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Brot statt Böller – zum 40. Mal Hilfen für die Ärmsten (30. Dezember)

Es gibt Berechnungen, die sind einfach bekloppt. So zum Beispiel die, was 2000 Tonnen Feinstaub kosten. Die banale Antwort: schätzungsweise 140 Millionen Euro. Und jetzt? Erstens wollen Sie keinen Feinstaub kaufen. Zweitens gibt es noch nicht einmal einen Online-Shop, in dem Sie Feinstaub überhaupt bestellen könnten. Was nun?

Silvesterfeuerwerk

Bevor Sie Frage und Antwort gleich der Kategorie „unnützes Wissen“ zuordnen: Interessant ist zumindest die Erklärung, die es für diese Zahlen gibt. Rund 140 Millionen Euronen kosten die Feuerwerkskörper, die zündelfreudige Hobbyfeuerwerker Jahr für Jahr allein in unserem Land in die Luft blasen. Und die hinterlassen etwa 2000 Tonnen Feinstaub. Damit Sie eine Relation haben: Das ist etwa ein Prozent des gesamten Feinstaubs, den Deutschland pro Jahr emittiert. Und damit Sie und ich.

Gründe für das Verkaufsverbot

In diesem Jahr nicht. Feuerwerkskörper dürfen nicht verkauft werden. Corona macht’s möglich: Weil die Menschen in den Krankenhäusern schon genug zu tun haben, soll die Unzahl der durch Feuerwerkskörper Verletzten drastisch eingeschränkt werden. Was vor allem zwei Dinge zeigt: dass sich Jahr für Jahr wohl tatsächlich eine unglaublich hohe Zahl von Menschen an Knallfrosch, Chinaböller und Co. üble Verbrennungen zuziehen. Oder dass die Menschen in den Krankenhäusern tatsächlich bis zum Anschlag (und darüber hinaus) arbeiten und jeder Patient, der eben nicht in die Notaufnahme kommt, eine echte Entlastung bedeutet. Vermutlich stimmt beides: viel zu viele Verletzte und totale Überlastung durch Corona. Wenn man sich diesen Befund auf der Zunge zergehen lässt, merkt man erst einmal, wie schlimm die Lage in unserem Land tatsächlich ist.

Seit 1982 „Brot statt Böller“

Der Einzelhandel stöhnt, ärgert sich über die fehlenden Einnahmen. Und die Hersteller von Feuerwerksprodukten bleiben auf ihren Produktionen sitzen. Das kostet Geld. Eine Organisation, die möglicherweise hin- und hergerissen ist, dürfte „Brot statt Böller“ sein. Was 1982 als kleine Aktion in einer evangelischen Kirchengemeinde begann, ist längst eine große Sache und gehört zum großen evangelischen Hilfswerk „Brot für die Welt“. Die Idee hinter „Brot statt Böller“: kein Geld für Böller ausgeben, stattdessen das auf diese Weise eingesparte Geld spenden. Oder zumindest einen Teil davon.

Über 800 Millionen Hungende

Und das ist bitter nötig: Mittlerweile leiden über 800 Millionen Menschen auf der Welt an Hunger – um weit über 100 Millionen stieg die Zahl der Hungernden allein durch die Pandemie. Ein reiches Land wie das unsrige

kann die Folgen eines Lockdowns für seine Bevölkerung abmildern, durch Kurzarbeitergeld und Zuschüsse Jobs retten. Ärmere Länder können das schlechter oder gar nicht. Da gehen Jobs einfach verloren. Und den Betroffenen fehlt einfach das Geld für die tägliche Nahrung. Mit den rund 140 Millionen Euro, die in diesem Jahr in Deutschland nicht für die Knallkörper und Leuchtraketen ausgegeben werden, könnte man schon eine Menge Not lindern.

Das alte Jahr hinter sich lassen

Das neue Jahr mit Raketen, Leuchtsternen, Kometen, Krachern und Böllern zu begrüßen, die bösen Geister des letzten Jahres endgültig zu vertreiben und wieder optimistisch in die Zukunft zu blicken – selten erscheint die Sehnsucht danach größer als zu diesem Jahreswechsel. Was sind da schon 25 Euro für die 118-Schuss-Batterie „Titanium“ oder für das Verbundfeuerwerk „Lissabon“ mit 103 Schuss zum selben Preis? Das hätten wir gern ausgegeben, nur um dieses leidige Jahr 2021 mit seiner Coronapandemie hinter uns zu lassen.

Psychologie des Augenblicks

Auch dann, wenn wir wissen, dass das so gar nicht funktioniert. Kein Feuerwerk der Welt kann ein Virus stoppen. Aber es tut gut, die Alltagssorgen, Belastungen und Beschneidungen zumindest für ein paar Chinakracher-Momente zu vergessen, sich selbst vorzumachen, als ließe man mit den „bösen Geistern“ des alten Jahres tatsächlich auch nur eine einzige Sorge hinter sich. Das ist allenfalls eine wohltuende Psychologie des Augenblicks. Der bereits am nächsten Tag der Kater der Erkenntnis folgt: Nichts hat sich geändert. Das Virus ist immer noch da.

Jeder Cent hilft

„Brot statt Böller“ ist da realistischer: Weniger als 50 Cent kostet es in den Hungergebieten der Welt einem Menschen für einen Tag sein Auskommen zu finanzieren. Jeder Euro, den ich nicht für das Silvesterfeuerwerk ausgebe, sondern spende, hilft also tatsächlich. Er trägt dazu bei, dass die Ärmsten der Armen etwas zu essen bekommen, dass sie den nächsten Tag erleben. In der Freude des Jahreswechsels einfach für einen Moment an Menschen zu denken, die nun wahrlich keinen Grund zum Feiern haben – das wäre zumindest eine Alternative.

Unbelehrbare

Auch in diesem Jahr wird es Menschen geben, die trotz Verkaufsverbots Feuerwerksraketen in den Nachthimmel jagen. Es wird jene Unverbesserliche geben, die Böller aus dunklen Kanälen zur Explosion bringen. Auch solche, die mehr Schwarzpulver enthalten, als in unserem Land jemals erlaubt würde – mit gelegentlich verheerenden Folgen. Und mit Belastungen für die Notfallambulanzen in den Krankenhäusern.

Optimistisch

Aber trotzem bin ich optimistisch: Es wird auch Menschen geben, die tatsächlich die Aktion „Brot statt Böller“ unterstützen. Das Geld ist ja da, wurde längst von Ihnen und mir beiseitegelegt oder zumindest eingeplant – da können wir es auch ausgeben. Wenn schon nicht für Böller, dann eben für Menschen, die es dringender brauchen denn je.

Momentaufnahmen, kurze Episoden in den Medien, flüchtige Eindrücke – und alles rauscht einfach vorbei? „Auch das noch“ zeigt die Skripte (leicht überarbeiteter) Rundfunkbeiträge aus dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk. Manche wurden sogar speziell für Heaven On Air geschrieben. Frei nach dem Motto: einfach mal einen Moment innehalten.

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