Drücken Sie Enter, um das Ergebnis zu sehen oder Esc um abzubrechen.

Eagles – Love Will Keep Us Alive

Es gibt Sätze, die machen einfach Geschichte: Zum Beispiel der von Eagles-Schlagzeuger und -Gründungsmitglied Don Henley: „When Hell Freezes Over“ – Wenn die Hölle zufriert. Ein Satz, der 1980 das endgültige Ende der Eagles besiegeln sollte. Das endgültige Ende? Nicht wirklich. Doch vorher ein Sprung zurück in die 1970er Jahre:

Von „Desperado“ zu „Hotel California“

1976 veröffentlichten die Eagles mit „Hotel California“ einen Meilenstein der Rockgeschichte. Ihre vier vorherigen Alben – „Eagles“, „Desperado“, „On The Border“ und „One Of These Nights“ verkauften sich auch schon zwischen einer und 4 ½ Millionen mal – aber gegen „Hotel California“ war das nichts. Über 32 Millionen mal zahlten Fans allein für dieses Album auf die Konten von Glenn Frey, Don Henley, Randy Meisner, Joe Walsh und Don Felder ein. Darüber hinaus wurde der Song „Hotel California“ zu einem Welthit, vielleicht zu einem, die auch in 100 Jahren noch gespielt werden. Keine andere Band beherrschte den West Coast Sound mit seinem mehrstimmigen Harmoniegesang und wunderschönen Melodien besser als die Eagles.

Streit um die Führungsrolle

Was viele Fans damals nicht wussten: Hinter den Kulissen rumorte es gewaltig. Don Felder war sauer, weil er das von ihm geschriebene „Victim Of Love“ selbst singen wollte, die übrigen Bandmitglieder dies aber ablehnten. Vermutlich das größte Problem aber war die Dauerfehde zwischen Don Henley und Glenn Frey, die sich ständig im Kampf um die Führungsrolle in der Band beharkten.

Im September 1977 zog Randy Meisner nach einer handfesten Auseinandersetzung mit Glenn Frey unmittelbar vor einem Konzert die Reißleine. Der Bassmann träumte ohnehin schon länger davon, mehr bei seiner Familie in Nebraska zu sein. Der bandinterne Zoff ließ das Fass lang zurückgehaltener Sehnsucht und aufgestauten Frustes dann überlaufen.

Timothy B. Schmit statt Randy Meisner

Bei den Aufnahmen für das sechste Studioalbum „The Long Run“ heißt der neue Bassist Timothy B. Schmit – der war bereits 1969 bei Poco Meisners Nachfolger geworden und ein guter Freund Henleys und Freys. (Wobei das enge Miteinander von Poco und den Eagles ohnehin einen eigenen Artikel wert wäre…) Zwar gab es mit dem Titelsong sowie „Heartache Tonight“ noch ordentliche Songs. Allein der Zauber, den Eagles-Stücke bisher ausgemacht hatten, schien dabei sich aufzulösen.

Handfeste Auseinandersetzung

Das aber entsprach genau der Situation innerhalb der Band: Wegen interner Spannungen erwiesen sich schon die Aufnahmen für „The Long Run“ als problematisch. Vor allem die Beziehung zwischen Glenn Frey und Don Felder drohte ständig zu explodieren. Öffentlich wurde die fehlende Bandharmonie am 31. Juli 1980 bei einem Konzert in Kalifornien: Da drohten sich Felder und Frey gegenseitig Prügel an. Als Felder dann Backstage eine von Freys geliebten Westerngitarren an die Wand klatschte, waren die Eagles Geschichte. Noch im selben Jahr sprach Don Henley seinen legendären Satz. Auf die Frage, wann die Eagles wieder zusammenspielen würden, entgegnete der Schlagzeuger: „Wenn die Hölle zufriert.“

Unschlagbare Metapher: Wenn die Hölle zufriert…

Eine unschlagbar eingängige Metapher. Denn jeder, egal, ob religiös oder nicht, weiß, dass die Hölle als Ort unvorstellbarer ewiger Glut. Zufrieren wird sie nie. 2020, anlässlich Don Henleys 73. Geburtstag, weist eine Publikation der jüdischen Medienorganisation „Forward“ darauf hin, dass biblische Bezüge im gesamten Werk der Eagles zu finden sind, sogar bis hin zum Bandnamen.

Sich gegenseitig die Hölle auf Erden bereiten?

Spätestens jetzt lässt sich Henleys Zitat durchaus auch religiös, wenn auch weiterhin bildhaft, interpretieren: Die Hölle als feuriger Wohnsitz des Teufels gilt als Ursprung allen Bösen in der Welt. Würde sich also die Hölle quasi in ihr Gegenteil verkehren, also vom Glutofen zur Eiswüste werden, wäre die Keimzelle für Leid, Ungerechtigkeit, Unterdrückung und vieles Negative mehr verschwunden. Das Ergebnis bleibt natürlich dasselbe wie bei einer nicht-religiösen Interpretation: unvorstellbar! Fernab jeglicher Realität.

