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Lebensretter für über 460 Millionen – 100 Jahre Insulin (27. Juli)

Der 27. Juli 1921 gilt in der Geschichte der Medizin als Sternstunde. Exakt heute vor 100 Jahren gelingt dem kanadischen Arzt Frederick Banting der Durchbruch im Kampf gegen Diabetes. Bis dahin verläuft die Zuckerkrankheit, so sagte man damals, normalerweise tödlich. Vereinfacht dargestellt handelt es sich um eine massive Störung der Zuckerverwertung im Körper eines Lebewesens: Weil das körpereigene Insulin fehlt, steigt der Blutzuckerspiegel eines Erkrankten immer weiter an, bis er irgendwann ins Koma fällt. Die einzige Chance, dies zu verhindern, ist das konsequente Hunger, so die damalige Vorstellung. Nur so kann das Koma abgewendet werden. Aber letztlich verhungert der Patienten. Wie gesagt, eine etwas vereinfachte Darstellung.

Frederick Banting, ein Schwein und Hund Susy

Einen völlig neuen Weg suchte in den 1920er Jahren der kanadische Arzt Frederick Banting. Der hatte aufgrund seiner Forschungen die Theorie entwickelt, dass das Injizieren von purem Insulin den Blutzuckerspiegel senken kann – vorausgesetzt, es kam vorher nicht mit Verdauungssäften in Berührung. Banting gelingt es 1921, das benötigte Insulin aus der Bauchspeicheldrüse eines Schweins zu gewinnen. Anschließend kann er daran gehen, seine Theorie in die Praxis umzusetzen. Das „Versuchskaninchen“ ist dabei Hund Susy, der an der Zuckerkrankheit leidet und der, wie damals alle Erkrankten, unweigerlich gestorben wäre. Banting injiziert Susy das Insulin, Susy überlebt – zum Segen für heute etwa 460 Millionen Diabetikern weltweit. Im Folgejahr, also 1922, erfolgt die übliche Veröffentlichung des Forschungsergebnisses. Ein Jahr später erhält Banting im Jahr 1923 den Nobelpreis für Medizin. Und, eine ähnlich hohe Ehre, König George V. schlägt Banting zum Ritter, wenngleich der König auch lange elf Jahre braucht, bis er dem Kanadier endlich diese Ehre zuteilwerden lässt.

Erster Patient

Weitaus schneller geht es mit der Anwendung des von Schweinen gewonnenen Insulins: Kaum macht die Nachricht des erfolgreichen Verfahrens die Runde, meldet sich Familie Ryder mit ihrem fünfjährigen Sohn Theodore. Der wiegt nur noch knappe 13 Kilogramm – viel zu wenig für einen Fünfjährigen. Auch bei ihm schlägt die Insulin-Therapie an. 71 lange Jahre spritzt sich Theodore Ryder Insulin, bis er nach einem langen Leben mit 76 Jahren stirbt.

Typ-2-Diabetes

Seit der erfolgreichen Isolation des Insulins geht die Forschung weiter – und das ist gut so. Denn auch Diabetes schreitet voran. Hatte Banting noch Diabetes als Autoimmunerkrankung untersucht, leiden heute immer mehr Menschen an der so genannten Typ-2-Diabetes: Durch eine jahrelange Überproduktion von Insulin – zum Beispiel durch ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel und Übergewicht – kommt es irgendwann zu einer Insulinresistenz. Die Bauchspeicheldrüse, Produzent des

lebenswichtigen Insulins, ist erschöpft, kann den Insulinbedarf des Körpers nicht mehr decken. Was früher als Altersdiabetes bezeichnet wurde, trifft heutzutage auch immer mehr jüngere Menschen. Unter anderem auch deshalb, weil mittlerweile erbliche Veranlagungen eine wesentliche Rolle spielen.

Künstliches Insulin

Wurde anfangs Insulin von Schweinen und Rindern extrahiert, wäre die heute benötige Menge auf diese Weise kaum zu gewinnen, von der Finanzierung des aufwendigen Verfahrens gar nicht zu reden. Längst stellt die Pharmaindustrie das benötige Insulin gentechnisch her. Dabei pflanzt sie speziellen Pilzen und Bakterien das Insulin-Gen ein mit dem Effekt, dass diese den lebensnotwendigen Stoff in unglaublichen Mengen produzieren. Schöner Nebeneffekt: Schweine- und Rinderinsulin weichen leicht vom Insulin eines Menschen ab. Das gentechnisch gewonnene Insulin, auch Humaninsulin genannt, ist mit dem von der menschlichen Bauchspeicheldrüse hergestellten Insulin identisch.

Nobelpreis, Ärger und schöne Geste

Mit Banting erhält auch der gebürtige Schotte John Macleod den Nobelpreis für Medizin als Mitentdecker des Insulins. Genau dies aber ist umstritten. Zwar hat Macleod wichtige Arbeiten zur Erkrankung und zum Kohlenhydratstoffwechsel geliefert. Mehr an der eigentlichen Entdeckung beteiligt waren aber der damalige Medizinstudent Charles Best und der Biochemiker James Collip, der bei der Gewinnung des Insulins aus der Bauchspeicheldrüse eines Schweins beteiligt war. Banting und Macleod bleiben zwar die geehrten Mediziner. Das Preisgeld aber teilten sie mit Best und Collip.

Vorbild für jeden

Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass es tatsächlich möglich ist, die Welt immer wieder ein kleines bisschen besser zu machen. Die Entdeckung des Insulins vor 100 Jahren oder aktuell bei der Entwicklung von mRNA-Impfstoffen gehören zu den großen Schritten. Entscheidend sind die Menschen, die sich in ihre Ideen verbeißen, auch bei Misserfolgen „am Ball“ bleiben. Und die uns zeigen, dass große Schritte möglich sind. Es geht, wenn wir nur wollen. Es muss ja nicht gleich die Erfindung eines lebensrettenden Medikaments sein. Auch die kleinen Dinge zählen. Und die können wir alle leisten. Jeder an seinem Platz, jeder an seiner Stelle.

Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.

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