Drücken Sie Enter, um das Ergebnis zu sehen oder Esc um abzubrechen.

Sportfreunde Stiller – I’m Alright

Da war doch mal was… Keine Frage, mit der deutschen Indie-Band Sportfreunde Stiller verbinden die meisten wohl den Hit „54-74-90-2006“ – ein Song aus dem Jahr 2006. Der listete nicht nur die drei Weltmeisterschaftsgewinne der deutschen Fußballnationalmannschaft der Männer auf, sondern setzte gleich noch eins drauf: Bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land 2006 würde die Deutsche Fußballnationalmannschaft sicherlich den vierten Titel holen.

Passend zum Sommermärchen

Kein Wunder, dass der Song während des Sommermärchens 2006 rauf und runter gespielt wurde. Auch wenn es bekanntermaßen nur zu Platz drei gereicht hat: Der und das Spektakel insgesamt rechtfertigten den Begriff „Sommermärchen“ allemal. Und was die Sportfreunde Stiller anbelangt: Die brachten eben vier Jahre später mit „54-74-90-2010“ eine Neuauflage des Songs heraus. Leider hat auch das nichts genutzt. Wieder wurde die Deutsche Fußballnationalmannschaft der Männer wiederum nur Dritter. Erst als die Sportfreunde Stiller weitere vier Jahre später darauf verzichteten, ihren Song ein drittes Mal aufzulegen – was mit „2014“ auch das Versmaß gehörig strapaziert hätte, wurde Deutschland zum vierten Mal Weltmeister.

Keine Neuauflage

Da sich „2022“ noch schlechter in den Text einbauen ließe, wird es in diesem Jahr wiederum keine Neuauflage des Songs geben. Für die WM in Katar, die uns einen ganz besonderen Advent bescheren wird, besteht also Hoffnung. Wenn man denn überhaupt einen Zusammenhang zwischen Song und WM-Titeln herstellen kann. Dabei müsste man nämlich die WM 2018 in Russland vollkommen außer Acht lassen: kein Song, kein Titel, aber eine WM zum Vergessen…

Sportfreunde Stiller und ARD-Tatort

Spaß beiseite: Natürlich haben die Sportfreunde Stiller auch nach ihrem WM-Song weiter Musik gemacht. Für Schlagzeilen sorgte 2014 so nebenbei eine Kooperation der besonderen Art: Für den ARD-Tatort „Paradies“ mit den beiden Wiener Bibi Fellner und Moritz Eisner, gespielt von Adele Neuhauser und Harald Krassnitzer, waren auch die Sportfreunde Stiller am Start. „Es muss was Wunderbares sein (von mir geliebt zu werden)“ heiß der passende Sportfreunde-Song zum Wiener Tatort.

Neues Album im Herbst

Ansonsten gilt: Sieben Studioalben hat die Band auf den Weg gebracht, Album Nummer acht ist in der Pipeline und soll im Herbst erscheinen. „Jeder nur ein X“ wird es heißen. Wobei das „X“ als „Kreuz“ zu sprechen ist. Seit der letzten


Veröffentlichung der Sportfreunde Stiller sind sechs Jahre vergangen. Was uns erwartet, davon erzählt die Vorab-Auskopplung „I’m Alright“. Und um auch das vorab zu sagen: Bei den Sportfreunden geht es ihrem Namen entsprechend sportlich zu: So sieht man die Band im Videoclip beim Holzhacken, Rennradfahren, Wasserball- und Tennisspielen und beim Bowling. Jede Sportart natürlich im passenden Outfit. Wie sich das nun mal gehört.

I’m Alright

Das letzte Lebenszeichen der drei Indierocker aus Germering bei München datiert vom Oktober 2016: „Sturm & Stille“ ist also schon eine Weile her. Umso passender, dass sich die Band erst einem mit einem „Uns geht’s gut“ bei ihren Fans zurückmeldet – zumindest könnte man den Singletitel „I’m Alright“ durchaus so verstehen. Allerdings geht der Song inhaltlich in eine völlig andere Richtung: Der handelt nämlich von jemandem, der alles will, aber nichts gebacken bekommt:

„Huch, was kommt denn da daher?
Style und Beat, leicht wunderlichen Rucksack voller Zaubertricks.
Hoppla, hey, das bin ja ich.
Hat jemand mein Tattoo gesehen? Ich find’s gerade nicht.
Krummes Kreuz, sturer Kopf,
meine Haltung, meine Sicht.
Ich zieh‘ heut‘ mein Kajak raus
und gleit‘ ’n Stück flussaufwärts
Bis in, bis in, bis in, bis in alle Ewigkeit!“

Leben voller Oberflächlichkeiten

Man muss schon genau hinhören, um festzustellen: Der Song handelt von einem Mann, der sich in Oberflächlichkeiten verliert. Jemand, der sich selbst zum Nabel der Welt macht, der die Realitäten nicht sehen will, sondern bei dem die Welt selbstverständlich so ist, wie er sie sieht. Das erinnert an Pippi Langstrumpf, die singen konnte: „Ich mach mir die Welt wie sie mir gefällt“ – und alles andere blende ich einfach aus. In Textpassagen, die nicht ganz jugendfrei sind, wird die Selbstüberschätzung des beschriebenen Mannes noch deutlicher. Ob die Sportfreunde da wohl jemand ganz Bestimmtes, vielleicht sogar eine ganze Gruppe von Mitbürgern in unserem Land im Blick hatten? Vermutlich ist das so.

