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Bush, Kate – Running Up That Hill

Das hätte wohl jeder gern: Zu Hause auf dem heimischen Sofa sitzen und dann die Nachricht bekommen, dass soeben satte zwei Milliönchen dem eigenen Konto gutgeschrieben wurden. Kein „Bankirrtum zu deinen Gunsten“, sondern ganz regulär. Passiert ist das in ähnlicher Form im Sommer 2022 der Sängerin Kate Bush. Die hatte 1985 mit „Running Up That Hill“ einen starken Hit, auch später noch ein paar weitere richtig gute Songs. Aber da Kate nie so wirklich massenkompatibel war, verschwand sie mehr oder weniger vom großen öffentlichen Radar. Leider!

Netflix: Stranger Things

Bis sich die Macher der Netflix-Serie „Stranger Things“ entschließen, in der vierten Staffel der Serie Kate’s „Running Up That Hill“ zum Lieblingslied der Serienfigur Max Mayfield zu machen. (Für alle, die die Serie nicht kennen: Max ist eine junge Frau!) Wieder und immer wieder flüchtet sich Max in diesen Song, der für sie sogar zum Lebensretter wird. Für Autorin und Sängerin Kate Bush zahlt sich der wiederholte Einsatz des Songs aus: Obwohl sie im heimischen Vereinigten Königreich mehrere Hits hatte, gelingt ihr nie der Sprung in die US-amerikanische Top 10 – und dann schafft „Running Up That Hill“ satte 37 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung gleich doch das, was sein Titel eindringlich suggeriert: ganz nach oben auf den Hügel zu kommen. Das bedeutet: Der Song steht für mehrere Wochen an der Spitze der Charts! Wahnsinn. Oder „surreal“, wie Kate das Ganze nannte.

Rechte am eigenen Songkatalog

Als einige von nur sehr wenigen Künstlerinnen hält Kate Bush persönlich die Rechte an ihrem eigenen Songkatalog. Das bedeutet: Abgesehen von ein paar Hunderttausend für diejenigen, die in den 1980ern an der Produktion der Uralt-Nummer beteiligt waren, dürften rund 80% der Einnahmen bei Kate verbleiben. Zuzüglich all der Tantiemen, die auch nach dem Sommer 2022 noch durch die Netflix-Serie fällig wurden und immer noch werden. Dafür gäbe manch einer eine ganze Menge…

Running Up That Hill

Was eine charmante Überleitung zum Songtext und seinem Inhalt ist. Denn auch darin geht es darum, etwas zu geben und dafür etwas anderes einzutauschen:

„Es verletzt mich nicht.
Willst du fühlen, wie es sich anfühlt?
Willst du von dem Deal hören, den ich mache?
Du, es geht um dich und mich.
Wenn ich nur könnte,
würde ich einen Deal mit Gott machen:
Ich würde ihn dazu bringen, unsere Plätze zu tauschen.
Ich renne die Straße entlang, den Hügel hinauf,
das Gebäude hoch.
Schau mal, wie tief die Kugel liegt.
Oh, da ist Donner in unseren Herzen.
Gibt es so viel Hass für die, die wir lieben?
Nur du und ich: Wir werden nicht unglücklich sein!“

A deal with God

Weil es inhaltlich um einen Handel mit Gott geht, sollte der Song ursprünglich „A Deal With God“ heißen. Aber die Plattenfirma – wir schreiben schließlich das Jahr 1985 – zickte: Die allgewaltigen Plattenbosse waren einträchtig der Meinung, dass ein Song mit Gott im Titel in vielen Ländern erst gar nicht gespielt würde. Ohne air play aber keine Verkäufe. Also ließ sich Kate Bush widerwillig darauf ein, den Titel in „Running Up That Hill“ umzubenennen. Den ursprünglichen Titel „A Deal With God“ machte sie kurzerhand zum Untertitel. Ein gelungener Kompromiss, der Kate zudem gute Karten in die Hand gab: Denn im Gegenzug konnte Kate durchsetzen, dass nicht, wie von der Plattenfirma gewünscht, „Cloudbusting“ als Single auf den Markt kam, sondern eben „Running Up That Hill“.

