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Zarrella, Giovanni – Confusione

Toto Cutogno, Al Bano & Romina Power, Ricchi e Poveri, Umberto Tozzi und vor allem Adriano Celentano sind die Helden seiner Kindheit. Dass zeigte Giovanni Zarrella schon als Jugendlicher gelegentlich
im italienischen Restaurant in Hechingen ziemlich deutlich: War nämlich ein Gast erkennbar traurig, konnte es passieren, dass Giovanni dem Gast etwas vortanzte oder später ein aufmunterndes Liedchen trällerte. Das Restaurant seiner Eltern sei seine beste Schule für seine spätere Karriere als Entertainer gewesen, resümierte der Künstler später. Ihm sei es immer wichtig gewesen, positive Gefühle zu verbreiten. Das gelang ihm am besten mit Musik. Und gelingt ihm bis heute.

Fußballer bei AS Rom und VfB Stuttgart

Obwohl der Mann aus der baden-württembergischen Kleinstadt auch ein guter Fußballer hätte werden können: Denn zwischen 1992 und 1994 spielte der heute 47jährige als Verteidiger bei der AS Rom, spielte in den 1990er Jahren in der Jugendmannschaft der AS Rom, später dann beim VfB Stuttgart und in der zweiten Mannschaft des SSV Reutlingen. (Ganz beendet ist die „Fußballerkarriere“ immer noch nicht: Bei den Alten Herren von Germania Zündorf, einem Fußballklub in Köln, freut man sich über den für sein Alter schnellen Stürmer Giovanni Zarrella.)

Popstars und Bro ‘Sis

Weil aber Musik seine große Leidenschaft war, bewarb er sich bei der ersten Musik-Castingshow im deutschen Fernsehen, „Popstars“. Für die zweite Staffel wurden knapp 11.000 Kandidaten gecastet. 33 von ihnen durften auf Ibiza an einem zweiwöchigen Workshop teilnehmen, in dem sie in den Bereichen Singen, Tanzen und Fitness Bühnenreife erwerben sollte. Schließlich entschied sich eine Jury für Hila Bronstein, Shaham Joyce, Faiz Mangat, Indira Weis, Ross Antony und Giovanni Zarrella als Gruppe. Ein Voting des TV-Publikums hatte mit „Bro ‘Sis“ den Gruppennamen vorab festgelegt.

Nach drei Longplayern ist Schluss

Schon die Debütsingle „I Believe“ wurde zur bis dato erfolgreichsten Veröffentlichung einer neuen Gruppe, belegte in Deutschland, Österreich und der Schweiz jeweils den ersten Platz. Das gelang auch (zumindest noch in Deutschland und Österreich) dem ersten Album „Never Forget (Where You Come From)“. „Days Of Our Lives“ konnte allein in Deutschland noch den Sprung in die Top Ten verbuchen. Dann hatte das Publikum genug: „Showtime“ hielt sich nur in Deutschland und das auch nur für magere drei Wochen in den Charts und konnte dort als beste Platzierung Platz 24 einnehmen – zu wenig, um als Gruppe weiterzumachen.

ProSieben „taff“: Just Marriedxxxx

Giovanni Zarrella aber startete durch: Rund um seine Hochzeit mit dem brasilianischen Model und Miss Intercontinental Janaína Vizeu Berenhauser Borba, kurz Jana Ina, drehte er für die ProSieben-Sendung „taff“ eine zehnteilige Doku-Soap über den Alltag eines Ehepaares („Just married! – Frisch verheiratet!“), die um eine weitere Staffel verlängert wurde. Moderationen bei „Bravo Sport TV“ und „screen-shot – die eSport Bundesliga“, vor allem aber „Jana Ina & Giovanni – Wir sind schwanger“, eine Reihe, die das Paar die letzten beiden Monate bis zur Geburt ihres Sohnes begleitete, zeigten den Musiker von einer anderen Seite.

Tanz-, Koch-, Morning-, Unterhaltungsshows und mehr

Diverse Doku-Soaps, Teilnahmen an Tanz-, Koch– Morning- und Unterhaltungsshows sowie 2023 die Teilnahme als Coach von „The Voice Of Germany“ ließen Zarrella, der mehrere Animationsfilme synchronisierte, als vielseitigen Künstler erscheinen. Seit Herbst 2021 hat das ZDF „Willkommen bei Carmen Nebel“ durch die „Giovanni Zarrella Show“ ersetzt. In der Regel viermal im Jahr zuzüglich weiterer Specials führt Zarella durchs Programm, interviewt seine Gäste und singt mit ihnen deren Erfolgstitel im Duett. Eigene Titel präsentiert der Deutsch-Italiener zumeist in italienischer Sprache. Die Sendung erreicht konstant drei Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer.

