Swims, Teddy – Lose Control
Von Prince kennen wir das ja schon lange: Der verwendete zwischen 1993 und 2000 ein Symbol oder aber gleich ein Akronym als neuen Künstlernamen. „TAFKAP“ waren die Anfangsbuchstaben der Aussage „The artist formerly known as Prince“. Wegen Vertragsstreitigkeiten mit seiner ehemaligen Plattenfirma durfte Prince nämlich keinen Songs unter seinem Namen veröffentlichen.
Akronym
Bei Jaten Dimsdale liegt der Fall ähnlich, und doch wieder ganz anders: Der nennt sich nämlich Teddy Swims. Warum Jaten zu Teddy wird, ist schnell erklärt: In seiner Kindheit hatten ihm seine Freunde diesen Spitznamen verpasst. Etwas komplizierter wird es beim Nachnamen: Obwohl sich die Interpretation anbietet, meint der Name eben nicht, dass Teddy durch irgendein Gewässer schwimmt. Stattdessen handelt es sich wie bei „TAFKAP“ um ein Akronym. In diesem Fall entsteht es durch die Anfangsbuchstaben der Aussage „Someone Who Isn‘t Me Sometimes“, auf Deutsch also etwa „Jemand, der manchmal nicht ich selbst bin“.
Streben nach Gesundheit
Dementsprechend hat dieser Künstlername auch nichts mit Vertragsstreitigkeiten zu tun. Wohl aber mit Psychologie. Oder wie Teddy sagt: mit dem Streben nach psychischer Gesundheit. Wie Teddy dieses Ziel erreichen will, erzählt er in den Songs seines Debutalbums. Das heißt bezeichnenderweise „I’ve Tried Everything But Therapy“ – „Ich habe alles ausprobiert außer einer Therapie!“
Lose Control
Daraus stammt auch Teddys Single „Lose Control“.
„Irgendetwas hat mich in letzter Zeit in Beschlag genommen.
Nein, ich erkenne mich selbst nicht wieder.
Es fühlt sich an, als ob sich alle Mauern schließen
und der Teufel an meine Tür klopft.
Es bringt mich um den Verstand!
Wie oft habe ich dir gesagt,
dass ich nicht gut allein sein kann?
Das fordert seinen Tribut.
Ich gebe mein Bestes um durchzuhalten.
Es ist so, als hätte ich mir die Haut von den Knochen gerissen, verstehst du?“
Der Teufel vor der Tür
Wände und wohl auch Türen, die sich schließen, dazu der Teufel, der an die Tür klopft – viel negativer geht es kaum. Und auch nicht ehrlicher. Denn Teddy Swims schreibt über persönliche Erfahrungen: Nach eigenen Angaben haben er und seine Ex-Freundin jede Menge Alkohol und Drogen konsumiert. Als bei Teddy die Einsicht reifte, sein Leben ändern zu müssen, ist seine damalige Freundin noch nicht so weit. Die Folge: Streitigkeiten, eine Beziehung, die langsam toxisch wird und zerbricht. Nicht ohne Folgen. Denn trotz Trennung kommt Teddy von seiner Freundin nicht los. Die Sehnsucht nach ihr bereitet ihm die emotionalen Schmerzen, von denen er in „Lose Control“ singt.
Songwriting-Camp
Kurz nach der Trennung von seiner Freundin nimmt Teddy Swims an einem Songwriting-Camp teil. Dort schreibt er nicht nur „Lose Control“, sondern auch einige weitere Songs. Traurig, verloren und entfremdet, wie er sich fühlt, sind die Songs der Versuch, sein Gefühlschaos in Worte zu fassen. Das hilft ihm, sein Innenleben, sein Seelenleben wieder zu ordnen – zumindest ein Stückweit.
Themen liegen auf der Straße
Für viele Musiker gehören persönliche Probleme zu den Themen, die sie quasi „auf der Straße finden“ und nur aufnehmen müssen. Das allerdings sei gar nicht so einfach, so Teddy: Denn um ein Thema nicht nur einseitig, sondern aus möglichst unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten, schreibe er gelegentlich eine ganze Reihe von Songs darüber. So werde unter Umständen sogar ein winzig kleines Problem in seinem Leben zu einem riesengroßen und vielleicht sogar zur wichtigsten Sache seines Lebens. Statt die negativen Emotionen abzuarbeiten und sich davon zu befreien, setzen sich diese möglicherweise umso fester.
Vermutlich ändert sich diese Situation erst, wenn ein Song erfolgreich ist und der Sänger erfährt, dass er seinem Publikum geholfen hat, also etwas Positives bewirkt.
US-Bible Belt
Teddy wuchs in einem Vorort von Atlanta, US-Bundesstaat Georgia und damit im US-amerikanischen Bible Belt auf. Sein Großvater war Prediger – erzählte also seinen Zuhörern davon, wie sie durch den Glauben an Jesus zu einem zufriedenen Leben gelangen können. Ein überdimensionales Tattoo auf dem Rücken des Sängers, bei dem Jesus Satan in seine Schranken weist, ist folglich kein Zufall, selbst wenn der Musiker heute weniger glücklich mit der Darstellung ist.
Lohnende Liebe
Dennoch scheint Teddy in der Tradition des religiösen Südens zu stehen, wenn er bekennt: Bei „Lose Control“ sei es ihm vor allem darum gegangen, sich selbst zu befreien und zu heilen, sich mit lohnender Liebe zu umgeben und sich selbst das Gefühl zu geben, dass er es verdient habe, geliebt zu werden. Ein Gefühl, das er nicht durch das Einwerfen irgendwelcher Substanzen erlangen wolle.
Problembewältigung
Klingt nach Sonntagspredigt? Eher nicht. Sondern mehr nach der Erkenntnis, dass da jemand seinem Publikum offen und authentisch etwas über seine Probleme und Bewältigungsmechanismen erzählen möchte, indem er darüber singt. Denn vielleicht kann dies ja dem einen oder anderen helfen, besser mit seinen eigenen Problemen klarzukommen.
Reflexion
Was übrigens das Akronym „Swims“, also „Someone Who Isn‘t Me Sometimes“ anbelangt, diene ihm dies zu Erinnerung, dass er mit jedem Schritt seiner vor ihm liegenden Reise weiter wachsen und sich in jemand anderen verwandeln wird. Sagt jemand, der sich selbst immer wieder sagt: „Sei dankbar, dass du hier bist!“
Man darf also gespannt sein, wohin diese Reise für Teddy Swim noch gehen wird.
Der bei Radio Salü gesendete Beitrag ist eine Kurzfassung dieses Textes.
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