Lebensfreude UND nachdenken

Rhythmisch und melodisch vermittelt „I’m Alright“ pure Lebensfreude. Das soll er auch. So meint Gitarrist Peter Brugger, dass es gerade mit Blick auf die Schreckensmeldungen der Gegenwart wichtig sei, sich Momente der Zufriedenheit zu schaffen und sich gut zu fühlen – auch dann, wenn das Leben draußen gerade alles andere als leicht sei. Beim ersten Hören fallen also vor allem Leichtigkeit und eben Lebensfreude des Songs auf. Doch Schritt für Schritt wird deutlich, dass der Song Tiefe besitzt. Und genau der sollen die Zuhörerinnen und Zuhörer nachgehen.

Hybris: Turmbau zu Babel

Religiöse Menschen denken bei diesem Lied möglicherweise an den biblischen Turmbau zu Babel: Der steht symbolisch für Menschen, die sich selbst an die Stelle Gottes setzen, sich selbst zum Nabel der Welt machen und meinen, sie hätten alles im Griff. Dass der Turm zusammenstürzt und die Menschen nicht mehr dieselbe Sprache sprechen, was heißt: auch untereinander nicht mehr klarkommen, ist das Ergebnis. Hybris nennen Theologen diese Selbstüberschätzung. Und mit Schrecken könnte man darüber nachdenken, ob nicht Klimawandel, Artensterben und vieles mehr auch daher rühren, dass wir Menschen schon immer meinten, auch mit unserer Natur „alles selbst im Griff zu haben“. Auf nichts und niemanden Rücksicht nehmen zu müssen, die Natur als Vorratskammer nutzen zu können, ohne dass dies Konsequenzen haben würde. Um noch einen Moment im religiösen Denken zu bleiben: Die Bibel macht deutlich, dass der Mensch für Gottes Schöpfung verantwortlich ist, sie also pflegen und nicht schlachten soll.

Album nach knapp vier Jahren Funkstille

Vor zwei Jahren haben die Sportfreunde Stiller ausgerechnet mit „I’m Alright“ die Arbeiten an ihrem neuen Album begonnen. Davor herrschte fast vier Jahre Funkstille zwischen den Musikern. Peter Brugger nahm mit ein paar Freunden Musik auf, Rüdiger „Rüde“ Linhof hatte sich an Start-Ups beteiligt, Florian „Flo“ Weber hatte an einem Roman gearbeitet, sein dritter mittlerweile! Als die Band wieder zusammenkam, war das wohl so, als habe man sich gerade gestern zum letzten Mal gesehen. Insofern darf man gespannt auf den Herbst warten, um zu sehen, was „Jeder nur ein X“ noch so alles zu bieten hat. Die Vorab-Auskopplung „I’m Alright“ ist auf jeden Fall schon mal mehr als nur ein Appetithäppchen.

Der Bandname

Nachtrag:
Auch wenn der Hintergrund den meisten bekannt ist, sei er doch noch einmal erwähnt: Peter Brugger und Florian Weber kickten eine Zeitlang gemeinsam in der Bezirksligamannschaft des SV Germering. Ihr damaliger Trainer war Hans Stiller. Unter Verwendung seines Nachnamens nannte sich die Band „Stiller“, musste sich aber wegen einer namensgleichen Band in Hamburg „umtaufen“. Entsprechend ihrer außermusikalischen Interessen setzte die Band einfach ein „Sportfreunde“ davor – und fertig war die Laube.

Der bei Radio Salü gesendete Beitrag ist eine Kurzfassung dieses Textes.

Kommentare

Hinterlassen Sie ein Kommentar

Datenschutz
Ich, Klaus Depta (Wohnort: Deutschland), verarbeite zum Betrieb dieser Website personenbezogene Daten nur im technisch unbedingt notwendigen Umfang. Alle Details dazu in meiner Datenschutzerklärung.
Datenschutz
Ich, Klaus Depta (Wohnort: Deutschland), verarbeite zum Betrieb dieser Website personenbezogene Daten nur im technisch unbedingt notwendigen Umfang. Alle Details dazu in meiner Datenschutzerklärung.