotionen und einem ungekannten Glückserleben wider aller Absicht dennoch religiösen Erfahrungen gleichkommt oder diese zumindest ermöglicht, mag Ansichtssache sein. Unstrittig dürfte sei, dass es sich um ein (Er-) Leben in einer ganz besonders emotionalen Weise handelt. Eben im „Overdrive“.
Ofenbach ft Norma Jean Martine – Overdrive
Der bei Radio Salü gesendete Beitrag ist eine Kurzfassung dieses Textes.
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