Carey, Mariah – All I Want For Christmas Is You
Früher war alles einfacher: Da ging man in den Plattenladen seines Vertrauens, kaufte sich eine LP oder CD, vom Laden aus ging die Anzahl der Verkäufe an den Großhändler und von dort aus an Media-Control weiter… und fertig war die Verkaufshitparade. Wie oft jemand ein- und dieselbe Scheibe zu Hause immer und immer wieder dudelte, interessierte niemanden.
Auch Streaming zählt
Heute ist das anders: Weil immer mehr Menschen Streaming-Plattformen nutzen und dort jeder Aufruf eines Songs gezählt wird, werden schlagartig auch uralte Songs zu Hits, obwohl die im physischen Tonträgerhandel überhaupt nicht verkauft werden. Und so konnte schon Anfang Dezember die Deutsche Presseagentur vermelden: Zum zehnten Mal sei Mariah Carey mit “All I Want For Christmas Is You” auf Platz eins der deutschen Charts gerauscht.
Seit Jahren im Dezember auf Platz eins
Mama und Papa werden sich erinnern: 1994 erschien dieser Song. Und wer gut rechnen kann, weiß längst: Das ist satte 28 Jahre her. Ein 28 Jahre alter Song also auf Platz eins der deutschen Charts? Keine Sorge, das ist keine Ausnahmeerscheinung. Denn das war im letzten Jahr bereits so. Und im vorletzten auch. Jeweils Anfang Dezember auf Platz eins. Das Jahr 2020 macht da eine echte Ausnahme: Da rauschte Mariah Careys Weihnachtssong erst unmittelbar an Weihnachten an die Spitze der Charts. Und nicht schon drei Wochen vorher. Irgendwie tröstlich: In den USA brauchte es ein Vierteiljahrhundert, also bis zum Jahr 2019, ehe “All I Want For Christmas Is You” an den Sonnenplatz des Chartsuniversums gelangte.
Bleibt die Frage: Was ist eigentlich dran an diesem Song?
Als 4. Album ein Weihnachtsalbum?
Um das zu ergründen, ist eine kleine Rückblende notwendig: Erst 1990 erschien mit “Mariah Carey” das Debütalbum der damals 21jährigen Sängerin. “Emotions” und “Music Box” folgten in den nächsten drei Jahren. Als jemand aus dem Management der knapp 25jährigen als viertes Album ein Weihnachtsalbum vorschlug, war das Kopfschütteln groß. Weihnachtsalben? Die macht man doch üblicherweise erst, wenn die Popularität nachlässt. Dann, wenn einem nichts anderes mehr einfällt. Aber doch nicht auf dem Höhepunkt der Karriere. Und erst recht nicht zu einem Zeitpunkt, an dem man noch nicht einmal weiß, ob der Höhepunkt der Karriere überhaupt schon erreicht ist.
Kein neues Weihnachtslied mit Chartspotenzial
Trotzdem ging man beim Management daran, bekannte Weihnachtslieder auszuwählen, denen Mariah Carey ihren eigenen Stempel aufdrücken sollte. Denn bei einem war man sich sicher: Ein nigel-nagel-neues Weihnachtslied zu schreiben, das zudem Chancen auf eine Chartsplatzierung hätte, erschien unmöglich. Irgendwie war alles, was man über Weihnachten singen konnte, bereits x-fach gesungen worden.
Reise zurück in die Kindheit
Wobei das Management die Rechnung ohne den Wirt, in diesem Fall ohne Mariah Carey, gemacht hatte. Um in Weihnachtsstimmung zu kommen, schmückte die ihr Haus schon im Frühjahr weihnachtlich, stellte sogar einen kleinen Weihnachtsbaum auf. Außerdem stellte sie eine Liste auf mit allem, was sie mit Weihnachten in Verbindung brachte. Aber auch wirklich allem! Eine Reise zurück bis in ihre Kindheit, sozusagen.
Arme Familie
Klar war schnell: Das gesuchte Lied sollte nicht nach 1994 klingen, sondern nach den 1960er Jahren. Mit Background-Vocals, die fast schon zur Hauptrolle werden, mit einem Wall-of-Sounds, wie er seit Phil Spector bekannt war. Und während Mariah Carey am Klavier nach einer eingängigen Melodie suchte, ließ sie die einzelnen Punkte ihrer Liste Revue passieren. Dabei ganz wichtig: die Erinnerung an die eigene Familie, in der Geld Mangelware war, so dass es zu Weihnachten mehr als einmal lediglich Obst eingewickelt in Geschenkpapier unter den Weihnachtsbaum schaffte. Dazu die angespannte emotionale Familiensituation, die – so Mariah Carey – die Feiertage regelmäßig ruinierte. Wenn sie, so Mariahs feste Überzeugung, eines Tages für die Ausrichtung des familiären Weihnachtsfestes verantwortlich sei, würde sie alles perfekt machen. Bis hin zu dem tiefen Wunsch an Schnee zum Weihnachtsfest – auch das würde sie irgendwie realisieren.
