U2 – I Believe In Father Christmas
Rund 450 Songs haben U2 im Verlauf ihrer Karriere veröffentlicht. Etwas mehr als zwei Dutzend davon haben die irischen Rocker von anderen Bands und Interpreten abgekupfert. Dazu gehört auch ein Weihnachtslied: „I Believe In Father Christmas“ stammt ursprünglich von Greg Lake, Bassist der ProgRocker Emerson, Lake & Palmer. Für den Text zeichnete übrigens Peter Sinfield verantwortlich – seines Zeichens Dichter, Songtexter und Sänger.
King Crimsom-Bezug
Und falls nun der eine oder andere Musikexperte auf die Idee kommen sollte zu sagen: „Moment mal, gab es nicht bei King Crimson einen Peter Sinfield?“ Herzlichen Glückwunsch, der Kandidat hat 1000 Punkte. Mindestens! Denn Sinfield lieferte einen Teil der Texte zu den ersten vier King Crimson-Alben. Ansonsten kümmerte sich Sinfield lieber um die Beleuchtung der Bühnenshows, war bei Konzerten nie im Scheinwerferlicht zu sehen, sondern quasi hinter den Scheinwerfern. Aber immerhin: Auf ihn geht der Bandname „King Crimson“ zurück, der – anders als vielfach behauptet – aber KEIN Synonym für den Teufel oder Beelzebub ist!
Kein normaler Weihnachtssong
Zurück zu Greg Lake und „I Believe In Father Christmas“: Das ist nämlich in WIrklichkeit kein Weihnachtssong. Zumindest keiner im Sinne von Kind in der Krippe, Hirten im und Engel über dem Stall und ansonsten Frieden auf Erden allen Menschen, die guten Willens sind. „I Believe In Father Christmas“ ist allenfalls ein „alternativer Weihnachtssong“, der aber schon bei seinem Erscheinen 1975 Wellen schlug: Der Song traf so sehr den Nerv der Zeit, dass er in Großbritannien an Platz zwei der Charts landete – geschlagen nur von „Bohemian Rhapsody“ der Band Queen. Von einem der größten Songs aller Zeiten geschlagen zu werden – das kann man verschmerzen.
Antireligiös?
Nicht verschmerzen konnte je Greg Lake, dass sein Song als „antireligiös“ eingestuft wurde.
„Ich finde es entsetzlich, wenn Leute sagen, es sei politisch inkorrekt, über Weihnachten zu sprechen. Man muss über die Weihnachtszeit sprechen. Weihnachten war eine Zeit der familiären Wärme und Liebe. Es gab ein Gefühl der Vergebung, Akzeptanz. Und ich glaube an den Weihnachtsmann.“
Warum also dann der Stress rund um einen Song? Vielleicht, weil Greg Lake Weihnachten ein bisschen entzaubert, wenn er singt:
„Sie sagten, dass es an Weihnachten Schnee geben wird.
Sie sagten, es wird Frieden auf Erden sein.
Aber stattdessen regnete es einfach weiter.
Ein Schleier aus Tränen für die Jungfrauengeburt.“
Derartige kleine Spitzen dürften dem einen oder anderen frommen Christen übel aufgestoßen sein. Aber es kommt noch deutlicher, wenn es heißt:
„Ich erinnere mich an einen Weihnachtsmorgen –
ein winterliches Licht und ein entfernter Chor,
das Läuten einer Glocke, der Duft des Weihnachtsbaums.
Augen voller Lametta und Feuer.
Sie verkauften mir einen Traum von Weihnachten.
Sie verkauften mir eine stille Nacht.
Sie erzählten mir ein Märchen.“
Kindheitserinnerungen
Denn schnell stellte sich für Greg Lake, der wohl Kindheitserinnerungen zum Leben erweckt, heraus: Weihnachten ist in der Realität oftmals ganz anders als in diesem schönen Traum. Die sogenannte Stille Nacht kann manchmal ganz schön laut sein – Selbstmordstatistiken, die gerade an Weihnachten nach oben schnellen, und handfester Krach in der Familie sprechen eben eine andere Sprache.
