Bon Jovi – Legendary
„Living On A Prayer“, „Keep The Faith“, „Wanted (Dead Or Alive)“, „It’s My Life“, „Always“, „Have A Nice Day“ und viele, viele mehr – seit ein gewisser John Francis Bongiovi jr. 1983 in New Jersey die Band Bon Jovi gründete,
Jede Menge Alben und Hitsingles
liefert die nicht nur etliche Hitsingles, sondern auch drei Live-Alben, eine Live-EP und mittlerweile 16 Studioalben. Hinzukommen die beiden Soloalben, die der Bandgründer unter seinem Bühnennamen Jon Bon Jovi veröffentlicht, ein – zugegebenermaßen weniger beachtetes – Soloalbum von Keyboarder David Bryan und satte drei Soloalben, die Ex-Gitarrist Richie Sambora herausgegeben hat. Die Bilanz kann sich mehr als nur sehen lassen: Über 120 Millionen verkaufte Tonträger, rund 2.700 Konzerte in über 50 Ländern vor mehr als 34 Millionen Fans, Aufnahme in die britische Music Hall of Fame und die US-amerikanische Rock and Roll Hall of Fame und einige Ehrungen mehr – Bon Jovi gehören zu den erfolgreichsten US-amerikanischen Rockbands aller Zeiten.
Stimmband-OP
Großes Erschrecken also bei den Fans, als bekannt wurde, dass sich Jon Bon Jovi mehrerer aufwändigen Operationen an seinen Stimmbändern unterzogen hatte. Nun gut, bei der wegen Covid von 2020 auf 2022 verschobenen, dann schlicht „Bon Jovi 2022 Tour“ Tournee klang die ohnehin etwas raue Stimme des Sängers gelegentlich deutlich erkenn- bzw. hörbar mehr kratzig als sonst. Aber, hey, das ist Jon Bon Jovi – das sollte man nicht überbewerten. Dass es allerdings so schlimm um die Stimme des sympathischen Frontmanns und Gelegenheitsschauspielers (Moonlight und Valentino, The Leading Man, Little City, Homegrown, Pay It Forward, U-571 und Cry Wolf sowie in TV-Serien wie Sex And The City, Ally McBeal u.a.) stand, war dann doch überraschend. Weniger überraschend war hingegen, dass sich die Band nach Abschluss der Tour erst einmal in den einstweiligen Ruhestand versetzte – Zeit für Jon Bon Jovi, sich besagten Stimmbandoperationen zu unterziehen.
Weihnachtssingle 2023
Erst im Oktober 2023 mehrten sich die Anzeichen für ein Comeback der Band: Gitarrist Phil X ließ verlauten, dass die Band ein neues Album in Angriff nehmen wolle. Und kurze Zeit später, nämlich Mitte November 2023, gab es sogar etwas Hörbares: „Christmas Isn’t Christmas“ war zwar nur eine Single. Aber diese Weihnachtssingle war der erste neue Song seit dem 15. Studioalbum mit dem schlichten Titel „2020“, das zwar erst im Oktober 2020 erschien, aber ursprünglich – Covid! – sogar schon Mitte Mai 2020 erscheinen sollte.
16. Studioalbum: Forever
Passend zum 40jährigen Bandjubiläum veröffentlichen Bon Jovi mit „Forever“ nun endlich ihr 16. Studioalbum. Um das allerdings sofort anzumerken: Ein Album in mehreren Häppchen im Studio aufzunehmen, ist das Eine. Die Songs des Albums bei der üblichen Support-Tour regelmäßig zu performen, also vier Abende die Woche für 2 ½ Stunden zu singen, ist das Andere. Vor allem wolle er niemals der fette Elvis sein, merkte Jon Bon Jovi unlängst an – und hatte dabei den King of Rock ‘n‘ Roll Elvis Presley im Blick, der gegen Ende seiner Karriere nur noch aufgrund der Einnahme diverser Medikamentencocktails auftreten konnte, wobei sein Körper dabei völlig außer Form geriet und „Elvis pelvis“ nur noch ein Spruch aus längst vergangenen Zeiten war. Dann lieber erst einmal weniger Termine und mal sehen, wie die Stimme so mitmacht…
Legendary
Gemessen an all diesen Problemen – die Rückkehr von Richie Sambora wurde heiß diskutiert, schließlich aber nicht vorgenommen – und Sorgen (Covid, Stimme) klingt die erste Single aus „Forever“ vor allem unbeschwert, fast schon fröhlich. Auch wenn der Text von „Legenday“ zuerst einmal ziemlich nachdenklich daherkommt. Jon Bon Jovi singt:
„Wer bist du und wer bin ich, zu glauben,
dass wir jemals fliegen könnten?
Es lohnt sich nicht, es überhaupt auch nur zu versuchen.
Zu arbeiten, bezahlt zu werden und gerade so durchzukommen?
Söhne von Söhnen, Ziegelsteine auf Ziegelsteine?
Was kaputt ist, versucht man nicht zu reparieren.
Hier gibt’s kein Warum und Ob.