Nichts von der Liste im Song
Am Ende stand ein Weihnachtslied, dass von all diesen Wünschen… nichts enthielt. Im “All I Want For Christmas Is You” heißt es:
“Ich wünsche mir nicht viel zu Weihnachten.
Es gibt nur eine Sache, die ich brauche.
Ich kümmere mich nicht um die Geschenke unter dem Weihnachtsbaum.
Ich brauche meinen Strumpf nicht an den Kamin zu hängen.
Der Weihnachtsmann wird mich am ersten Weihnachtstag
nicht mit einem Spielzeug glücklich machen.
Ich werde mir nicht einmal Schnee wünschen (und)
ich werde einfach weiter unter dem Mistelzweig warten.
Ich werde keine Liste machen und sie an den Nordpol zum Heiligen Nick schicken.
Ich werde nicht einmal wach bleiben, um die magischen Rentiere klicken zu hören.
Ich möchte nur dich für mich haben! Mehr als du je wissen könntest.
Mach meinen Wunsch wahr: Alles, was ich zu Weihnachten will, bist du!”
Nichts von Geburt Jesu
Kein Wort vom eigentlichen Sinn des Weihnachtsfestes: nichts von Gott, der als Kind in ärmlichsten Verhältnissen in die Welt kommt, mit dem Frieden auf Erden Wirklichkeit werden soll, wenn sich die Menschen an Gottes Angebote zu einem friedlichen Miteinander halten. Nichts von weißer Weihnacht, großen Weihnachtswünschen, großen Geschenken… und großen Enttäuschungen.
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Einen Schritt weiter
Nein, nichts von alledem. Denn in Wirklichkeit geht Mariah Careys Weihnachtslied weit über das alles hinaus. Es vermittelt: Wenn zwei Menschen zueinander gefunden haben, wenn ihre Gefühle und Gedanken umeinander kreisen, wenn sie füreinander da sind – dann ist dieser versprochene Friede bereits Wirklichkeit geworden.
Und was für zwei Menschen untereinander gilt, gilt auch für den Frieden unter den Völkern: Wer dem anderen positiv gegenübertritt, ohne Neid, Hass und Besitzstreben, der trägt entscheidend zum Frieden unter den Völkern bei. Und zeigt denen, die nicht nur an Weihnachten das friedvolle Miteinander ruinieren, die rote Karte! Kurzformel: Wo Menschen ein friedliches Zusammenleben realisieren, da ist Weihnachten. Und das gerne jeden Tag!
Liebe zwischen Menschen nach göttlichem Vorbild
Was nach christlicher Vorstellung kein Wunder ist: Denn danach ist die Liebe Gottes das große Vorbild für die Liebe der Menschen untereinander – auch wenn die Menschen das große Ideal nie ganz erreichen.
Wundert es da wirklich noch, dass Mariah Carey mit ihrem “All I Want For Christmas Is You” zum silbernen Jubiläum des Songs, also 2019, bei Spotify den Status des binnen eines Tages am häufigsten gestreamten Song eines weiblichen Interpreten erreichte und für diesen und ein paar andere Rekorde ins Guinness Buch der Weltrekorde Einzug hielt? Wohl kaum.
Weihnachtliches Studio im Sommer
Bliebe zum Schluss noch nachzutragen: Die Aufnahmen zum Song fanden im August 1994 statt. Um in Weihnachtsstimmung zu kommen, bestand Mariah Carey darauf, das Aufnahmestudio weihnachtlich zu dekorieren: Mit weihnachtlicher Dekoration, mehreren Weihnachtsbäumen und Weihnachtskerzen. Und angeblich ließ Mariah Carey das Studio durch die Klimaanlage auf frostige Weihnachtstemperaturen herunterkühlen.
Nur den ersehnten Schnee konnte sie nicht herbeizaubern. Aber um den an Weihnachten zu genießen, fährt sie mit ihrer Familie Jahr für Jahr in die US-amerikanischen Berge und mietet angeblich sogar ein paar echte Rentiere für eine Schlittentour. Trotz allem war ihr Weihnachtswunsch wohl ernstgemeint: Wenn sich zwei liebende Menschen begegnen, sind alle anderen Wünsche zweitrangig.
In diesem Sinne also dann: frohe, friedliche, gesegnete Weihnachten.
Mariah Carey und “All I Want For Christmas Is You”.
Der bei Radio Salü gesendete Beitrag ist eine Kurzfassung dieses Textes.
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