Drücken Sie Enter, um das Ergebnis zu sehen oder Esc um abzubrechen.

Metallica – Fade To Black

Zugegeben: Das kommt alles andere als gut. Wenn nämlich Eltern ihre Kinder tot in der Garage finden, der Motor des Familienfahrzeugs noch läuft, sofort klar ist, dass sich der einst hoffnungsvolle Nachwuchs das Leben genommen hat… und dabei läuft der Song einer Band in Dauerschleife. So oder ähnlich geschehen mit „Fade To Black“, einer Power-Ballade von Metallica.

Selbstmordgedanken

Eindeutig ein Text über einen Mann, der Selbstmord begeht. Anders lassen sich die folgenden Textzeilen kaum interpretieren:

„Das Leben, so scheint es, schwindet dahin,
driftet jeden Tag weiter ab.
Ich habe mich in mir selbst verloren.
Nichts und niemand ist mehr wichtig.
Ich habe den Willen zu leben verloren.
Das Leben gibt mir nichts mehr.
Das ist nichts mehr für mich.
Ich brauche das Ende, um mich zu befreien.“

Und weiter heißt es:

„Die Dinge sind nicht mehr so, wie sie einmal waren.
Ich kann diese Hölle, die ich fühle, nicht länger ertragen.
Die Leere füllt mich aus bis zum Punkt des endgültigen Untergangs.
Die Dunkelheit wächst, verschluckt die Dämmerung.
Ich war ich, aber das ist jetzt vorbei.
Das Gestern scheint nie existiert zu haben.
Der Tod grüßt mich warm.
Jetzt werde ich einfach auf Wiedersehen sagen.“

Von Bibel bis Hemingway

„Fade To Black“ stammt vom zweiten Metallica-Album „Ride The Lightning“. Damals, 1984, befand sich die Band noch auf der Suche nach einem eigenständigen, auf Dauer tragenden Stil. Dementsprechend bunt scheinen die Themen zu sein: „Creeping Death“ hat biblische Bezüge und handelt vom Auszug der Israeliten aus der Sklaverei in Ägypten; „For Whom The Bell Tolls“ bezieht sich auf den gleichnamigen Roman des US-amerikanischen Schriftstellers Ernest Hemingway, der von 70 Stunden im Leben eines Guerillakämpfers im spanischen Bürgerkrieg erzählt. Und dann ist da eben „Fade To Black“…

Schwierige Produktion

Aus Gründen eines massiven Wechselkursunterschieds zwischen US-Dollar und Dänischer Krone schickte die Plattenfirma Metallica für die Aufnahmen von „Ride The Lightning“ ins dänische Kopenhagen. „Fade To Black“ zeigt die Band an einem emotionalen Tiefpunkt: Weil die Gruppe sich im Haus ihres Managers völlig betrunken und randaliert hatte, hatte der sie kurzerhand vor die Tür gesetzt. Am 14. Januar 1984 stand ein Auftritt in Boston an.

Diebstahl der Tourausrüstung

Doch in der Nacht zuvor stahlen Diebe den Truck mit der kompletten Bandausrüstung. Nicht nur dass in der Kürze der Zeit kein Ersatz mehr zu beschaffen war – bei den Beutestücken handelte es sich auch um das maßgeschneiderte Schlagzeug von Lars Ulrich und um einen besonderen Verstärker von James Hetfield: ein Geschenk seiner Mutter, die starb, als Hetfield gerade einmal 16 Jahre alt war. Also ein Verstärker verbunden mit wichtigen Erinnerungen und damit großem ideellen Wert! Zwangsläufig platzte der Gig in Boston. Und darüber hinaus musste die Band ihre Europatournee verschieben. Kein Wunder also, dass der Leadsänger entsprechend aufgewühlt war. Und diese Stimmung in seinen Song über einen Selbstmörder hineinnimmt.

