Peter Tosh aka Winston Hubert MacIntosh
Ob manch ein Künstler unter seinem Geburtsnamen ähnlich bekannt geworden wäre wie unter seinem Pseudonym? Wer weiß. Beispiel:
Peter Tosh aka Winston Hubert MacIntosh
Laut Geburtskurkunde vom 19. Oktober 1944 heißt er Winston Hubert MacIntosh (andere Quellen nennen die Schreibweise McIntosh). Großgezogen von Onkel und Tante zieht der 15jährige nach dem Tod in das berüchtigtste Ghetto auf Jamaika, nämlich nach Trenchtown in Kingston. Dort erlernt er mit Hilfe des Musikers Joe Higgs das Gitarrespielen. Higgs ist, der Winston Hubert mit Neville „Bunny“ Livingstone, Franklin Delano Alexander Braithwaite und Robert Nesta Marley zusammenbringt. Gemeinsam gründen sie die Urformation der späteren Wailers. Weil die vier aber der Meinung sind, mit ihren Geburtsnamen im jamaikanischen Showgeschäft wenig erreichen zu können, nennen sie sich Bunny Wailer, Junior Braithwaite, Bob Marley und Peter MacIntosh. Da letzterer mit diesem Namen immer noch nicht zufrieden ist, nennt er sich Peter Touch. Erst später wird daraus Peter Tosh. Wie viele schwarze Jamaikaner sind auch die vier Bandmitglieder begeisterte Anhänger des äthiopischen Kaisers Haile Selassie.
Haile Selassie
Selassie gilt als erster schwarzer Machthaber, der weiße Besatzer aus seinem Land und damit erstmals Kolonialherren aus Afrika vertrieben hat (Abessinienkriege). In ihn setzen Schwarze auf Jamaika, die sich trotz der Abschaffung der Sklaverei immer noch als von Weißen unterdrückt empfinden, ihre politischen Hoffnungen. Und ihre religiösen: Der äthiopische Kaiser, der sich mit Haile Selassie den religiös aufgeladenen Namen „Kraft der Dreieinigkeit“ gegeben hat, wird für sie zum Heilsbringer, zum Messias. Sein ursprünglicher Name „Ras Tafari Makkonen“ wird zum Namen einer neuen Religion, dem Rastafarianismus, Haile Selassie zum wiedergekehrten Christus, zum Gott.
1966 – Bob Marley ist gerade in den USA, die Wailers hatten ohne ihn einige lokale Hits – veröffentlicht Peter Tosh seinen ersten
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eigenen Song: „Rasta Shook Them Up“ ist eine musikalische Verbeugung vor Selassie und erscheint anlässlich des Staatsbesuchs des äthiopischen Kaisers auf Jamaika.
Innerhalb von etwa mehr als zwei Jahren spielen die Wailers über 100, entsprechend damaliger Gepflogenheiten sehr kurze Songs von zumeist unter zwei Minuten ein. Viele davon erscheinen später in neueren Versionen als Songs von Bob Marley And The Wailers und als Solo-Songs von Peter Tosh.
Peter Tosh Solo
Ab 1971 veröffentlicht Tosh, weiterhin Wailers-Mitglied, regelmäßig eigene Songs. Im selben Jahr gründet er sein eigenes Plattenlabel „Intel Diplo“, eine Kurzform für „Intelligent Diplomat For His Imperial Majesty“. Mit anderen Worten: Peter Tosh stellt sich und seine Musik in den Dienst des Rastafarianismus. Gleichberechtigung zwischen den Rassen, bessere Schulbildung und bessere Jobs für Schwarze, freie Glaubensausübung, Kampf den imperialistischen Unterdrückern, dem Babylon System sind seine Themen. Das Babylon System sieht der Musiker in England, den USA und – als Verdreher des wahren Glaubens – im Vatikan und damit im Papst, den er für den Antichrist hält.
Legendär ist bereits die erste Solo-LP von Peter Tosh, „Legalize It“. Mit dem Titelsong plädiert der Musiker für die Freigabe von Ganja, dem jamaikanischen Marihuana. Das habe sich bei den schlimmsten Krankheiten bewährt, sei besser als die Medizin der Weißen, die sich die Schwarzen ohnehin nicht leisten können. Außerdem mache die „weiße Chemie“ die Schwarzen von den Weißen abhängig und entfremde sie ihrer Religion. Denn Ganja ist Teil der Rastafari-Religion, fördert die Vereinigung – stark vereinfacht ausgedrückt – zwischen Mensch und Gott, hat nahezu sakramentalen Charakter. Mit einem Verbot des Ganjakonsums schränken die Weißen folglich die Rastafarianer auch in ihrer Religionsausübung ein.