Man hebt nicht auf, was man nicht heben kann!“
Erst Frust, dann Hoffnung
Das klingt nach Frust und gewaltiger Resignation – etwas was man von
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„Ich erhebe meine Hände in den Himmel.
Mehr brauche ich nicht, um mir zu sagen, dass ich lebe.
Ich habe, was ich will,
denn ich habe, was ich brauche.
Ich habe eine Handvoll Freunde, die für mich einstehen.
Genau da, wo ich bin, ist, wo ich sein will.“
Rückkehr zur Fröhligkeit
Vielleicht ist „Legendary“ nicht die ganz große neue Rockhymne, die eingefleischte Fans der Band erwartet haben. Aber dass der Song ansteckend fröhlich ist, reicht völlig aus. Das gesamte Album sei eine Rückkehr zur Freude, versichert der Bandleader in einer Pressemitteilung: „Turn up the volume, feel good Bon Jovi“, sei das Gefühl vom Beginn an der Aufnahmesessions gewesen.
In US-Kultur verwurzelt
Gerade für „Legendary“ trifft dies wohl auch inhaltlich zu. So zitiert der Song fröhlich die Stadionhymne „Sweet Caroline“ und erinnert an Van Morrisons „Brown Eyed Girl“, beides längst in der amerikanischen Kultur fest verwurzelte, universelle Symbole für Glück, Gemeinschaft und gelingende Beziehung. Wobei jenseits des Metaphorischen mit dem „Brown Eyed Girl“ ganz real Dorothea Hurley gemeint ist: Seit 1989 ist Jon Bon Jovi mit seiner Highschool-Liebe verheiratet. Unter diesem Aspekt betrachtet wird sogar der Albumtitel „Forever“ ziemlich schnell programmatisch: dass eine Beziehung in ihrem vierten Jahrzehnt nicht nur überhaupt noch besteht, sondern wohl bestens und voller Liebe und Zuneigung mehr als nur funktioniert, hat zudem durchaus das Prädikat „legendary“ verdient.
Du musst nichts Besonderes sein
Noch einmal zurück zur anfangs angesprochenen Skepsis: Indem sie den Alltag und die alltäglichen Kämpfe des Durchschnittsbürgers reflektiert, stellt sie auch die Frage nach der eigenen Identität, nach dem Sinn im Leben. Die weitverbreitete Vorstellung, im Leben in einem traditionellen Sinn unbedingt etwas Besonderes sein oder darstellen zu müssen, wird nicht nur entmystifiziert, sondern auch zurückgewiesen: Harte, – um es pathetisch zu formulieren – ehrliche Arbeit hat ihren eigenen Wert. Eigene Unvollkommenheiten sollte man durchaus akzeptieren. Das Leben ist nun einmal, wie es ist. Deshalb sind Bestrebungen zur Selbstoptimierung und die Versuchungen, unbedingt etwas Besseres zu sein, zwar ganz nett. Aber sie stören die Harmonie des Lebens, zerstören die Möglichkeit, einfach zufrieden zu sein und allein dadurch schon ein glücklicheres Leben zu führen, als wenn man sich immer wieder seine Unvollkommenheit vor Augen führt und verzweifelt darum kämpft, besser und besser zu werden – vor allem besser als andere. Wohl einer der vielen Gründe, warum wir immer nach mehr streben, als wir gerade haben.
Gemeinschaft als Schlüssel zum Glück
Stattdessen hebt der Song darauf ab, die Wichtigkeit von Gemeinschaft, Freundschaft und Liebe zu erkennen und vor allem das Außergewöhnliche im Gewöhnlichen zu finden. Wem das gelingt, der dürfte ein Leben führen, das auf seine eigene Weise durchaus legendär ist. Würde man im Song einen Appell suchen, könnte dieser lauten: Suche dein Glück, wo du bist. Oder um es in Anlehnung an den alten Goethe metaphorisch zu formulieren: „Warum in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah!“ In dir selbst steckt dein Lebensglück – du musst es nur entdecken. Fliegen können werden wir nämlich trotz aller Bemühungen nicht.
Das Einfache im Leben umarmen
Zumindest ist das ein Tenor, wie er sich auch bei vorherigen Kollaborationen von Jon Bon Jovi, Billy Falcon und John Shanks findet, die auch „Legendary“ zusammen geschrieben haben. Wenn man so will, eine unkomplizierte Philosophie die dazu auffordert, nicht seine Besonderheit in Reichtum, Ruhm, Rekorden oder außergewöhnlichen Leistungen zu suchen, sondern stattdessen das Einfache im Leben zu umarmen. Oder weniger pathetisch formuliert: sein Leben mit Leidenschaft und in Integrität zu leben und dieses Leben zusammen mit den Menschen zu gestalten, mit denen man gerne engere Bindungen eingeht, die einem nahestehen und die viele an sich einfache Momente des Lebens zu etwas Besonderem machen. Denn Erfüllung in seinem Leben kann man durchaus in dem finden, was bereits da ist. Man muss sich nur darum bemühen. Allein das ist keine ganz leichte Aufgabe.
Der bei Classic Rock Radio gesendete Beitrag ist eine Kurzfassung dieses Textes.
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