Heinzmann, Stefanie – Good
Ein Bandscheibenvorfall, Medikamente, Essstörungen, emotionale Überforderung, Selbstzweifel, Selbstverletzungen und eine daraus resultierende Behandlung in einer psychiatrischen Einrichtung – der Einstieg in eine Karriere als Popstar könnte kaum schlechter sein. Und trotzdem ist Stefanie Heinzmann dieses Kunststück gelungen. Ein Kunststück gleich im doppelten Sinn: zum einen es trotz aller Widrigkeiten zum Star geschafft zu haben; zum anderen all die persönlichen Probleme in den Griff zu bekommen.
Impostor-Syndrom oft bei jungen Frauen
Mit diesen Problemen steht die heute 36jährige nicht allein. Mit sich selbst nicht zufrieden zu sein, zu meinen, man sei nicht gut genug – darunter leiden viele jungen Menschen. Was früher lapidar als Minderwertigkeitskomplex abgetan wurde, hat dank spezifischerer Beschreibung heute einen wissenschaftlichen Namen: Der Begriff Impostor-Syndrom beschreibt das Gefühl, nicht gut genug zu sein, obwohl man erfolgreich ist. Dieser Erfolg wird dann oft eben nicht mit den eigenen Fähigkeiten in Verbindung gebracht. Stattdessen glauben Betroffene, sie hätten ihren Erfolg nur purem Glück oder aber einer geschickten Täuschung zu verdanken. Über all dem schwebt das dann Damoklesschwert der Angst: Irgendwann fliegt der ganze Schwindel auf. Irgendwann werde ich entlarvt. Irgendwann wird jeder sehen, dass ich in Wirklichkeit eine Null bin. Hierher rührt auch der deutsche Begriff Hochstapler-Syndrom.
Probleme von gestern
Vor allem junge Frauen haben es in diesem Fall besonders schwer. Denn bei ihnen kommen Probleme mit der eigenen Sexualität, mit der Annahme ihrer Weiblichkeit dazu. So auch damals bei Stefanie Heinzmann. In ihrem Song „Good“ (vom Album „Circles“) singt sie über ihre früheren Probleme:
„Wenn ich auf mein Leben zurückblicke,
habe ich mich früher hinter verschlossenen Türen versteckt.
Ich war zu jung, um zu wissen, wonach ich mich sehnte.
In diesen Nächten habe ich geweint.
Stille Stürme hinter meinen Augen!
Sie hätten mich zu Fall bringen können.
Ich war gebrochen.
So hoffnungslos.“
Sich selbst sabotiert
Ja, Stefanie Heinzmann hat schwere Phasen erlebt. Phasen, in denen sie geglaubt hat, dass es nicht mehr weitergeht. Sie habe sich selbst sabotiert, sagt sie rückblickend, und sich wohl selbst im Weg gestanden, um den ersehnten Frieden mit sich selbst zu finden. Aber trotzdem hat sie nie die Hoffnung verloren. Vielleicht auch, weil ihre Familie den notwendigen Rückhalt leistete.
Apropos Familie: Ihrem Bruder ist es zu verdanken, dass sich die Schweizerin überhaupt bei einer Castingshow der Öffentlichkeit stellte. Ohne sein Drängen wäre sie nie dorthin gegangen. Man ahnt es schon, weshalb: Sie sei nicht gut genug und nicht hübsch genug, so ihre damaligen Gedanken – übrigens auch noch nach dem Sieg im Casting.
Job zwingt zur Auseinandersetzung
Im Nachhinein ist sie froh darüber, das Wagnis eingegangen zu sein: Der Job als Sängerin habe sie sogar gerettet. Denn er zwang sie förmlich dazu, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. In „Good“ hört sich das so an:
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„Ich weiß, dass jetzt meine Zeit gekommen ist.
Ich lebe mein Leben so, wie ich es will.
Ich würde nichts ändern, wenn ich könnte.
Ich lebe einen Traum, hellwach, ja.
Mir geht es gut.
Sag mir nicht, dass ich den falschen Weg eingeschlagen habe.