Konsequent landet der Titelsong „Legalize It“ auf Jamaika auf dem Index, wird also von den dortigen Radiostationen nicht gespielt. Im Ausland jedoch erreicht Tosh durch diesen Song eine immense Popularität. Er trägt auch dazu bei, dass der Rastafarianismus als „Kifferreligion“ diffamiert und sicherlich nicht richtig auf den Ganjakonsum reduziert wird. Die Thematik greift Tosh immer wieder auf, Jahre später auch in abgeschwächter Form im Song „Bush Doctor“.
Scharfzüngig wie eine Rasierklinge
Zunehmend ärgert sich Tosh über Marley, der – in Zusammenarbeit mit Virgin-Produzent Chris Blackwell – den ursprünglichen jamaikanischen Reggae nicht nur für europäische und US-amerikanische Ohren „glättet“. Aus Toshs Sicht sind vor allem die Songtexte aus kommerziellen Gründen nicht scharf genug formuliert. Tosh verlässt daher 1974 die Wailers, sieht sich selbst als „Stepping Razor“, will die Protagonisten des Babylon Systems scharf wie eine Rasierklinge attackieren. Tatsächlich sind Toshs Songs aggressiv und direkt. So freut er sich, wenn das Symbol des Kapitalismus, der Dollar, eines Tages zerbricht („The Day The Dollar Die“). Mit Blick auf das imperialistische Britische Empire singt Tosh von Blutsaugern und davon, dass es im Buckingham Palast rauchen wird – ob der Palast selbst in Flammen aufgeht oder ob aus ihm im Sinne einer Inbesitznahme durch die Rastafarianer Ganjawolken hervorquellen, ist nicht eindeutig zu klären („Buk-In-Hamm Palace“). Der gemeinsam mit Bob Marley veröffentlichte Titel „Get Up, Stand Up“ wirkt bei Tosh weitaus aggressiver als in der Wailers-Fassung. Wenn Tosh „Der Himmel der Reichen ist die Hölle der Armen“ („Burial“) skandiert, sichert ihm das die Sympathien der Schwarzen und verstärkt den Ruf nach gleichen Rechten für alle.
Überfall und Tod
Letztlich findet sich in allen Songs von Peter Tosh die Thematik „Aufstehen für Gerechtigkeit“ und „Kampf gegen das Babylon System“ wieder. Dabei polarisiert Tosh, ist verbal militant und deutlich aggressiver als sein langjähriger Weggefährte Bob Marley. Dass er von Polizisten verfolgt, verhaftet, beinahe totgeschlagen und immer wieder bedroht wird, sieht er als eine Art Kollateralschaden. Gegen Pistolenkugeln versucht er sich durch einen kultischen Zauber zu schützen. Somit gilt er bei engeren Freunden gegen Ende seines Lebens als zunehmend paranoid, möglicherweise aufgrund des massiven Ganjakonsums.
Als es am 11. September 1987 in Toshs Privathaus zu einem Überfall kommt, erschießt ein Gangstertrio drei der sieben anwesenden Personen, darunter auch Peter Tosh. Ob es sich tatsächlich um einen Raubüberfall handelt oder aber um ein gezieltes Attentat, um den polarisierenden Polit-Agitator Peter Tosh endgültig zum Schweigen zu bringen, wird zumindest aus Sicht seiner Anhänger nie wirklich geklärt.
Sehenswertes Biopic
Sehenswert ist die filmische Dokumentation “Stepping Razor – die Peter Tosh Story“, die auf eine von Tosh selbst vorbereitete Biographie zurückgreift. Regisseur Nicholas Campbell reiht Szenen aus Tosh Leben in Form einer Collage aneinander. Dabei führt ein Double des Musikers, das stehts im Halbdunkeln bleibt, an die originären Schauplätze in Toshs Leben. Durch die im Film enthaltenen Interviews mit Freunden, Musikerkollegen und Verwandten erhält der Zuschauer Einblick in die Person des Peter Tosh, angefangen in seiner Kindheit bis hin zum Welt- und Glaubensbild des Reggaestars – eines streitbaren Rastas in seinem Kampf um eine bessere, gerechtere Welt.
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