Untypische Folk-Gitarre

Den düsteren Text unterstreicht die Struktur des Songs: Eine für Metallica eher untypische Folk-Gitarre, ein langsamer, gezogener Metal, dazu ein emotionales Gitarrensolo. Da wundert es kaum noch, dass Eltern die Band für den Selbstmord ihrer Kinder verantwortlich machten. Hetfield beschwichtigt: Eltern versuchen immer, andere für ihre Fehler verantwortlich zu machen. Und die Band habe Hunderte von Briefen mit gegenteiligem Inhalt bekommen: „Fade To Black“ habe ihr Leben gerettet und ihnen neue Hoffnung gegeben, so etliche Absender. Das allerdings sei eine Information, die zu schön und vor allem zu langweilig gewesen sei, um von den Medien aufgenommen zu werden, so der Leadsänger sinngemäß.

Wie lebenswert ist das eigene Leben?

Was bleibt, ist das Thema des Songs, nämlich die Frage, ob das eigene Leben lebenswert ist. Nie habe er selbst an Selbstmord gedacht, so Hetfield. Aber die Ereignisse jener Zeit habe er dazu genutzt, um in die Rolle eines Selbstmörders zu schlüpfen und aus dessen Perspektive über das Leben zu reflektieren. Quasi als Warnung für jedermann. Denn treffen kann es jeden und jederzeit, dass er sich hilflos und von irgendwelchen Ereignissen geradezu überrollt fühlt; dass er die Dinge, die auf sein Leben einprasseln, nicht mehr kontrollieren kann. Natürlich könne man sich dann seinen Gefühlen hingeben und in den Abgrund reißen lassen, so Hetfield. Aber jeder kann sich auch darum bemühen, die Kurve zu bekommen, umzukehren und zumindest schrittweise die Kontrolle über sein Leben zurückzuerlangen. In Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit muss niemand verharren.

Religiöse Erziehung

Songs wie „Creeping Death“ zeigen, dass sich James Hetfield gut in der Bibel auskennt. Er wuchs in einem streng religiösen Elternhaus auf, da seine Mutter Cynthia, eine Opernsängerin, und sein Vater Virgil, ein Trucker, Mitglieder der Christian Science waren, einer sehr frommen, dem Christentum entstammenden Gruppierung. Diese Splittergruppe sieht ausschließlich die Liebe Gottes als heilende Kraft. Dementsprechend kommt auch bei Krankheiten alle Heilung ausschließlich von Gott, woraus eine Ablehnung der Schulmedizin erfolgt, wenngleich die Gemeinschaft es ihren Mitgliedern offiziell freistellt, sich medizinisch behandeln zu lassen. Hetfields Eltern, die beide an Krebs erkrankten, verweigerten aufgrund ihrer religiösen Überzeugung jede medizinische Hilfe und starben an ihren Krebserkrankungen, was den Musiker später dazu veranlasste, sowohl Songs gegen den Krebs („Until It Sleeps“) wie auch gegen Sektenprediger („The God That Failed“ und vor allem „Leper Messiah“) zu schreiben.

Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott

„Fade To Black“ soll als Warnung davor dienen, was passieren kann, wenn man sich nicht genügend oder nicht mehr darum bemüht, selbst die Kontrolle über sein Leben zu behalten oder wiederzuerlangen. Der Glaube an einen liebenden Gott kann dabei der notwendige Halt sein, auch wenn Hetfield dies in „Fade To Black“ nicht direkt anspricht. Trotzdem ist bereits der Songtitel vielsagend: Er erinnert an Wildwestfilme, in denen sich am Ende der Himmel verändert, bis er dunkler und dunkler und am Ende schwarz wird… während der Held, also der Sieger in den Sonnenuntergang hineinreitet.

Der Durchbruch

Die Bandbiographie von Metallica zeigt, wie richtig die Aussagen von „Fade To Black“ sind: Das in einer extrem schwierigen Situation aufgenommene Album „Ride The Lightning“ wurde zu einem Meilenstein des Metal und ermöglichte es der Band, sich eine neue, weitaus bessere Ausrüstung zu kaufen, als sie vorher besessen hatte. Lediglich der Verstärker mit Hetfields Erinnerungen an seine Mutter blieb unersetzbar.

Aus dem Album „Ride The Lightning“, Metalica und „Fade To Black“.

Der bei Classic Rock Radio gesendete Beitrag ist eine Kurzfassung dieses Textes.

Kommentare

Hinterlassen Sie ein Kommentar