Ich lebe mein Leben so, wie ich es sollte.
Ich bin ganz ich selbst.“
Hellwach
Sie lebt einen Traum, so die Sängerin, aber eben nicht passiv, sondern hellwach, jederzeit bereit, einzugreifen und das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen. Nachdem sie professionelle Hilfe in Anspruch genommen hatte, sei sie heute viel gelassener, sei mit ihrem Leben und mit sich selbst im Reinen, so die Sängerin. Und wann immer sie merkt, dass die öffentliche Erwartungshaltung zu stark wird und die Selbstzweifel wiederkommen, nimmt sie eine Auszeit.
Längst ist Stefanie Heinzmann zu der Einsicht gelangt, dass es keinen perfekten Menschen gibt. Sie singt:
„Ich bin nicht perfekt, aber ich bin es wert.“
Gut, wie du bist
Zu akzeptieren, dass kein Mensch, also auch man selbst, vollkommen sein kann, ist ein erster Schritt. Ein zweiter: Es ist gar nicht notwendig, irgendetwas Besonderes zu leisten oder zu sein. Auch ohne perfekt oder eine große Nummer zu sein, hat jeder Mensch seinen persönlichen Wert.
Abgeleitet aus der Bibel heißt es daher im Christentum sinngemäß: Gott liebt jeden Menschen, egal, wer er ist und was er tut. Vielleicht liebt er nicht alle Taten. Aber den Menschen, auch wenn er sich selbst für den größten Versager hält, liebt er – um seiner selbst willen. Oder anders formuliert: Da der Mensch nach christlicher Vorstellung als Ebenbild Gottes geschaffen ist, ist er allein schon deshalb wertvoll – ungeachtet seiner persönlichen Fehler. Für die Liebe Gottes sind keine Voraussetzungen oder Voraussetzungen zu erfüllen. Sie ist völlig unabhängig von guten Taten und irgendwelchen großen Leistungen.
Nie mehr Opfer des eigenen Selbst
Sie habe sich dazu entschieden, nicht Opfer ihres Selbst zu sein, sagt Stefanie Heinzmann rückblickend. Wenn sie wieder und wieder singt
„Mir geht es gut“,
dann ist das die xfach wiederholte Botschaft an sich selbst, die auch in den letzten Zellen ankommen und sich festsetzen soll. Durch die mantraartige Wiederholung entsteht ein meditativer Rhythmus, wie er aus Litaneien, also Gebeten mit wiederkehrenden Wiederholungen, seit Jahrhunderten bekannt ist. Und wie er verwendet wird, um zur Ruhe zu kommen und das innere Gleichgewicht zu stabilisieren.
Krise – Reflexion – neue Stärke
Der Refrain „I’m all good“ fungiert als Mantra. Durch die Wiederholung entsteht ein meditativer Rhythmus, der das innere Gleichgewicht stabilisiert. Dieses Mantra zieht sich wie ein roter Faden durch den Song und verbindet Anfang und Ende miteinander – ein Symbol für einen zyklischen Prozess: Auf die Krise folgt die notwendige Reflexion als Voraussetzung dazu, zu erneuter Stärke zu kommen.
Wenn ich das geschafft habe, …
Genau das ist die Erfahrung, die Stefanie Heinzmann in „Good“ mit ihren Zuhörerinnen und Zuhörern teilt: Jeder durchschreitet in seinem Leben dunkle Phasen. Gerade dann ist es wichtig, die eigene Unvollkommenheit zu akzeptieren und bewusst den eigenen Lebensweg zu gestalten. So verstanden wird der Song zu einer modernen Befreiungshymne auf die eigene Widerstandsfähigkeit bis hin zu persönlicher Selbstakzeptanz und damit auch Selbstfindung. Das alles erzeugt einen tröstenden Aspekt, gerade so als wolle Stefanie Heinzmann sagen: „Wenn ich das geschafft habe, dann schaffst du das auch!“
Der bei Radio Salü gesendete Beitrag ist eine Kurzfassung dieses Textes.
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