Solo-Erfolge

Nach dem Split gehen die einzelnen Bandmitglieder Soloprojekten nach – die einen erfolgreicher: Glenn Frey veröffentlicht eine Handvoll Soloalben. 1984 gelingt ihm mit „The Heat Is On“, das im Soundtrack von „Beverly Hills Cop“ Verwendung findet, ein Superhit.
Im selben Jahr kann auch Don Henley jubeln: Sein zweites Soloalbum „Building the Perfect Beast“ entfernt sich mit Synthesizerklängen etwas vom Eagels-Sound, enthält aber mit „The Boys Of Summer“ ebenfalls einen Hit. Weitere Alben folgen.
Joe Walsh veröffentlichte mehr als ein Dutzend erfolgreiche Soloalben, ist darüber hinaus durch Tourneen mit Ringo Starrs All-Starr-Band weiterhin aktiv. Hervorzuheben ist seine Zusammenarbeit mit Dan Fogelberg und Steve Winwood.
Don Felder veröffentlichte seit 1983 („Airborne“) mehrere Soloalben, beteiligte sich an Soundtracks für Filme („Heavy Metal“) und Zeichentrickserien („Galaxy High School“) und veröffentlichte 2008 sein autobiographisches Buch „Heaven and Hell: My Life in the Eagles (1974–2001)“.

Malibu Men’s Choir

Das war’s! Wobei nicht nur Eagles-Fans wissen: Das war es eben doch nicht. Denn aufgrund der deutlichen Aussage Henleys bricht Don Felder zu neuen Ufern auf: Unter dem Arbeitstitel „Malibu Men’s Choir“ bringt er Schlagzeuger Jim Capaldi (Ex-Traffic), Paul Carrack (Ex-Mike And The Mechanics), Max Carl (Ex-38 Special; Grand Funk Railroad) sowie den Produzenten und Komponisten Pete Vale zusammen. Gemeinsam schreiben sie „Love Will Keep Us Alive“. Als sich dann die Idee vom Malibu Men’s Choir“ überraschend in Luft auflöst, hat Felder immerhin einen neuen Song in der Tasche.

Und dann friert die Hölle zu…

Und genau da passiert das Unvorstellbare: Die Hölle friert zwar nicht zu. Aber im Februar 1994 stehen die wiedervereinigten Eagles in der Besetzung, in der sie sich 1980 getrennt hatten, für die gute Sache auf der Bühne: Das Walden Woods Projekt ist eine Organisation, die versucht, Naturschutz, Bildung und Forschung unter einen Hut zu bringen. Zu diesem Zeitpunkt liegt bereits eine Anfrage des (damaligen) Musiksenders MTV vor. Im April 1994 stehen die wiedervereinigten Eagles in den Warner Bros. Studios in Burbank, Kalifornien, wieder auf der Bühne. Sie hätten sich nie getrennt, sondern lediglich eine lange Auszeit genommen, erklärt Glenn Frey den Konzertbesuchern augenzwinkernd. Dass elf Liveaufnahmen von diesem Konzert sowie vier weitere Studiotracks am 8. November 1994 unter dem selbstironischen Albumtitel „Hell Freezes Over“ erscheinen, wundert da vermutlich niemanden mehr.

Album „Hell Freezes Over“

Auf dem Album sind die großen, alten Eagles-Songs enthalten, zum Teil in deutlich neuem Gewand, also „Tequila Sunrise“, „Take It Easy“, „Life In The Fast Lane“, „Desperado“ und natürlich „Hotel California“. Wie groß trotz mehrerer Proben die Nervosität nach 14 Jahren Bühnenabstinenz ist, wird auch daran deutlich, dass Don Henley einen Teil des Textes von „Learn To Be Still“ schlichtweg vergisst. Und so wird „Hell Freezes Over“ zu einem großartigen Album – auf dem natürlich auch Don Felders „Love Will Keep Us Alive“ nicht fehlen darf.

