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Boston – Don’t Look Back

Als sich Boston-Leadsänger Bred Delp im März 2007 das Leben nahm, tat er das gut vorbereitet: Seine gesamte Wohnung war mit Merkzetteln beklebt, mit denen der Musiker möglichst rücksichtsvoll auf die Menschen einwirken wollte, die seine Leiche fänden. Einer dieser Merkzettel enthielt eine Bitte, wie seine Katze weiterhin gepflegt werden sollte.

Unbemerkt: Depressionen

Anhand dieser Notizen wurde auch klar, dass Delp zeit seines Lebens an Depressionen gelitten hatte – auch wenn dies nie jemand gemerkt hatte. Und wie das nun mal so ist: Seine Bandkollegen dürften erst einmal getroffen gewesen sein. Und vor allem sich gewaltige Vorwürfe gemacht haben: Hätte man da nicht etwas merken müssen? Und hätte man da nicht helfen können?
Die Antwort ist: nein! Manche depressive Menschen sind wahre Meister darin, ihre Depressionen vor anderen zu verbergen. So dass diese dann aus allen Wolken fallen, wenn sie davon erfahren. Besonders, wenn die Erkrankung erst durch einen Selbstmord offenkundig wird.

Bewusst am Ende des Sets

Dass es keinen Sinn macht, mit „hätte“ und „wäre“ herumzuspinnen – zu diesem Schluss kamen wohl auch die Bandkollegen von Bred Delp. Als die verbliebenen Boston-Mitglieder im August desselben Jahres ein Gedächtniskonzert für ihren Bandkollegen gaben, beendeten sie ihr Set ausgerechnet mit „Don’t Look Back“.
Klar – die meisten Bands setzen ihre größten Hits ans Ende eines Sets. Aber in diesem Fall ging es wohl auch um eine Art persönlicher Trauerarbeit. Denn im Song heißt es:

„Schau nicht zurück. Ein neuer Tag bricht an.
Es ist zu lange her, dass ich mich so gefühlt habe.
Es macht mir nichts aus, wohin ich gebracht werde.
Die Straße ruft. Heute ist der Tag!
Ich sehe endlich die Morgendämmerung anbrechen.
Ich sehe jenseits der Straße, auf der ich fahre,
Es ist ein heller Horizont und ich bin erwacht.
Ich sehe mich selbst auf eine ganz neue Weise.
Ich kann jetzt nicht verlieren, denn es gibt kein Spiel zu spielen.
Ich kann sagen, dass es keine Zeit mehr gibt, zu kritisieren
Ich habe gesehen, was ich nicht erkennen konnte.
Alles in meinem Leben führte mich weiter.“

Religiöse Dimension

Unter dem Eindruck des Todes von Bred Delp bekommt der Song nahezu fromme Züge: So handelt er von einem neuen Leben, von der Dämmerung

zu einem neuen Tag, an dem man über den bislang bekannten persönlichen Horizont hinaussehen kann. Und dabei erkennt: Alles, was man erlebt hat, hatte einen Sinn. Denn jede Erfahrung macht einen Menschen reifer, bringt ihn weiter. Vor allem aber: Jetzt gibt es nichts, was man verlieren könnte. Denn alles ist vorhanden. Alles ist gut. So würden auch Christen über ein Leben nach dem Tod sprechen.

Umdrehen, weil das Herz daran hängt

Und dazu noch ein weiterer Hinweis auf die christlich-jüdische Überlieferung: Als Gott beschließt, die Sündenstädte Sodom und Gomorrha zu vernichten, will er den frommen Lot und dessen Familie verschonen. Also gibt er ihm den Auftrag, rechtzeitig mit seiner Sippe die Umgebung zu verlassen. Auf keinen Fall sollten sie sich mehr umdrehen. Der Ausgang der Erzählung ist bekannt: Weil sich Lots Frau dennoch umdreht, erstarrt sie zur Salzsäule. Eine Erzählung, um einerseits ein geologisches Phänomen zu erklären, andererseits drastisch zu verdeutlichen: Wer nicht wirklich loslässt, wer mit seinem Herz weiterhin an der Vergangenheit interessiert ist, hat keine Zukunft. Eine Erfahrung, die Menschen schon vor mehreren Tausend Jahren gemacht und über die Erzählung von Frau Lot weitergegeben haben. Spätere Generationen machten daraus übrigens das Sprichwort: Wer das gegenüberliegende Ufer erreichen will, muss das, auf dem er steht, erst einmal hinter sich lassen.

Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft

Zurück zu „Don’t Look Back“: Wer will, findet in diesem Song die Mahnung: Sei bereits heute der Mensch, der du sein könntest und der du dein willst. Lass dich nicht von früheren Erfolgen oder Misserfolgen beeinflussen. Wenn du an der Vergangenheit klebst, bist du blind für die Gegenwart und unfähig, eine Vision für deine Zukunft zu entwickeln. Boston mit einem ihrer größten Hits: „Don’t Look Back“.

Der bei Classic Rock Radio gesendete Beitrag ist eine Kurzfassung dieses Textes.

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