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Und genau darum ging es Greg Lake, genau darum ging es Bono und U2, als sie diesen Song aufnahmen:
Wie Weihnachten wird, bestimmen wir selbst
Wie Weihnachten wird, bestimmen letztlich wir selbst. Auch wenn die Zeiten schwieriger geworden sind: Bei den meisten Menschen lagen am Heiligen Abend eine Menge Geschenke unter dem Weihnachtsbaum. Das ist nicht selbstverständlich, das war auch nicht immer so. Es lohnt sich, die eigene Großmutter oder vielleicht sogar Urgroßmutter nach Weihnachten vor 50, 60 Jahren zu befragen. Sehnsüchtig warteten die Menschen damals auf die Bescherung – und sie ahnten, welches Geschenk es geben würde. S-O-S. Das wurde dringend benötigt. Dafür hatte man selbst kaum Geld. S-O-S? Schlips, Oberhemd, Socken. Vor einem halben Jahrhundert ein Luxus, den man sich das Jahr über kaum leisten konnte. Aber auf den man an Weihnachten hoffen durfte.
Fast vergessen: der eigentliche Sinn von Weihnachten
Und heute? Der Sinn von Weihnachten ist vielfach verlorengegangen. Die Geburt Gottes, der zwar nicht die Naturgesetze außer Kraft setzt, der aber mit seinen Geschöpfen mitleidet bis zum Tod – und der dabei doch zehn so einfache Angebote zu einem friedfertigen Miteinander bereithält: Über andere keine Lügen verbreiten, nicht in die Beziehungen anderer einfallen, niemandem etwas wegnehmen, niemanden töten, stattdessen sich die Frage stellen: Wie kann ich zum Frieden zwischen meinen Mitmenschen mir beitragen? Das alles ist fast vergessen!
Wer diese Botschaft im Kopf behält, der kann, wie in „I Believe In Father Christmas“, singen:
„Doch ich glaubte an die Geschichte des Volkes Israel.
Ich glaubte an den Weihnachtsmann.
Ich schaute in den Himmel mit aufgeregten Augen,
bis ich mit einem Gähnen im ersten Licht der Morgendämmerung erwachte:
Und dann erkannte ich ihn trotz seiner Verkleidung.“
Hoffnungsvoller Schluss
Ein bisschen unklar bleibt, was der letzte Satz meint: Geht es hier darum, hinter der Maske des Alltags ein wenig in die Seele eines anderen Menschen zu schauen? Zu erkennen, wer für andere zum Wohltäter wird? Oder wer selbst Hilfe braucht? Wie auch immer: „I Believe In Father Christmas“ schließt äußerst hoffnungsvoll:
„Ich wünsche dir ein hoffnungsvolles Weihnachtsfest.
Ich wünsche dir ein tapferes neues Jahr.
Alle Ängste, Schmerzen und Traurigkeit
sollen dein Herz verlassen und deinen Weg freigeben.“
Klingt gut, klingt wie einer der vielen berühmten irischen Segenssprüche: Sätze und Leitmotive, die man mit Gottes Hilfe für die Zukunft verfolgen möchte.
Doch ganz so harmonisch endet der Song dann eben doch nicht. Noch einmal folgen die ersten Verse, erzeugen den Eindruck eines Rahmens, der den gesamten Text umschließt:
„Sie sagten, es wird Schnee zu Weihnachten geben.
Sie sagten, es wird Frieden auf Erden sein.“
Himmel oder Hölle?
Und spätestens jetzt weiß jeder. Ja, so sagten sie. Aber die Realität sieht anders aus. Weihnachten ist eben nicht immer das Fest der Liebe und des Friedens. Weihnachten ist auch das Fest, an dem Streitigkeiten, ja sogar Grausamkeiten und Unmenschlichkeiten aufflammen. Oder wie es im Song heißt:
„Halleluja, Weihnachten: sei es im Himmel oder in der Hölle:
Das Weihnachten, das wir bekommen, haben wir verdient!“
Was bleibt? Kräftig schlucken, erholen, nachdenken. Und dann alles daransetzen, dass Weihnachten tatsächlich ein Fest des Friedens wird. Ein Fest, dessen Wirkung am besten ein ganzes Jahr nachklingt.
Hier sind U2 mit einer ihrer wenigen Coversongs. „I Believe In Father Christmas“.
Der bei Classic Rock Radio gesendete Beitrag ist eine Kurzfassung dieses Textes.
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