Klischeeitaliener

Längst hat Zarrella sein Bro ‘Sis-Outfit abgelegt, gilt nicht zuletzt auch aufgrund seines Styles als so etwas wie ein „deutscher Klischeeitaliener“. Kritiker ziehen sich an seinem sympathischen Dauerlächeln hoch und daran, dass es weder bei ihm, noch in seinen Shows irgendwelche Ecken und Kanten gäbe, Zarrella sich damit begnüge, als „Everybody’s Darling“ in Erscheinung zu treten. Nicht dass das negativ sei. Aber für Kunst im eigentlichen Sinne sei das dann doch zu wenig. Das sehe man auch an seinen Solo-Veröffentlichungen, bei denen lange Zeit Coverversionen von Nena über Opus bis hin zu Robbie Williams und den Backstreet Boys, allesamt gesungen in italienischer Sprache, im Vordergrund gestanden hätten.

Suche nach dem richtigen Stil als Solokünstler

Richtig ist wohl, dass Giovanni Zarrella nach dem Ende von Bro ‘Sis erst einmal seinen Stil als Solokünstler suchen musste: Entsprechend kam er auf seinem Debütalbum „Coming Up“ 2006 mit englisch gesungenen Songs daher. „Musica“ / „Ancora Musica“ (2008/2010) kamen mit einer Mischung aus deutsch und italienischen Liedern daher. Auffällig, dass der Künstler diese Alben ausschließlich unter seinem Vornamen präsentiert und in seinem Outfit noch dem Giovanni der Bro ‘Sis-Ära treu bleibt.

Viele Coversongs in italienisch

2019 präsentiert er „La Vita È Bella“ dann mit sauber getrimmtem, kurzem Vollbart, was möglicherweise zur klischiert italienisch wirkenden Wahrnehmung führt. Die Lieder dieses Albums präsentiert er in italienischer Sprache. Sein 2021er Album „Ciao!“ ist zu einem großen Teil eine Ansammlung von italienisch gesungenen Coverversionen deutscher Schlager von Michael Holm über Marianne Rosenberg und Udo Lindenberg. Das Ganze ist so erfolgreich, dass ebenfalls 2021 (hergestellt im Auftrag von Tchibo!) das Doppelalbum „La Vita È Bella Italia“ erscheint: Auf der ersten CD singt Zarrella Coverversionen seiner „Kindheitsstarts“ (s.o.) sowie von Edoardo Bennato, Bino, Gianna Nannini, Pupo und Eros Ramazzottti, auf der zweiten CD vermeintlich „Die größten deutschen Hits“ von Nino de Angelo, Roland Kaiser, Peter Maffay, Matthias Reim u.a. auf italienisch.

Neues Team, eigene Songs

Gänzlich neue Wege beschreitet der Sänger, der auch neben deutsch und italienisch auch fließend spanisch und portugiesisch spricht, mit seinem Album „Universo“. Mit Daniel Flamm, der bereits Veröffentlichungen von Clueso und Fury In The Slaughterhouse produziert hat, hat Zarrella ein neues Team an Bord. Vor allem aber schreibt er für dieses Album eigene Songs, die ihn zudem musikalisch und biografisch an seine Wurzeln zurückführen, so der Waschzettel der Plattenfirma. Was wohl bedeutet: In den Songs sind die Erfahrungen eines Kindes italienischer Einwanderer aus den 1960er Jahren, das längst in Deutschland erfolgreich im Showbusiness tätig ist, wenn man so will eines Menschen zwischen zwei Welten, verarbeitet. Oder zumindest haben sie ihre Spuren hinterlassen.

Confusione“

Inwieweit sich diese Spuren tatsächlich finden lassen, werden Hörerinnen und Hörer jeweils für sich selbst entscheiden müssen. Zumindest bedient die Single-Auskopplung „Confusione“ in Deutschland verbreitete italienische Klischees, wenn es heißt:

„Ein Frauenherzschlag, zwei, drei, aber bitte vier,
vielleicht ein bisschen mehr:
Fünf Frauen zum Küssen, sechs oder sieben zum Tanzen.
Vielleicht ist es ein Traum.
Weck mich nicht mehr auf!“

Was schwer nach heißblütigem, aber untreuen italienischen Liebhaber klingt, wird in der nächsten Strophe noch ein Stück konkreter:

„Aber es ist nur in meinem Kopf, in meinem Kopf Donatella
Dann kommt Giulia mit Emma und Isabella.
Ich denke immer noch zurück an Micaela.
Welches Glück.“

“Ich halte es nicht mehr aus“

Angesichts dieses Textes drängt sich der Eindruck auf, dass hier doch eine, sagen wir mal vorsichtig, ziemlich besondere Art von Lebensfreude gefeiert wird. Und genau die wird in den nächsten Zeilen eingefangen:

„Die Verwirrung, das Gefühl,
das ergreift mich.
Diese Verwirrung –
Was für ein Kopfschmerz!
Ich halte es nicht mehr aus.“

Das Ganze wird im weiteren Verlauf als „Qual“ bezeichnet, eine Lebenshaltung, die durch die eine richtige Person geheilt, sprich: zu einem guten Ende geführt werden kann.