Love Will Keep Us Alive

In diesem Song heißt es:

„Ich stand da ganz allein gegen die Welt da draußen.
Du hast nach einem Ort gesucht, um dich zu verstecken.
Verloren und einsam.
Jetzt hast du mir den Willen zum Überleben gegeben.
Wenn wir hungrig sind, wird uns die Liebe am Leben halten.
Mach dir keine Sorgen.
Manchmal muss man einfach loslassen.“

Liebe als Lebenselixier

Angesichts einer feindlich empfundenen Welt nach Liebe, Geborgenheit und einem Platz voller Sicherheit suchen – dieses Lebensgefühl aus „Love Will Keep Us Alive“ teilen viele Menschen. Schon der Refrain nimmt die Antwort vorher, wie man diesen Ort erreicht:

„Die Liebe wird uns am Leben halten!“

Liebe ist es, die das ganz normale biologische Leben zu einem glücklichen Leben werden lässt, so die klare Aussageabsicht dieser Zeilen. Liebe ist also viel mehr als ein romantisches Gefühl. Liebe ist eine lebensspendende Kraft. Abgesehen davon, dass sich die richtigen Partner für dieses Vorhaben finden müssen, gibt es nur eine einzige Voraussetzung:

Voraussetzung: Hungrig bleiben

„Wenn wir hungrig sind“,

heißt es im Song. Dass es nicht um Hunger als rein körperliches Phänomen geht, leuchtet schnell ein. Stattdessen geht es um die Sehnsucht nach einem Gegenüber, bei dem man sein darf, wie man ist; bei dem kein Verstellen, keine Rolle notwendig ist; jemandem, dem man bedingungslos vertrauen kann. Oder um es einmal ganz platt zu formulieren: Wo nicht nur der Topf das passende Deckelchen findet, sondern wo der eine zum passenden Deckelchen für den jeweils anderen Topf wird.

Besondere Verbundenheit

Diese tiefe Einheit und Verbundenheit, die weit über das Körperliche hinausgeht, beschreibt schon die Bibel mit einem ungewöhnlichen Wort:

„Mann und Frau werden ein Fleisch sein“, (Genesis 2,24)

heißt es schon beim Alten Moses. Dass die Bibel vor rund 3.000 Jahren, als dieser Text entstand, diese Aussage ausschließlich für die Ehe zwischen Mann und Frau trifft, ist den Glaubensvorstellungen der damaligen Zeit geschuldet. Dass diese heute von manch einem anders gedacht werden, schmälert die Bedeutung der biblischen Aussage nicht. Vielleicht eher im Gegenteil: Auch zwischen Menschen desselben Geschlechts existiert bedingungslose Verbundenheit, die über das Körperliche weit hinausgehen kann.

Liebe verändert die Welt

Wer sich bedingungslos und vollständig angenommen weiß, kann über sich hinauswachsen. Auch hier verwendet „Love Will Keep Us Alive“ wunderschöne sprachliche Bilder, die gleichzeitig sogar sehr realistisch sind: Denn

„Dann verändert sich die Welt direkt vor deinen Augen.
Jetzt habe ich dich gefunden.
Es gibt keine Leere mehr in mir.“

Und weil jeder für den anderen eintritt und seine Liebe schenkt, ist er auch bereit zu geben.

Nehmen und vor allem geben

Oder wie es in „Love Will Keep Us Alive“ heißt:

„Ich würde für dich sterben,
den höchsten Berg besteigen,
Baby, es gibt nichts, was ich nicht für dich tun würde.“

Die eigenen Grenzen überwinden, über den eigenen Schatten springen – unsere Sprache hat viele Formulierungen, die die Aufopferung eines Menschen für einen anderen beschreibt. „Einfach füreinander da sein, in guten wie in schlechten Zeiten“ – das lässt Kräfte freiwerden, mit denen es leichter fällt, die Stolpersteine des Lebens schadlos zu überstehen. Schließlich macht Liebe Dinge möglich, die man normalerweise für unmöglich hält.

Eigene Begrenztheit überwinden

Das gilt übrigens auch für die Vorstellung einer gefrierenden Hölle: Wann immer Menschen füreinander da sind, sich Liebe, Geborgenheit und Zuneigung schenken, wird die Welt ein kleines bisschen besser und lebenswerter. Und die Hölle verliert ein bisschen von ihrer Macht. Zumindest wäre das ein schöner Wunsch für die Weihnachtstage.

Eagles – „Love Will Keep Us Alive“

Der bei Classic Rock Radio gesendete Beitrag ist eine Kurzfassung dieses Textes.

HeavenOnAir verweist auf eigene Inhalte, bietet weiterführende Links und nutzt Affiliate-Links zu Amazon. Mit diesen Links kann HeavenOnAir eine kleine Provision für qualifizierte Käufe verdienen, was zur Unterstützung der Seite beiträgt, ohne dass für Sie zusätzliche Kosten entstehen.

Kommentare

Hinterlassen Sie ein Kommentar

Datenschutz
Ich, Klaus Depta (Wohnort: Deutschland), verarbeite zum Betrieb dieser Website personenbezogene Daten nur im technisch unbedingt notwendigen Umfang. Alle Details dazu in meiner Datenschutzerklärung.
Datenschutz
Ich, Klaus Depta (Wohnort: Deutschland), verarbeite zum Betrieb dieser Website personenbezogene Daten nur im technisch unbedingt notwendigen Umfang. Alle Details dazu in meiner Datenschutzerklärung.