Goethes Faust: Pakt mit dem Teufel

Aus der Literatur ist ein Pakt, ein Deal mit einer höheren Macht mehr als einmal belegt. In seinem Drama „Faust“ von Johann Wolfgang von Goethe ist das der Ausgangspunkt für den gesamten Text Allerdings ist es bei Goethe der Teufel, dem Faust seine Seele überschreibt. Die Gegenleistung des Teufels: Er gibt dem Leben von Faust endlich einen Sinn. Eine Idee übrigens, die Goethe selbst in der Literatur aufgegabelt hat. Denn die Idee zum Pakt mit dem Teufel findet sich schon rund 200 vorher in der Literatur.

Leid auf sich nehmen

„Running Up That Hill“ stellt diesen Pakt quasi auf den Kopf: Nicht mit dem Teufel, sondern mit Gott will Kate Bush einen Pakt schließen. Und auch der Einsatz ist ein anderer: Gerne würde sie die Rolle eines anderen Menschen einnehmen, eines Menschen, der, warum auch immer, leidet. So fleht sie zu Gott, dass sie mit dem Leidenden die Plätze tauschen zu könne, bittet inständig darum, das Leid, die Schmerzen und Not des anderen Menschen auf sich zu nehmen und ihn von seinem Leid zu erlösen. Ein Wunsch den ein Teufel, so wie wir ihn uns immer vorstellen, sicher nicht erfüllen würde. Da muss es dann wohl schon Gott sein, der diesen Wunsch erfüllen kann. Soweit der Inhalt des Textes.

Männer denken wie Frauen und umgekehrt

Der hat allerdings eine zweite Ebene, die es zu erschließen gilt: Für Kate Bush geht es nämlich nicht nur um stellvertretendes Leid, sondern um die unterschiedliche Sichtweise durch Männer und Frauen. Würden Männer und Frauen ihre gesellschaftlichen Positionen und ihre persönlichen Sichtweisen tauschen, würden also quasi Männer wie Frauen denken und umgekehrt, könnte dies dazu führen, dass Missverständnisse zwischen den Geschlechtern verschwinden. Zumindest könnte dieser sehr Wunsch dazu beitragen, dass das Verständnis für den jeweils anderen größer wird. Und das dann wiederum über die Geschlechtergrenzen hinaus.

Permanentes Glaubensbekenntnis

„Running Up That Hill“ lässt zudem vielfältige persönliche Interpretation zu, die von der persönlichen Einstellung seiner Hörerinnen und Hörer abhängen. Lediglich bei „Stranger Things“ und Max Mayfield scheint die Interpretation offensichtlich zu sein: Nur ein Wunder kann Max noch helfen, um die „Hügel ihres Lebens“ zu erklimmen, sprich: ihre persönlichen Probleme zu lösen. Weil die mit menschlichen Mitteln nicht mehr lösbar sind, kann nur noch Gott helfen. Er ist in der Lage, Menschen-Unmögliches zu leisten. An ihn also wendet sich Max mehr oder weniger offensichtlich, wenn „Running Up That Hill“ in der Serie zu hören ist. Auch eine ARt Glaubensbekenntnis! Jemand anderes, auf den sie ihre Hoffnungen setzen könnte, hat Max allerdings auch nicht: Denn von anderen Protagonisten ist Max auf schmerzhafte Weise entfremdet und isoliert. (Jeder Satz mehr wäre ein unzulässiges Spoilern…)

Neuaufnahme mit Meg Myers

Übrigens: 2019 veröffentlichte Meg Myers eine Coverversion des Original-Songs. Der sorgte für einen weiteren Rekord: Er benötigte nämlich sagenhafte 42 Wochen, um sich in den US-Alternative Song-Charts Stückchen für Stückchen immer höher zu schrauben, bis er endlich auf Platz eins landete – länger brauchte eine Nummer eins bis dahin noch nie. Und auch das nur am Rande: Auch für Meg Myers war es die erste Nummer eins ihrer Karriere. Ein Song, der, so Meg Myers, „eine Öffnung unserer Herzen und eine Möglichkeit der Akzeptanz für alle darstellt“.

Trotzdem gefällt uns das Original besser: Kate Bush – Running Up That Hill (A Deal With God)

Der bei Classic Rock Radio gesendete Beitrag ist eine Kurzfassung dieses Textes.

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