Verwirrung der Gefühle und Suche

Nun ließe sich der gesamte Song leicht abtun, indem man ihn als chaotische Gefühlswelt eines Mannes beschreibt, der sich von mehreren Frauen angezogen fühlt. Doch das wäre zu oberflächlich. Denn bereits der Songtitel „Confusione“ beschreibt einen Zustand, der nicht wünschenswert ist. Diese Verwirrung steht stellvertretend für einen inneren Konflikt, in dem eine Person gefangen ist. Man weiß nicht, wofür man sich entscheiden soll. Die Kriterien, die üblicherweise der Kopf liefert und abwägt, sind nicht vorhanden. Und so befindet sich der Sänger in immer neuen Liebeleien auf der Suche nach dem großen Glück, der dauerhaften Beziehung, ohne dieses Glück finden zu können. Liebe ist eben mehr als das Gefühl, jemanden vorübergehend als anziehend zu empfinden.

Erwartung und Druck

Gut möglich, dass hier tatsächlich ein Stück von Giovanni Zarrellas Biographie enthalten ist. Auch wenn er immer wieder betont, dass er in Hechingen eine behütete, schöne und vor allem sorgenfreie Kindheit erlebt hat, so sah sein Leben als Künstler doch völlig anders aus: Bei Castings anzutreten bedeutet auch, sich auf unbekanntes Terrain zu begeben, auf dem die Fürsorge der Eltern nicht mehr helfen kann. Davon dass das Leben als öffentliche Person nicht nur Freude und Ruhm, sondern auch Erwartung und jede Menge Druck bedeutet, hat der Sänger in verschiedenen Interviews angedeutet. Das ist auch leicht nachvollziehbar. Auch, dass man da als Star schnell die Bodenhaftung verlieren kann.

Wissen, was man will

Jeder kennt aus seinem Leben Herausforderungen, die zumindest für einen kurzen Moment Unsicherheit auslösen. Unsere Sprache kennt viele Ausdrücke, die diese Unsicherheit beschreiben: eine Situation schlägt auf den Magen, der Magen dreht sich um, es wird einem vor Schreck oder Angst speiübel, im Kopf dreht sich alles, es wird einem heiß und kalt, man bekommt kalte Füße und viele mehr. Oder wie Giovanni Zarrella singt: die Situation bereitet Kopfschmerzen. Das alles zumindest so lange, bis man für sich eine Möglichkeit gefunden hat, wie man mit dem Problem am sinnvollsten umgeht. Das aber setzt voraus, dass ich selbst genau weiß, was ich will.

Auf der Suche nach sich selbst

Indirekt also fordert „Confusione“ dazu auf, die eigenen Gefühle zu hinterfragen und zu erforschen, wer man ist, welchen Sinn man in seinem Leben sieht und was wirklich glücklich macht. Alles nicht leicht zu beantworten. Und im Alltag ein Balanceakt: Denn gesellschaftliche Normen, die Erwartungshaltung von Familie, Freunden und Bekannten auf der einen Seite, die persönlichen Vorstellungen von Glück und Zufriedenheit auf der anderen Seite sind nicht immer leicht unter einen Hut zu bringen.

Wie einst Adriano Celentano

Bewusst lässt Giovanni Zarrella seinen Song ein wenig klingen, als sänge ihn ein junger Adriano Celentano: jugendhaft, unbeschwert und voller Optimismus. Damit lädt „Confusione“ dazu ein, eben genau diese „Confusione“, die Irrungen und Wirrungen hinter sich zu lassen, sich selbst zu finden und seinen Lebensstil entsprechend zu verändern. Der fast schon fröhliche Sound unterstreicht: Du kannst es schaffen, du kannst erkennen, wer du wirklich bist und was du wirklich möchtest. Und das ist eine ganze Menge mehr als man anlässlich der heißblütigen Liebeleien zu Beginn des Songs erwarten kann.

Giovanni Zarrella – „Confusione“

Nachtrag: Auf Spurensuche in Hechingen

Wer sich heute in Hechingen auf Spurensuche nach dem Künstler begibt, bekommt zwar in den Zoller-Stuben, im Schwanen und in der Casa Mia leckeres Essen. Aber die Familie Zarrella findet man dort nicht mehr. Denn der vielbeschäftigte Giovanni lebt mit seiner Familie schon seit einigen Jahren im Großraum Köln und damit im unmittelbaren Einzugsgebiet eines Medienstandortes. Und auch die Eltern haben ihre Restaurants in andere Hände gegeben, die baden-württembergische Kleinstadt verlassen und – Familie ist alles! – sind ihrem ältesten Sohn und seiner Familie gefolgt. Ebenfalls im Kölner Raum betreiben sie unter dem Namen „Casa Zarrella“ einen Cateringbetrieb mit Eventbetreuung für den geschäftlichen wie privaten Bereich.

Der bei Radio Salü gesendete Beitrag ist eine Kurzfassung dieses Textes.

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